Schloß Holte-Stukenbrock. Es ist die außergewöhnlichste Wohngemeinschaft Ostwestfalen-Lippes. Mit Balou, Sanya und Lejon hat sich bei Jeannette Wurms Nachwuchs einquartiert, der bei der Tierpflegerin keine Langeweile aufkommen lässt. Schlafen, Fressen und Blödsinn machen gehören zu den Lieblingsbeschäftigungen der lieben Kleinen. Es sind zwei Junglöwen und ein Mischlingshund.

Lejon kennt keine Gnade. Mit weit aufgerissenem Maul macht er sich über Sanya her. Man kann einen Schreck bekommen. Doch der scheinbare Biss in die Kehle des am 6. Juni geborenen braunen Junglöwen ist nur Spielerei. Sanya ist um eine Antwort nicht verlegen, kneift mit seinen schon beträchtlich scharfen Zähnchen zurück und hält sich mit den Pfoten in Lejons Fell fest.

Derweil hat Sanyas Artgenosse Balou, ein weißer Junglöwe mit flauschigem Fell, Gefallen an der Teppichkante gefunden. Rege wird daran geknabbert, bis die beiden anderen tierischen WG-Bewohner hinzukommen und alle drei wenige Augenblicke später auf dem Fußboden des Wohnzimmers durcheinanderkugeln. Einfach zum Brüllen. Als nächster Spielplatz sind Sofa und Sofatisch dran. Jeannette Wurms, Tierpflegerin im Zoo/Safaripark Schloß Holte-Stukenbrock, atmet durch. "Hoch kommen sie alle, runter fallen sie immer", sagt sie lächelnd. Will heißen: Der Löwennachwuchs ist noch ein wenig tapsig.

Löwe in Handaufzucht

Es hat einen besonderen Grund, dass die Tierpflegerin die beiden kleinen Löwen kurzfristig bei sich aufgenommen hat, die von unterschiedlichen Eltern stammen. "Die vertragen sich noch nicht so gut", sagt Jeannette Wurms. In ihrem Haus sollen sie sich aneinander gewöhnen, denn schon bald sollen sie in einen gemeinsamen Stall umziehen. "Ich versuche ihnen ein löwengerechtes Leben zu geben", sagt sie. Balou, geboren am 7. Juli, ist seit etwa vier Wochen hier. Sein Schwesterchen starb, darauf setzte die Milchproduktion bei seiner Mutter aus, wie Jeannette Wurms erzählt. "Da musste ich ihn aus dem Gehege rausnehmen." Sie begann mit der Handaufzucht.

Vor einigen Tagen kam nun Sanya neu in die WG. Die junge braune Löwendame ist ein Einzelkind und in der Schweiz geboren. Jetzt sollen sich die beiden kleinen Raubkatzen in OWL anfreunden und ein gemeinsames Quartier beziehen. Schon bald, schätzt Jeannette Wurms, werden die Kleinen umziehen, wo sie dann auch im Freigehege des Zoos zu sehen sein werden.

Denn die WG entwickelt sich gut. Vielleicht liegt das auch an Lejon, dem gut drei Jahre alten Mischlingshund von Jeannette Wurms. Er versteht sich mit den beiden Junglöwen erstaunlich gut. Das fördert offenbar auch die Freundschaft zwischen den Löwenjungen.

Bis zu sieben Milchflaschen

Schon um 6.15 Uhr morgens heißt es im Löwenschlafzimmer: "Aufstehen!" Sobald Jeannette Wurms die Tür öffnet, ist Leben in der Bude. Während Balou sein Milchfläschchen von selbst einfordert, gestaltet sich die Nahrungsaufnahme bei Sanya schon etwas schwieriger. "Ich muss mit der Flasche hinterherrennen", sagt Wurms. Bis zu sieben Flaschen verdrückt ein Löwenjunges am Tag.

Im Wechsel mit der tierischen WG zu Hause müssen im Zoo noch 18 Raubtiere versorgt werden – Löwen, Tiger und Geparden. Langeweile kann so für Jeannette Wurms nicht aufkommen. Trotz des momentanen Kuschelfaktors weiß die Expertin, dass sie mit Balou und Sanya schon echte Raubtiere in der Wohnung hat. Vorsicht beim Körperkontakt ist also immer geboten, sonst "kann es sein, dass man selbst viele schöne Löcher hat". Das alles ändert aber nichts an ihrem Verhältnis zu den Junglöwen in ihrer WG. "Ich habe beide tierisch lieb."