Paderborner Arzt denkt mit 75 Jahren noch lange nicht ans Aufhören

Paderborn. Ans Aufhören denkt Basem Al-Ghoul noch lange nicht. Am 4. Oktober feiert der Paderborner Internist seinen 75. Geburtstag. In diesem Alter sind andere längst im wohlverdienten Ruhestand, egal in welchem Beruf. &bdquo;Ich mache weiter, weil ich meine Arbeit liebe“, sagt der Mediziner.

Darüber spricht Al-Ghoul in seiner Praxis. Dort hängen einige der Bilder seiner Ehefrau Renata. Die Juristin und Künstlerin hat er 1971 in Polen kennengelernt. Er erzählt aus seinem Leben, über seine palästinensische Familie, warum er sich den Frieden zwischen Palästinensern und Israelis im Nahen Osten wünscht, über sein Studium in Polen, über KI in der Medizin und darüber, in wie vielen Sprachen er sich mit seinen Patienten unterhalten kann.

Hier und da blitzt sein feiner Humor vor. &bdquo;Die Leute fragen mich immer wieder: Wie lange wollen Sie noch arbeiten? Und ich sage dann: bis 19 Uhr“, sagt Al-Ghoul und lacht freundlich. Er will so lange weitermachen, &bdquo;wie ich kann“. Auch, weil er nichts für Golf übrig hat. Mehr für Reisen. Mit seiner Ehefrau habe er schon an die 100 Länder besucht.

Paderborner Arzt kennt manche Patienten seit 40 Jahren Nach dem Studium ab 1970 an der Medizinischen Akademie im polnischen Wroclaw (Breslau) ist Al-Ghoul seit 1977 in Deutschland und seit April 1982 approbierter Arzt. Unter seinen Patienten sind viele Migranten. Zu ihnen gehört Sonja Dickmann (73). Seit 30 Jahren ist sie Patientin. &bdquo;Jeder, der sich an diesen Doktor wendet, fühlt sich willkommen“, sagt sie. Al-Ghoul sei &bdquo;ein sehr empathischer Mensch“. Und sie findet, dass er sein &bdquo;Leben dem Gesundmachen der Menschen“ widme. Viele Patienten kennt Al-Ghoul seit 30, 40 Jahren. Mittlerweile behandelt er oft auch deren Kinder oder Enkel.

Tatsächlich habe sich Al-Ghoul schon als Kind vorgestellt, einmal Arzt zu sein. &bdquo;Als ich zehn Jahre alt war, habe ich in meinen Schulheften mit ,Dr. Al-Ghoul’ unterschrieben. Ich habe alles über Krankheiten gesammelt, über Symptome und Behandlungen. Der Traum meines Vaters war, dass eines seiner Kinder Arzt wird. Und als er starb, da war ich verpflichtet, das zu tun“, erzählt Al-Ghoul.

Geboren in Amman in Jordanien, stammt die palästinensische Familie aus Jerusalem. Sie hat auch im Gebiet Palästinas und in Kuwait gelebt. Als Elftes von 21 Kindern ist Al-Ghoul von seinen Brüdern beim Wunsch, einmal Medizin studieren zu können, unterstützt worden. Letztlich hat es ihm ein Stipendium nach dem erfolgreichen Schulabschluss ermöglicht, in Polen das Studium aufzunehmen.

Arzt aus Paderborn spricht mehrere Sprachen Den Weg nach Paderborn hat schließlich seine Ehefrau Renata geebnet. Aus der früheren Region Schlesien stammt ihre Familie, ihre Eltern haben in Paderborn gelebt. &bdquo; Deshalb kamen wir hierher“, sagt Al-Ghoul. &bdquo;Ich habe schnell die deutsche Sprache gelernt und fing an zu arbeiten“. Nach beruflichen Stationen auch in Bad Lippspringe und Warburg hat sich Al-Ghoul in Paderborn niedergelassen. Die Erfahrungen von damals sieht er als wertvoll. &bdquo;Deutschland hat mich g ut aufgenommen. Ich kam ja mit nichts in der Tasche“, sagt der Arzt.

Von seinen drei Töchtern praktiziert seine älteste als Internistin und Allgemeinmedizinerin in München. Die beiden jüngeren Töchter arbeiten als Ergotherapeutin und Lehrerin in Köln. Insgesamt hat Al-Ghoul drei Enkelkinder.

Ein besonderer Türöffner für Al-Ghoul ist offenbar seine Begabung für Sprachen. Er spricht vor allem Arabisch, Polnisch, Deutsch, Englisch und Aramäisch und ein wenig Türkisch, begrüßt Patienten übersetzt jeweils oft mit &bdquo;Hallo, mein Freund!“. Al-Ghoul: &bdquo;Sprachen vereinfachen unser Leben und helfen mir bei der Anamnese, dem Befund. Damit kann ich Menschen besser helfen.“

Blick geht von Paderborn auch in den Nahen Osten Und so spiegeln sich auch die Nationalitäten im Wartezimmer wieder. Dort sind Patienten aus Russland, Polen und der Ukraine, &bdquo;aus allen arabischen Ländern“ sowie beispielsweise aus Afghanistan, Indien und Pakistan. &bdquo;Weil ich zum Beispiel die slawischen Sprachen kenne, verstehe ich auch die Mentalität der Russen“, sagt Al-Ghoul. Auch das helfe.

Dabei geht es nicht nur um Krankheiten. Ab und zu werde aus dem Arzt Al-Ghoul der &bdquo;Sozialarbeiter“. Das koste ihn auch Kraft. Aber er will das Vertrauen in ihn zurückgeben. &bdquo;Man muss dem Patienten zuhören und sich fragen: Was fehlt ihm, was will er? Und es ist doch so: Er schenkt mir sein Vertrauen, deshalb schenke ihm auch mein Vertrauen.“

Aber nicht alles lässt sich einfach lösen, schon gar nicht die Krise im Nahen Osten. Als nicht praktizierender Muslim und Palästinenser blickt Al-Ghoul auch dorthin. &bdquo;Die weltpolitische Lage ist katastrophal. Besonders das, was in Gaza passiert, tut mir sehr weh. Manchmal sitze ich da und weine.“ Zugleich betont er, dass er ebenso für die Israelis eines will: Frieden. Nur wie das gelingen kann, das weiß auch er nicht.

Künstliche Intelligenz und die Medizin Und so lenkt sich Al-Ghoul mit der Arbeit ab. Übrigens hat ihm einer der Enkel auch Smartphones und die KI nähergebracht. Er ist aber ohnehin offen dafür. &bdquo;Die Entwicklung der KI ist rasant, auch in der Medizin. Man muss den Mut und den Willen haben, am Ball zu bleiben“, sagt Al-Ghoul. &bdquo;Ich glaube aber nicht, dass Patienten eines Tages nur noch mit dem Computer sprechen werden.“ Weil auch das eine Frage des Vertrauens ist.

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