„Ich mach dir das Leben zur Hölle“: Detmolder soll Freundin und Schwester geschlagen haben

Detmold. Er sitzt dort in Fußfesseln und wippt nervös mit den Knien auf und ab. Wie wenig sich der junge Mann (23) auf der Anklagebank unter Kontrolle hat, stellt er kurz nach der Urteilsverkündung unter Beweis. Mehrere Justizwachtmeister braucht es, um den Detmolder vom Gerichtsflur wieder zurück in die Zelle zu führen. Er brüllt und wehrt sich. Wenige Minuten zuvor hatte er vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Detmold noch beteuert, nicht ins Gefängnis zu gehören. Die Kammer unter dem Vorsitz von Richter Martin van der Sand sieht das anders.

Deshalb verurteilt das Gericht den größtenteils geständigen Angeklagten nach der Beweisaufnahme in insgesamt 15 Fällen unter anderem wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung und dem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Haftstrafe von zweieinhalb Jahren. Zwar ist der junge Mann aus dem Irak bisher nicht vorbestraft, sein Verhalten geriet laut dem Vorsitzenden aber zuletzt offenbar völlig außer Kontrolle. Weder Polizeigewahrsam, Untersuchungshaft noch ein außer Vollzug gesetzter Haftbefehl konnte den Angeklagten bewegen, sich in den Griff zu bekommen.

Angeklagter soll Zeugin bedroht haben Wenige Tage vor dem Prozess soll der Angeklagte seine Ex-Freundin noch bedroht haben, deswegen kam er erst wieder in U-Haft. Die dazugehörige Tonaufnahme spielt der Vorsitzende in der Hauptverhandlung ab. Darauf ist die Stimme des Angeklagten zu hören. &bdquo;Ich schwöre bei Gott, ich werde dir das Leben zu Hölle machen. Keiner wird dich retten können“, sagt er. Die gehörte Sprachnachricht werde wahrscheinlich bald Teil eines eigenen Verfahrens sein, sagt der Richter, daneben stünden weitere Vorwürfe aus.

&bdquo;Sie haben keinerlei Bereitschaft gezeigt, sich an Regeln zu halten“, sagt Richter Martin van der Sand. &bdquo;Es sei denn, es sind Ihre eigenen.“ Die schwersten ihm vorgeworfenen Straftaten richten sich dabei ausgerechnet an die Frauen, die ihm am nächsten standen. Seiner Schwester verbot er, einen muslimisch-gläubigen Freund zu haben. Mehrfach kam es deshalb in diesem Sommer zu Streit und gewalttätigen Auseinandersetzung. Die Kammer ist auch überzeugt, dass der Angeklagte seine Schwester und deren Freund mit dem Tod bedroht hätte.

Frauen weniger wert? &bdquo;Sie haben im Laufe der Zeit ein Frauenbild aufgebaut, das nicht damit vereinbar ist, wie wir hier leben“, sagt Richter Martin van der Sand. Das habe nichts mit seiner Herkunft, sondern mit den in seinem Kopf verankerten patriarchalischen Strukturen zu tun. &bdquo;Niemand kann ihrer Schwester sagen, wie Sie zu leben hat. Sie haben aber beschlossen, sich diesen Anspruch zu nehmen.“ Die Frauen, die seinen Gewaltausbrüchen ausgesetzt waren, litten immer noch unter den Taten. Dass seine Schwester überhaupt gegen ihn ausgesagt habe, beschreibt der Vorsitzende als &bdquo;mutig“. Sie habe immer noch große Angst, das sei spürbar gewesen.

Im Juli hatte der 23-Jährige seine Mutter bei einem Streit zu Hause gepackt und geschüttelt, sodass diese mit dem Kopf gegen das Küchenregal stieß. Als die Schwester helfen wollte, schlug er auch sie zusammen - und trat auf sie ein. Diese Szenen gibt der Angeklagte zu. Genauso wie mehrere andere Gewaltausbrüche gegenüber seiner damaligen Freundin, die sichtlich bewegt im Gerichtssaal sitzt. Sein Geständnis ist für die Kammer teils wirr, da er zwar vieles zugibt, dann aber wieder zurückrudert. Zum Schluss bestreitet er wiederholt, seine Ex mit einem Messer bedroht zu haben. &bdquo;Ich bin kein Verbrecher, der Menschen tötet.“

Rechtsanwältin Deborah Weinert, die die Ex-Freundin (21) des Angeklagten in der Nebenklage vertritt, geht im Plädoyer noch mal auf das Frauenbild des Angeklagten ein, das die Schwester vor Gericht beschrieben hatte. &bdquo;Ihr Bruder würde immer sagen: Ich bin Mann, ich darf alles machen. Du bist Mädchen, du darfst gar nichts.“ Das sei eindrücklich gewesen.

Staatsanwältin Jacqueline Kleine-Flaßbeck kommt vor allem auf Gründe, die gegen den Angeklagten sprechen. Dazu zählten sein massiv aggressives Verhalten sowie das Einschüchtern von Zeugen. Das Urteil später deckt sich letztendlich genau mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Verteidiger Renzi Yalcin betont die schwere Vergangenheit seines Mandanten, den mutmaßlichen Missbrauch durch den Onkel, die durch den Krieg und die Verfolgung durch den IS erlittenen Traumata. Deshalb beantragt Yalcin eine Strafe, die anderthalb Jahre auf Bewährung nicht überschreiten sollte.

Kontrollverlust im Gerichtsflur Auch die Kammer erkennt den schweren Lebensweg des jungen Mannes an. Mit seiner Flucht nach Deutschland hätte die Geschichte ein gutes Ende nehmen können, sagt der Richter. Schließlich habe er die Schule abgeschlossen, eine Ausbildung gemacht und einen festen Job als Dachdecker. Doch dann sei vieles ziemlich schief gegangen.

Der 23-Jährige erkennt an, ein Gewaltproblem zu haben. &bdquo;Ich weiß, dass ich aggressiv bin, aber ich will niemanden wehtun. Ich kann mich einfach nicht kontrollieren. Mein Vater war so, meine ganze Familie ist so“, sagt der junge Mann unter Tränen. &bdquo;Ich begehe viele Fehler, die ich nicht möchte.“ Dazu habe auch seine Spielsucht und das Kiffen beigetragen. Richter van der Sand sieht in dem emotionalen Auftritt auch ein stückweit Selbstmitleid, mit dem er Verantwortung wegschiebe.

Die Maske fällt dann, als der Angeklagte aus dem Saal geführt wird. Mehrfach bedankt er sich provokativ bei seiner gegenüber sitzenden Ex-Freundin, als müsse er wegen ihr ins Gefängnis. Für die junge Frau scheint der ausgeübte Druck kaum aushaltbar zu sein. Verteidiger Yalcin holt seinen Mandanten kurz auf den Boden zurück. &bdquo;Das waren Sie“, sagt er. &bdquo;Das liegt in Ihrer Verantwortung.“ Auf dem Flur scheint der Angeklagte dann ganz die Kontrolle zu verlieren. Das Gericht wird ihn wiedersehen.

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