„Fühle mich nicht mehr allein“: So hilft ein neues Bielefelder Projekt einsamen Kindern

Bielefeld. Einsamkeit verbinden viele Menschen vor allem mit Senioren, doch das Gefühl kann Menschen jeden Alters belasten. Seit der Corona-Pandemie leiden vor allem Kinder darunter. Studien zeigen, dass Einsamkeit ein zunehmendes gesellschaftliches Phänomen ist - auch in jungen Lebensjahren. Um diesen Trend zu stoppen, hat das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB) mit Unterstützung der Liz Mohn Stiftung das Projekt gegen Einsamkeit &bdquo;Gemeinsam wachsen, zusammen wirken“ ins Leben gerufen. Der 15-jährige Victor ist Teil davon und gewährt Einblicke in sein Leben vor und nach dem Projekt.

Victor wählt seine Worte mit Bedacht. &bdquo;Ich hatte immer wieder das Gefühl, einsam zu sein. Ich habe zwar Freunde, hatte aber das Gefühl, dass ich bei niemandem Priorität habe.“ Das Gefühl der Einsamkeit belastet den Bielefelder Gymnasiasten lange, er zieht sich zurück, wird stiller. &bdquo;Über meine Einsamkeit habe ich auch mit unserer Schulpsychologin und später mit meiner Psychotherapeutin gesprochen, weil das nicht einfach für mich war.“

Seine Therapeutin macht Victor und seine Eltern deshalb auf das Projekt &bdquo;Gemeinsam wachsen, zusammen wirken“ aufmerksam. &bdquo;Anfangs war ich skeptisch, weil mir die geplanten sechs Monate sehr lang vorkamen. Aber die Zeit im Projekt hat mir sehr dabei geholfen mich nicht mehr einsam zu fühlen“, erklärt Victor. &bdquo;Ich bin mutiger geworden, probiere gerne Neues aus und habe einfach ein besseres Gefühl, wenn ich mit meinen Freunden oder anderen Menschen zusammen bin.“

Einsamkeit kann krank machen Genau das ist das Ziel von Projektleiterin Steffi Koch-Stoecker und ihrem Team. &bdquo;Wir bieten Kindern einen geschützten Raum zum Ankommen, in dem sie ihre Stärken finden und Teil einer Gemeinschaft sind.“ Gefühle von Einsamkeit kennt nach Angaben der geschäftsführenden Oberärztin der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am EvKB jeder Mensch. Doch geht das Gefühl mit einem dauerhaften Leidensdruck einher, leidet die Lebensqualität und steigt das Risiko für Erkrankungen. &bdquo;Wir dürfen einsame Kinder nicht länger übersehen, weil Einsamkeit schwerwiegende Folgen haben kann. Für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft, wenn sich mehr Menschen zurückziehen oder krank werden.“

Das Projekt gegen Einsamkeit baut nach Angaben Koch-Stoeckers auf drei Säulen. Die erste Säule stehe für den Umgang mit Emotionen und die Stärkung der Stresstoleranz, des Selbstwertes und sozialer Kompetenzen. &bdquo;Dafür sind Psychologen und Pädagogen des EvKB zuständig. Sie unterstützen die Teilnehmer in Gruppentrainings und Einzelgesprächen.“ Die zweite Säule bilde das Erkennen von Talenten und die Stärkung von Gemeinschaft und Vorbildern. &bdquo;Hier fördert die Liz-Mohn-Stiftung mit Gruppenworkshops und Gemeinschaftsaktivitäten.“ Die dritte Säule stehe für die Unterstützung individueller Stärken. &bdquo;20 Ehrenamtliche unterstützen als Mentoren. Die Teilnehmer suchen sie sich aus und haben so feste Begleiter.“

Freie Plätze für die zweite Projektrunde Für die Umsetzung haben das Team und die ersten 16 Teilnehmer des Projekts das Haus Sophia in Bethel passend ausgestattet. Auch Victor hat dabei mitgewirkt. Überall sind Kunstwerke des 15-Jährigen zu sehen. &bdquo;Die kreativen Workshops haben mir am meisten Spaß gemacht. Vor allem das Schreiben als Ventil. Das hilft mir bei starken Gefühlen.“ Victor war Teil des ersten Projektdurchgangs. Sicher finanziert sind nach Angaben von Teamleiterin Katharina Muregancuro drei Durchgänge, danach wird das Projekt evaluiert. &bdquo;Die erste Runde mit 16 Teilnehmern ist nach sechs Monaten gerade zu Ende gegangen. Wir bieten aber weiterhin Treffen und Kontakt an und bereiten den zweiten Durchgang für 16 neue Teilnehmer für das kommende Jahr vor.“ Plätze seien noch verfügbar.

Das Angebot richtet sich an Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 17 Jahre, die sich einsam fühlen. &bdquo;Jeder, der sich einsam fühlt, kann sich anmelden. Eine Anbindung an eine Klinik oder einen Therapeuten ist keine Voraussetzung“, erklärt Muregancuro. Die Treffen finden immer dienstags von 15 bis 17 Uhr für Kinder bis 13 Jahre und donnerstags von 17 bis 19 Uhr für Jugendliche bis 17 Jahre statt. &bdquo;Außerdem gibt es jeden Mittwoch Angebote für alle und regelmäßig auch am Wochenende.“

Team hofft auf Ausweitung des Projekts Aktuell richtet sich das Angebot nur an Familien in Bielefeld. &bdquo;Wir hoffen aber, dass aus dem Projekt mehr entsteht, damit auch Kindern in anderen Teilen der Region geholfen werden kann“, sagt Koch-Stoecker. &bdquo;Wir wissen, dass der Bedarf groß ist, und hoffen auf eine Finanzierung.“

Victor ist froh, dass er die Chance im Haus Sophia genutzt hat, weiß aber auch, dass die Teilnahme anfangs Überwindung kosten kann. &bdquo;Ich würde dazu raten, das Projekt auszuprobieren. So kann dann jeder sehen, ob das Projekt passt. Ich wäre gerne noch länger dabei geblieben.“

Weitere Informationen zum Projekt und zur Anmeldung: www.wachsen-und-wirken.de

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