
Bielefeld (nw). Sozialdemokraten, Grüne und Christdemokraten haben im Düsseldorfer Landtag am Donnerstag einen Antrag eingebracht, der die Bildungslandschaft auch in Ostwestfalen-Lippe in vielerlei Hinsicht nachhaltig verändern wird. Behinderte Kinder, die früher in Sonderschulen (heute: Förderschulen) betreut wurden, sollen in Zukunft in den allgemeinen Schulen unterrichtet werden.
Die Düsseldorfer Landesregierung wird damit die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen umsetzen, die seit März vergangenen Jahres auch für Deutschland verbindlich geworden ist. Im Bildungssystem wird von der UN die "Inklusion" gefordert, was bedeutet, dass die derzeitige sonderpädagogische Förderung von Kindern in Zukunft zum allergrößten Teil an Regelschulen passieren soll.
Das bedeutet Inklusion
Inklusion erweitert den Blick auf den besonderen Förderbedarf eines einzelnen Kindes um die Perspektive auf das Gesamtsystem der einzelnen Schule. "Das Inklusionskonzept betont die positiven Wirkungen heterogener Lerngruppen. Das erfordert vielfach Änderungen in der Unterrichtsdidaktik und -organisation sowie in vielen weiteren Bereichen", sagt Siegfried Lieske, Dezernent bei der Detmolder Bezirksregierung. "Kinder mit Behinderungen müssen nicht mehr integriert werden, sondern sie gehören von Anfang an ohne Bedingung dazu." Während eine integrative Pädagogik die Eingliederung einzelner Schüler mit Behinderungen anstrebt, sortiert eine inklusive Pädagogik sie gar nicht erst aus. Schulen können mit dem "Index für Inklusion" selbst überprüfen, bis zu welchem Grad sie schon inklusionsfähig sind. Der "Index" ist im Internet (www.inklusionspaedagogik.de) herunterzuladen. Er ist in einer Fassung für Schulen und einer für Kitas erhältlich.(gär)In Ostwestfalen-Lippe gibt es nach Angaben der Detmolder Bezirksregierung derzeit 14.113 Schülerinnen und Schüler mit einem amtlich festgestellten sonderpädagogischen Förderbedarf. Die Mehrzahl von ihnen (12.265) besucht öffentliche und private Förderschulen, von denen es in OWL insgesamt 98 gibt. Die Förderschulen unterscheiden sich nach Förderschwerpunkten - sie sind damit "Spezialisten" im Betreuen und Unterrichten von sprach-, körper-, lern- und geistig behinderten oder sinnesgeschädigten Kindern. Spezielle Förderschulen gibt es auch für eine wachsende Anzahl von Kindern, die Verzögerungen in ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung aufweisen.
Es wird mindestens zehn Jahre dauern
Derzeit besuchen in OWL von den 14.115 Kindern mit sozialpädagogischem Förderbedarf nur 1.848 Kinder allgemeine Schulen, der Rest wird an Förderschulen betreut. Dieses Verhältnis, das dem Landesdurchschnitt entspricht, "soll mit der Einführung der Inklusion umgekehrt werden", erläutert die Bildungsexpertin und Grünen-Landtagsabgeordnete Sigrid Beer aus Paderborn. Behinderten Kindern müsse "endlich die volle Teilnahme am Unterricht der allgemeinen Schule ermöglicht werden", heißt es im Antrag von CDU, SPD und Grünen. Dazu diene "der Rechtsanspruch auf Inklusion".
"Wir drehen ein Riesenrad, der Prozess muss sorgsam vorbereitet sein, und er wird mindestens zehn Jahre dauern", prophezeit Beer. Experten stimmen ihr zu. Weil es "viele unterschiedliche Interessen" gebe, werde das Düsseldorfer Schulministerium "mit allen Beteiligten einen Inklusionsplan entwickeln", sagt Sprecherin Nina Heil.