Zwangsprostitution? Massage-Gutscheine aus Enger führen zu Schleuser-Netzwerk

Enger. &bdquo;Irgendwas muss da laufen“, sagt Paul P. (Name von der Redaktion geändert). Er ist einer von mehreren Kundinnen und Kunden, die bislang auf Gutscheinen eines Massage-Studios in Enger sitzen geblieben sind. Seit Anfang des Jahres ist das Geschäft ohne jede Erklärung verlassen. Recherchen zeigen nun, dass Paul P. mehr recht behalten sollte, als er ahnen konnte: Hinter dem geschlossenen Massagegeschäft steht offenbar nicht nur eine Geschäftsaufgabe, sondern ein Prozess um Zwangsprostitution und Schleuserei.

Paul P. berichtet, dass er den Gutschein im vergangenen Jahr erworben hätte und ihn in diesem Jahr versucht hat einzulösen. Zunächst habe es geheißen, dass aktuell keine Termine mehr frei seien. Dann sei unter der Handynummer des Massage-Studios niemand mehr zu erreichen gewesen. Ähnliches berichtet auch Sonja Petrusch-Roebers. Auch sie habe vor rund anderthalb Jahren einen Gutschein erworben, wollte ihn nun einlösen und habe dann auf einmal niemanden telefonisch erreichen können. &bdquo;Dass nun ein 50-Euro-Gutschein für den Müll ist, ist natürlich schade“, sagt Petrusch-Roebers.

In Enger hat das Studio keinen schlechten Ruf. Der Laden hat in der Vergangenheit schon zum Kirschblütenfest und Adventsbummel Preise für die Tombola beigesteuert. Seit Anfang des Jahres steht der Laden nun leer. Durch die Fenster ist ein Wäscheständer zu sehen, der mitten im Raum steht. Es liegen seit Monaten Briefe hinter der Eingangstür und es stehen diverse ungeöffnete Pakete im Raum.

Durchsuchungen im Februar Seit wann genau die Betreiberin nicht mehr erreichbar ist, dazu gibt es widersprüchliche Angaben. Fest steht jedoch, dass es laut der Staatsanwaltschaft am 19. Februar Durchsuchungen in dem Laden und in der Wohnung der Betreiberin gab.

Denn sie wird von der Staatsanwaltschaft Bielefeld der schweren Zwangsprostitution, der Zuhälterei und dem gewerbsmäßigen Schleusen von Ausländern beschuldigt. Hinter diesen Vorwürfen verbirgt sich die Praxis, Menschen häufig aus prekären Lebensumständen nach Deutschland zu holen und sie dann die Kosten für das Einschleusen als Prostituierte &bdquo;abarbeiten“ zu lassen.

Konkret sollen sich diese Vorgänge 2019 in einem anderen Massage-Studio der Betreiberin in Löhne zugetragen haben. Es geht also bisher nicht um Fälle, die sich in Enger zugetragen haben sollen. Das Verfahren gegen die Engeranerin ist anhängig an ein größeres Verfahren, das aktuell vor dem Landgericht Bielefeld verhandelt wird.

Schwere Vorwürfe gegen Netzwerk In dem Hauptverfahren geht es um eine mutmaßliche Schleuserbande aus OWL, rund um eine (andere) Frau aus Löhne. Das Netzwerk soll mindestens seit 2018 Thailänderinnen und Transmenschen nach Deutschland geschleust und sie dort zur Prostitution gezwungen haben. Angeklagt sind vier Männer und sechs Frauen.

Ihnen wird vorgeworfen, in Deutschland ein Netzwerk aus Thai-Bordell-Betrieben errichtet zu haben. Vor Ort soll jeweils eine Person – die Staatsanwaltschaft spricht von einer sogenannten &bdquo;Puffmutter“ – den Betrieb geleitet haben. Zusätzlich zu den Kosten für das Einschleusen sollen den Opfern auch Kosten für Lebensmittel und Hygieneartikel in Rechnung gestellt worden sein.

&bdquo;In allen Bordellen des Netzwerks sollen den Prostituierten bis zur vollständigen Schuldentilgung die durch die sexuellen Dienstleistungen generierten Einnahmen vollständig abgenommen beziehungsweise gar nicht erst ausgehändigt worden sein“, heißt es in einer Pressemitteilung des Landgerichts zu dem Prozess. Es soll für die Betroffenen nahezu unmöglich gewesen sein, ihre &bdquo;Schulden“ abzuarbeiten. Ihnen soll zudem zum Teil der Pass abgenommen worden sein. Die Angeklagten sollen auch auf die fehlenden Orts- und Sprachkenntnisse der Opfer gesetzt haben.

Prozess hat im November in Bielefeld begonnen Der Prozess gegen das mutmaßliche Schleusernetzwerk hat am 11. November vor dem Landgericht Bielefeld begonnen. Es sind 29 Verhandlungstage bis Ende April angesetzt. Die Redaktion hat versucht, die Betreiberin des Massagestudios in Enger für eine Stellungnahme zu erreichen. Doch die Telefonnummer des Ladens wird als nicht mehr vergeben angezeigt.

Dass sich so eine Geschichte hinter dem Ärger um Gutscheine versteckt, damit hätte Paul P. im Leben nicht gerechnet: &bdquo;Das vermutest du ja nicht.“

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