
Bielefeld/Minden. Die Tage der Mufflonherde im Teutoburger Wald sind wahrscheinlich gezählt. Die Stadt Bielefeld stellt sich jedenfalls darauf ein, dass sie zum nächsten Jagdjahr den Totalabschuss beschließen muss. Ausschlaggebend dafür ist ein Prozess vor dem Mindener Verwaltungsgericht.
Dort hat die 8. Kammer am Freitag zwar noch kein Urteil gefällt. Die für den Fall zuständige Richterin Bärbel Brinkmann will es den Parteien schriftlich zustellen. Die Stadt Bielefeld sieht in der mündlichen Verhandlung aber schon jetzt einen eindeutigen Trend. Das Verwaltungsgericht ist der "Rechtsauffassung der Klasingschen Stiftung in vollem Umfang gefolgt", sagte die stellvertretende Leiterin des Bielefelder Rechtsamtes, Petra Wellmann. Auch Umweltdezernentin Anja Ritschel zeigte sich zerknirscht. "Wir wollen die Herde erhalten, aber wir sind mit unseren Argumenten nicht durchgedrungen", sagte sie.
Die Klasingsche Stiftung will die Mufflons nicht mehr dulden, weil sie in deren Wald zu viele Schäden anrichten. Nach Einschätzung des Verwaltungsgerichts seien "die Schäden so gravierend, dass sie unverhältnismäßig in die Eigentumsrechte der Klasingschen Stiftung eingreifen", sagte Wellmann. Das Gericht sehe eine weitere Hürde darin, dass in einem Bewirtschaftungsbezirk für Muffelwild eigentlich mindestens 15 Tiere leben müssten, damit "ein artnormales biosoziales Verhalten" möglich sei. Derzeit umfasst die Teuto-Herde aber nur zwölf Tiere - und bereits diese richten im Klasingschen Forst angeblich zu große Schäden an.
Die zuständige Verwaltungsgerichtskammer wolle nicht selbst den von der Klägerseite beantragten Totalabschuss verfügen, sondern den Schwarzen Peter gleichsam an die Stadt weitergeben. Diese solle den Abschussplan 2012/2013 aufheben, anschließend müsse die Untere Jagdbehörde der Stadt "unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts neu entscheiden".
Laut Jürgen Kley, Leiter der Unteren Jagdbehörde, dürften damit aber zumindest einige Monate Zeitgewinn verbunden sein. Es sei "unmöglich", die zuständigen Gremien noch vor dem 31. Januar zusammenzurufen. An diesem Tag endet die Jagd auf Muffelwild – sie darf erst im August wieder beginnen. Fraglich sei, ob der Jagdbeirat dem Totalabschuss bis dahin zustimmen werde. Er hatte ihn schon früher abgelehnt. Sollte der Dissens auf dieser Ebene weiter bestehen, müsste die Obere Jagdbehörde, der Landesbetrieb Wald und Holz, für den Abschussplan angerufen werden.
Sollte die erwartete Niederlage in der 1. Instanz eintreten, könnte die Stadt Bielefeld auch noch das Oberverwaltungsgericht in Münster anrufen. Dieser Schritt wird schon erwogen. Das Verwaltungsgericht Minden habe wichtige Argumente nicht berücksichtigt, sagte Wellmann. So gebe es keine exakten Angaben zu den Schäden. Es fehle ein Gutachten. Auch sei das Mindener Gericht nicht dem Antrag der Stadt gefolgt, die übrigen privaten Waldbesitzer, die ebenfalls von Mufflons betroffen sind, beizuladen. In Rotwildrevieren zum Beispiel "richten Hirsche viel größere Schäden als Mufflons an", sagte Kley.
Otto Klasing zeigte sich zufrieden, weil das Gericht "die Eigentumsrechte im Blick" hatte. Man sei "einen Schritt weiter gekommen" und hoffe, dass man in dem nach EU-Norm zertifiziertenWald "die artenreiche und naturnahe Forstwirtschaft bald wieder aufnehmen" könne. Umweltdezernentin Anja Ritschel rechnet nicht mehr mit einer gütlichen Einigung. Dazu seien die Fronten schon zu verhärtet, sagte sie.
KOMMENTAR
Eigentum verpflichtet
VON HUBERTUS GÄRTNER
Alles deutet darauf hin, dass das Verwaltungsgericht Minden die Eigentumsinteressen der Klasingschen Stiftung höher bewerten wird, als das Existenzrecht von Mufflons. Wald und Wild müssen zwar in einem angemessenen Verhältnis stehen. Grundbesitzer wollen ihr Holz gut vermarkten und Gewinne erzielen. Deshalb müssen manche Tierpopulationen reguliert und einige Exemplare geschossen werden, damit nicht zu viele Schäden entstehen. Eigentum verpflichtet jedoch auch. Zudem passt die Idee, eine bestimmte Art in einer Region auszurotten, wohl kaum zum Grundgesetz. Schließlich wurde hier der Tierschutz als Ziel verankert.