Los Angeles/Herford. Kaum ein anderer Architekt hat Ostwestfalen so sichtbar geprägt wie Frank Gehry. In Herford und Bad Oeynhausen stehen zwei seiner außergewöhnlichen Bauwerke – das Museum Marta und das Energie-Forum. Nun ist der Star-Architekt am 5. Dezember 2025 im Alter von 96 Jahren nach einer kurzen Atemwegserkrankung in seinem Haus in Santa Monica gestorben, teilte seine Mitarbeiterin Meaghan Lloyd der Deutschen Presse-Agentur mit.
Gehry gehörte zu den begehrtesten Architekten weltweit. Auf der ganzen Welt stehen Gebäude des Pritzker-Preisträgers, darunter der Neue Zollhof in Düsseldorf, das Guggenheim-Museum in Bilbao, die Walt-Disney-Konzerthalle in Los Angeles, die Art Gallery of Ontario in Toronto, die Stiftung Louis Vuitton in Paris sowie Wohngebäude unter anderem in Prag, New York und vielen anderen Städten.
Das Marta in Herford
Das Marta Herford wurde 2005 eröffnet und sollte ursprünglich ein Kompetenzzentrum für die Möbelindustrie werden, als Hommage an Herfords Tradition in der Möbelbranche. Doch unter der Leitung von Gehry entwickelte sich daraus ein Museum für zeitgenössische Kunst, Design und Architektur. Die Buchstabenfolge des Namens setzt sich daher entsprechend aus den Lettern der Wörter „Möbel“(M), „Art“ (ART) und „Ambiente“ (a) zusammen.
Gehry entwarf den markanten Neubau mit seinen wellenförmigen Dachlandschaften aus Edelstahl und den rot-klinkerfarbenen Backsteinwänden, die sich wie in Bewegung zu winden scheinen. Der Architekt dachte in Kurven, nicht in Kanten. „Meine Architektur drückt Freude aus“, hat der weltbekannte Architekt einmal in einem Interview gesagt. Und genau die ist auch beim Marta spürbar. Vom allerersten Tag an.
Das Gebäude verbindet den neuen Museumsbau mit der Revitalisierung eines ehemaligen Textilfabrik-Altbaus, wodurch Alt und Neu einander in spannender Weise ergänzen. Für viele Besucher gilt das Marta nicht nur als Museum, sondern als Gesamtkunstwerk: Architektur, Kunst, Design und Stadtentwicklung in einem.
Ein Rückblick auf die Marta-Eröffnung 2005 in Herford
Nach 47 Monaten Bauzeit wurde Herfords neues Museum am 7. Mai 2005 eröffnet. Das Interesse der Bürger, aber auch der Medien für das Projekt war immens. Herford kam in vielen Schlagzeilen unterschiedlicher Medien vor. Für die Öffentlichkeit gingen die Türen erstmals um 15 Uhr auf. Allein am ersten Wochenende wollen 21.000 Menschen ins Marta. Dafür harrten sie auch bereitwillig mit Regenschirmen vor dem imposanten Gebäude aus, denn das Wetter ließ an diesem Tag zu wünschen übrig.
Frank Gehry war bei der Eröffnung selbstverständlich persönlich zugegen. Eng an seiner Seite: der Belgier Jan Hoet, der charismatische erste künstlerische Leiter des Marta. Aber auch einiges an Prominenz ist vor Ort. Allen voran die damalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Letzterer schwärmte vom Gehry-Bau: „Dies ist ein begeisterndes Werk.“ Nach Verzögerungen beim Bau, durfte der damalige Bürgermeister Bruno Wollbrink die Worte sprechen, auf die viele so lange gewartet hatten: „Das Museum ist eröffnet!“
Früher wie heute gab und gibt es Kritiker am Museum. Zur Eröffnung etwa hatte sich eine Demo gebildet. Die Gruppe „genug ist genug“ hatte zum Protest aufgerufen. Zwischen 80 und 100 Sympathisanten schlossen sich an. Es wurde laut über Hartz IV und die Kosten des Gehry-Baus geschimpft. Der hatte immerhin 29 Millionen Euro gekostet. Die kalkulierten Kosten waren im Vorfeld mehrfach um Millionenbeträge gestiegen. Nach 20 Jahren wird das Marta 2025 für 3 Millionen Euro saniert.
