
Paderborn. Das Verwaltungsgericht in Minden hat auf Antrag des Naturschutzbundes Nordrhein-Westfalen (NABU) das geplante Einsammeln von Gänseeiern im EU-Vogelschutzgebiet Steinhorster Becken gestoppt. Damit ist eine Niederlage für den Paderborner Landrat Manfred Müller (CDU) perfekt. Auch viele Landwirte dürften sich nach der Entscheidung ärgern.
Wenn Bauer Heinrich Westkämper (64) aus Sande im Kreis Paderborn in diesen Tagen aus dem Fenster schaut, packt ihn die Wut. "Da draußen auf dem Lippesee turnen 500 Gänse herum", sagt er. Für die Landwirtschaft seien die Tiere fast wie eine biblische Heuschreckenplage. "Die kommen ans Ufer und fressen uns dann die Felder leer", klagt Westkämper. Er habe auf seinen Äckern an der Lippe in den vergangenen zehn Jahren etwa 20.000 Euro Schaden durch Gänsefraß erlitten.
Mit seinen Argumenten steht Westkämper nicht allein. Vielerorts wird über die Gänse geklagt. In den Wintermonaten fallen sie vor allem im Rheinland zu Zehntausenden ein. Vor allem die arktischen Arten wie etwa Blässgänse rasten dort. Für die von ihnen angerichteten Schäden zahlte das Land NRW 2008 etwa 1,5 Millionen Euro an betroffene Bauern aus. Anders verhält es sich aber bei den heimischen Graugänsen, die den schönen lateinischen Namen "Anser anser" tragen. Sie brüten in unseren Breiten und dürfen von Jägern geschossen werden. Für die Fraßschäden von Graugänsen erhalten die Bauern aber keinen Schadenersatz.
Graugänse ebenfalls stark vermehrt

Die Graugänse haben sich ebenfalls stark vermehrt. Vor allem im 80 Hektar großen Naturschutzgebiet Steinhorster Becken, das an der nördlichen Grenze des Kreises Paderborn liegt, hat die Population offenbar stark zugenommen. Wurde in diesem Seengebiet 1991 erst ein Graugans-Brutpaar gezählt, so waren es 2004 schon 42 und 2008 sogar 162 Paare. Hinzu kommen Nil- und Kanadagänse, sogenannte Neozoen. Diese "Neubürger" haben es geschafft, in unseren Breiten heimisch zu werden, und dürfen in den Monaten von August bis Januar ebenfalls bejagt werden.

Allerdings ist das Schießen im Naturschutzgebiet Steinhorster Becken verboten. Deshalb hatte sich der Kreis Paderborn zusammen mit den Landwirtschaftlichen Kreisverbänden sowie den Biologischen Stationen ein einmaliges "Projekt" einfallen lassen. Bereits im vorigen Jahr wurden im Steinhorster Becken die Nester der Gänse komplett leergeräumt und 800 Eier vernichtet. Vom 2. bis zum 4. April dieses Jahres sollte das nun wiederholt werden.
Als Grund führte der Kreis eine wissenschaftliche Untersuchung des Gänse-Legeverhaltens an. Ähnlich wie beim Walfang sei der Forschungszweck aber nur "vorgeschoben", mutmaßt Klaus Nottmeyer-Linden, NRW-Vorsitzender der Ornithologengesellschaft. So sah es gestern auch das Verwaltungsgericht in Minden. Es schob der vorösterlichen Eiersammlung kurzerhand einen Riegel vor.