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Wenn Tiere gehortet werden

Auch in OWL schreiten die Veterinärämter häufig wegen miserabler Haltungsbedingungen ein

VON HUBERTUS GÄRTNER

Wenn Tiere gehortet werden - © OWL
Wenn Tiere gehortet werden (© OWL)
Der Grüne Baumpython ist eine der großen Würgeschlangen. Nur Experten sollten sie halten. - © FOTO: DPA
Der Grüne Baumpython ist eine der großen Würgeschlangen. Nur Experten sollten sie halten. (© FOTO: DPA)

Bielefeld. Sie sammeln Tiere wie andere Leute Briefmarken, Musikcassetten oder Bücher. Als "Animal Hoarder" werden Menschen bezeichnet, die eine Vielzahl von lebenden Kreaturen auf engem Raum halten, ohne auch nur die Mindestanforderungen an Nahrung, Hygiene oder tierärztlicher Versorgung gewährleisten zu können. Auch in der Region Ostwestfalen-Lippe sind solche Fälle bereits mehrfach vorgekommen.

Erst am vergangenen Wochenende wurden Feuerwehr und Polizei zu einem Mehrfamilienhaus nach Harsewinkel gerufen. Als die Kontrolleure die Wohnungstür öffneten, schlug ihnen bestialischer Gestank entgegen. Was sie dann sahen, verschlug ihnen die Sprache: Auf etwa 80 Quadratmetern lebten zahlreiche Hunde, Katzen und Vögel zusammen mit Reptilien in ihren eigenen Exkrementen. Der Halter, ein 47 Jahre alter Mann, hatte diesen Zoo in seinen eigenen vier Wänden als privates Hobby betrieben, doch er war ihm offenbar über den Kopf gewachsen. "Die Tiere wurden zwar gefüttert, aber die Haltungsbedingungen waren nicht akzeptabel", sagt Beate Balsliemke, Sprecherin des Kreises Gütersloh. Zusammen mit einem Reptiliensachverständigen werde man nun überlegen, was zu tun sei.

Manchmal sehen die Veterinärämter keine andere Möglichkeit, als die armseligen Kreaturen zu beschlagnahmen. So geschah es Anfang September, als das Veterinäramt des Kreises Lippe mehrere alte Pferde auf einem Hof in Bad Salzuflen abtransportierte. Die Tiere gehörten zu einer größeren Herde, sie waren vernachlässigt und abgemagert. Die Halterin hatte eine artgerechte Pflege offenbar nicht mehr leisten können.

Dieses fischfressende Reptil lebt in einer Harsewinkeler Wohnung. - © FOTO: CHRISTIAN MATHIESEN
Dieses fischfressende Reptil lebt in einer Harsewinkeler Wohnung. (© FOTO: CHRISTIAN MATHIESEN)

In den Kreisen Höxter, Gütersloh und Lippe mussten die Behörden in den letzten Wochen gleich mehrfach gegen überforderte Hundezüchter aktiv werden. Im Kreis Lippe wurde einem Züchter ein kompletter Wurf mit fünf Welpen weggenommen, weil er die Tiere "erheblich vernachlässigt" hatte, wie Heike Scharpenberg, Leiterin des Veterinäramtes beim Kreis Lippe, bestätigt. In Verl beschlagnahmten die Veterinäre aus dem gleichen Grund acht Staffordshire-Welpen. Der Kreis Höxter versucht gerade , einem Halter von zahlreichen Hunden mit Ordnungsverfügungen beizukommen, weil die Tiere nicht ausreichend versorgt sind und sich in einem miserablen hygienischen Zustand befinden.

Man dürfe die Fälle "nicht pauschalisieren", sagt der Paderborner Kreisveterinär Ralf Lang. Von "Animal Hoarding" werde eigentlich erst bei einer großen Anzahl von Tieren gesprochen. Allerdings seien "die Übergänge fließend". Häufig würden Menschen aus durchaus ehrenwerten Motiven damit beginnen, Tiere zu sammeln. Sie wollen beispielsweise einer streunenden Katze oder einem ausgesetzten Hund ein Zuhause bieten – dann werden es plötzlich immer mehr.

Manchmal führten aber auch monetäre Erwägungen zum Animal Hoarding. Hündinnen würden in diesen Fällen "als reine Wurfmaschinen betrachtet". Man deckt sie in möglichst kurzen Intervallen, damit wieder und wieder Nachwuchs produziert wird. Abgesehen von diesem Typus leiden Animal Hoarder häufig unter psychischen Störungen.

Information
Vier Tierhorter-Typen

In der Fachliteratur werden vier Typen von Tierhortern ("Animal Hoarder") unterschieden:
  • Der Rettertyp: Er sammelt Tiere ein, um sie zu schützen. Später wächst ihm die steigende Anzahl über den Kopf.
  • Der Züchtertyp. Er züchtet Tiere für den Verkauf oder Ausstellungen. Allmählich nimmt die Anzahl dermaßen zu, dass keine adäquate Haltung mehr möglich ist.
  • Der übertriebene Pfleger: Er sammelt Tiere, um sie zu verhätscheln.
  • Der Ausbeutertyp: Er fühlt sich als Tierexperte und hat einen starken Kontrollzwang.

Das bestätigt auch Marion Dudla, Sprecherin des deutschen Tierschutzbundes. "Diese Menschen halten sich für Tierliebhaber. Sie sind felsenfest überzeugt davon, dass sie sich um ihren Tierbestand kümmern, und wollen einfach nicht wahrhaben, dass sie schon längst nicht mehr die Kraft und die (finanziellen wie räumlichen) Möglichkeiten dazu haben." Auch der Paderborner Kreisveterinär Lang kann das aus seiner täglichen Arbeit bestätigen.

Nach Angaben von Dudla haben die Fälle von Animal Hoarding in der letzten Jahren in Deutschland "deutlich zugenommen". Von den 500 Tierheimen, die dem Tierschutzbund angeschlossen sind, hätten im vergangenen Jahr knapp die Hälfte einen solchen Fall zu verkraften gehabt, sagt die Sprecherin. Es bedeutet, dass sie auf einen Schlag mehrere Dutzend beschlagnahmte Tiere aufnehmen mussten. Man habe für solche Fälle deshalb schon einen besonderen Fonds eingerichtet, um finanziell zu helfen.

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