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Dörte Güth züchtet britische Herdwicks

44 Lämmer neu geboren

VON MATTHIAS BUNGEROTH

Züchterin Dörte Güth umarmt eines der im April neugeborenen Lämmer ihrer Schafherde. - © FOTO: REIMAR OTT
Züchterin Dörte Güth umarmt eines der im April neugeborenen Lämmer ihrer Schafherde. (© FOTO: REIMAR OTT)

Leopoldshöhe. Friedlich blöken die kleinen Lämmer in ihrem Gatter. Sichtlich gut geht es den im April geborenen Tieren auf der Weide im Leopoldshöher Ortsteil Greste vor den Toren der Stadt Bielefeld. Für die Muttertiere ist heute ein besonderer Tag. Der Schafscherer ist gekommen, das Winterfell muss weichen. Doch Aufregung herrscht in der Herde deshalb keineswegs.

Es sieht so aus, als wartete jedes Tier gelassen darauf, bis es an die Reihe kommt. Vielleicht hat die äußere Ruhe auch damit zu tun, dass es sich bei den Schafen um die in Ostwestfalen-Lippe seltene Rasse der Herdwicks handelt. "Sie gelten als extrem widerstandsfähig", sagt die Besitzerin Dörte Güth. Die 46-jährige Lagenserin hat die Schafe vor vier Jahren über einen Fachmann aus Bremerhaven aus England einführen lassen. "Der Bestand wächst immer weiter", freut sich Güth. Derzeit besitzt die Züchterin, die im Hauptberuf Verwaltungsangestellte im Tierpark Olderdissen in Bielefeld ist, 40 Muttertiere, 44 Lämmer und einen Bock. "50 bis 60 Muttertiere wären schön", sagt die 46-Jährige. Allerdings bräuchte sie für eine größere Herde auch mehr Stallungen und mehr Weidefläche.

Information

Der Zuchtverband     

  • Rund 10.000 Schafzüchter gibt es in NRW. Das sagt Verbandschef Burkhard Schmücker aus Büren.
  • Die Herden sind bis zu 3.000 Tiere groß.
  • Am meisten verbreitet ist das deutsche schwarzköpfige Fleischschaf, das laut Schmücker vor rund 140 Jahren im Raum Paderborn und Höxter gezüchtet wurde. (bth)

Dass es auf dem 4,5 Hektar großen Areal in Leopoldshöhe trotz der für die Tiere anstehenden Scher-Prozedur keine Panik gibt, dürfte auch am fachmännischen Auftreten von Schafscherer Ryan Quinn liegen. Mit sicherem, festen Griff packt er jedes Schaf, holt es aus dem Gatter und dreht es in eine Rücklage, sodass er das Tier zwischen den Beinen einklemmen kann. "Der Rücken des Tiers muss rund sein", erläutert Quinn. Zwei- bis zweieinhalb Minuten dauert jeder Schervorgang. Das zügige Arbeiten ist wichtig, um den Stress für die Schafe so gering wie möglich zu halten. "Man muss natürlich auch sorgfältig scheren", betont Quinn, während seine Schermaschine surrend das Fell von einem Tier löst. "Das Hauptteil soll in einem Stück bleiben", erklärt der gebürtige Ire.

Seit 25 Jahren schon schert der 40-Jährige Schafe, eine Kunst, die ihm Vater und Großvater bereits als Kind vermittelt haben, wie er erzählt. Wie viele Schaffelle er schon auf diese Weise von den Tieren entfernt hat? Das kann er partout nicht mehr sagen. Viele! Dass diese Tätigkeit, bei der sich der Scherer fast die ganze Zeit tief bücken muss, auf die Gesundheit geht, hat Quinn am eigenen Leib erfahren. Zweimal schon wurde er an der Bandscheibe operiert. "Fußball und Rugby geht nicht mehr", lacht Quinn. Doch ganz ohne Ausgleich geht es nicht. "Ich habe fünfeinhalb Kinder", sagt er mit trockenem, irischen Humor. Die Erklärung liefert Quinn gleich mit: Seine Frau erwartet im Herbst das sechste Kind.

So kann den Schafscherer, der in Schneverdingen selbst eine Herde von 500 Tieren hegt und pflegt, keine Lebenslage wirklich aus der Ruhe bringen. "Das Schaf hier wollte keinen Haarschnitt, das wollte eine Dauerwelle", sagt er schmunzelnd angesichts eines Tiers, das etwas nervöser ist als andere.

"Der Bock ist auf Krawall gebürstet", sagt Quinn beim Anblick von "Braveheart", dem einzigen Herrn in der Schafherde. Etwa 80 Kilo bringt das Tier mit den runden Hörnern am Kopf auf die Waage. "Und das ohne Wolle", meint Quinn. So müssen Dörte Güth und Christian Buschmeyer-Löher, ein befreundeter Schafzüchter aus Lemgo, schon viel Kraft und Überredungskunst aufbringen, um "Braveheart" zum Scherer zu führen. "Er liebt eben seine Freiheit", sagt Güth in Anspielung auf den Namen des Schafbocks, der bei der Grünen Woche in Berlin schon erste Preise eingeheimst hat, wie sie erzählt.

Doch auch der Bock kommt nicht umhin, sein Fell zu lassen. Bryan Quinn machts möglich. Seine Erklärung: "Wenn die Tiere mehr Gewicht haben, liegen sie eigentlich besser." So überstehen alle die ungeliebte Prozedur, die im Tierschutzgesetz für jedes Jahr vorgeschrieben ist, unbeschadet. Nach ein paar Irritationen finden die Lämmer ihre Mütter im neuen Outfit auch wieder. Frieden kehrt wieder ein auf der Weide im Leopoldshöher Ortsteil Greste.

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