Gehry-Ausstellung wird 2026 eröffnet
Das Marta hatte für das kommende Jahr Frank Gehry wieder in Herford erwartet. „Seit rund zwei Jahren bereiten wir in enger Absprache mit dem Büro Gehry Partners eine Ausstellung vor, um die enge Verbindung des Architekten mit der (LA-)Kunstszene insbesondere seiner frühen prägenden Jahre beleuchten wird. Wir haben immer gehofft und gedacht, dass Frank Gehry zu diesem Anlass nochmals nach Herford kommen würde, um in „seinem“ Museum Marta die Ausstellung „Mindset Los Angeles - Frank Gehry und die Cool School“ zu eröffnen“, schreibt Marta-Direktorin Kathleen Rahn. Die Eröffnung war für den 26. Juni 2026 geplant. Die Meldung über Gehrys tot habe man „sehr betroffen“ aufgenommen. „Wir richten unser Beileid an die Angehörigen und das Büro der Gehry Partners, LLP in Los Angeles“.
Rahn beschreibt Gehry als revolutionären Freigeist: „Seine Experimentierfreude, künstlerische Reflexion und sein unkonventioneller und teils provokativer Ansatz, Architektur neu zu denken, ist bis heute bahnbrechend.“ Als sie den Star-Architekten in Los Angeles besuchte „und ihm die Grundidee zu einer Ausstellung über seine Verbindung zu den Künstlern seiner Zeit vorschlug, war er begeistert“, so Rahn weiter.
Gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und dem Getty Institute in Los Angeles habe man die Ideen zur Ausstellung weiterentwickelt. „Die Achse Herford - Los Angeles wird einmal mehr den Mut und die Weitsicht unterstreichen, dieses Museum in unserer Hansestadt zu errichten. Wir werden dieses Erbe gut bewahren, pflegen und weiterentwickeln.“
Spuren in Bad Oeynhausen
Das Energie-Forum Innovation (EFI) in Bad Oeynhausen stammt aus einer frühen Phase von Gehrys Wirken in Deutschland. Bereits Mitte der 1990er Jahre entstand dieses auffällige Gebäude, also lange bevor der weltweite Ruhm mit späteren Projekten kam.
Obwohl es weniger bekannt ist als das Marta, besticht das EFI durch seine ungewöhnlichen Formen und seine Präsenz in der Stadt. Das Gebäude steht an der Mindener Straße, die Inbetriebnahme erfolgte 1995.
Bauherr war das damalige Elektrizitätswerk Minden-Ravensberg (EMR). Der Komplex wurde konzipiert als Netzleitstelle für Stromversorgung plus Verwaltungsräume, Konferenzräume, Auditorium und Cafeteria.
Für die Gestaltung als „Energie-Forum“ hielt Gehry nicht nur optisch Gebäudeästhetik hoch. Schon damals arbeitete er nachhaltig: Photovoltaik-Elemente an der Fassade, Solarthermie für Warmwasser, Wärmerückgewinnung, Kühldecken, Regenwassernutzung und Gebäudeautomation.
Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen
Geboren wurde Gehry 1929 im kanadischen Toronto als Sohn jüdischer Einwanderer aus Polen. Als Teenager zog die Familie nach Los Angeles weiter, wo Gehrys Vater und auch er selbst Jobs als Lastwagenfahrer annahmen.
Auf einer Abendschule, wo er den Abschluss nachmachte, entdeckte ein Lehrer sein Interesse für Architektur und unterstützte ihn. In den 1960er Jahren gründete Gehry dann sein eigenes Architektur-Studio in Los Angeles und bekam erste Aufträge. Auch im hohen Alter hatte Gehry bis zuletzt weiter an Entwürfen und Projekten gearbeitet.
Mit Material von dpa