
Bielefeld. Tornister, Hefter, Sportzeug - erleichtert lehnen Eltern sich zurück, wenn sie endlich alles für die Einschulung besorgt und bezahlt haben. Alles? Von wegen. Wer denkt, die größten Kosten seien mit dem Schulstart erledigt, irrt. Zusammengerechnet kostet ein Erstklässler die Eltern elf Euro pro Schultag.
Als "absolut nicht ausreichend" bezeichnen Vertreter von Sozialverbänden in OWL deshalb die staatlichen Hilfen, die bedürftigen Familien für den Schulbesuch der Kinder gewährt werden. Los gehts schon beim ersten Elternabend: Klassenkasse, Schul-T-Shirt, "Spenden" für Kopien. Die Betreuung im Offenen Ganztag kostet, Mittagsverpflegung sowieso, und am Klassenausflug soll das Kind natürlich auch teilnehmen können.

Lernen ist teuer - trotz Lernmittelfreiheit. Lernmittelfreiheit heißt, dass die Schule Schulbücher oder Übungshefte kostenlos bereitstellen muss. In NRW ist das im Schulgesetz verankert. Dort ist auch geregelt, wie viel Eltern maximal zuzahlen müssen: in der gymnasialen Oberstufe 24 Euro, in der Sekundarstufe I 26 Euro und in der Primarstufe höchstens 12 Euro pro Kind und Schuljahr.
Kopiergeld "grundsätzlich zulässig"
Viele Schulen verlangen zudem zusätzlich "Kopiergeld". Das "ist grundsätzlich zulässig", sagt Filiz Soytürk vom Schulministerium. Allerdings komme es darauf an, was kopiert werde. Kopien von Lernmitteln müssen Eltern nicht zusätzlich zahlen. "Kopierkosten für Lernmittel können nur verlangt werden, wenn der berechnete Eigenanteil noch nicht erreicht ist", sagt Soytürk.Auch Kopien zu Prüfungszwecken sind nicht von den Eltern, sondern vom Schulträger zu tragen. Geld verlangen darf die Schule aber für Kopien, die anderes, regelmäßig benötigtes Arbeitsmaterial ersetzen - also das Abschreiben von der Tafel mit eigenem Stift ins eigene Heft überflüssig machen.
Auch Kosten für Theater und Klassenfahrten - Teilnahme verbindlich - sind zusätzlich zu zahlen. "Sollte es hier zu Engpässen kommen, tritt der Förderverein ein", sagt Sabine Wegener von der Georgschule in Paderborn. Einen Förderverein hat fast jede Schule.
Arbeitslose werden bei Schulausflügen unterstützt
Arbeitslose, die Leistungen nach dem SGB II ("Hartz IV") erhalten, werden bei Schulausflügen vom Jobcenter unterstützt. Es zahlt anteilig auch Mittagessen in der Schule und die "Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf": je 70 Euro zum August und 30 Euro zum Februar pro Kind und Schuljahr."Das ist toll und viel mehr, als es noch vor einigen Jahren gab", sagt Susanne Bornefeld von der Diakonie Paderborn/Höxter. "Aber der Betrag ist absolut nicht ausreichend."
Die Diakonie merkt das am wachsenden Zulauf der Schulmaterialienkammer: Jedes Jahr kommen mehr Hartz-IV- oder Wohngeldempfänger und Asylbewerber, um sich kostenlos Schulmaterial abzuholen. "Wir haben schon in den ersten drei Tagen 100 Menschen mehr gezählt als noch 2012", sagt Bornefeld.
Materialienlisten immer länger
Das liege nicht nur daran, dass das Hilfsangebot immer bekannter werde - sondern auch daran, dass die von den Schulen zusammengestellten Materialienlisten immer länger würden. Auf einer Liste stünden bis zu 45 Positionen, häufig mit Markennamen. "Wenn wir alles so herausgeben würden, wären wir bald insolvent."Die Materialien auf einer Liste hätten einen Anschaffungswert von etwa 60 Euro - sofern beim Discounter eingekauft werde. "Markenutensilien kosten fast das Doppelte." Bornefeld fordert: "Schulen müssen endlich umdenken." Und zitiert einen Bekannten: "Es ist gut, dass es die Schulmaterialienkammer gibt. Aber es ist ein Skandal, dass es sie geben muss."
Laut Statistischem Bundesamt gibt die öffentliche Hand immer mehr für Bildung aus. 1995 waren es noch 4.300 Euro pro Schüler und Jahr, 2010 schon 5.800 Euro. Auch das scheint zu wenig. Sabine Zülka, Schulleiterin der Grundschule Landsberger Straße in Herford, kritisiert: "Der Schulträgeranteil für Lernmittel wurde ewig nicht erhöht. Uns stehen 36 Euro pro Kind pro Jahr zur Verfügung. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass Bücher jedes Jahr teurer werden. Wir können für die Summe also immer weniger kaufen."
Elf Euro täglich
Unsere Autorin hat addiert, was die 198 Schultage des ersten Schuljahrs ihres Sohns gekostet haben (in Euro):Mittagessen: 495
Nachmittagsbetreuung: 660 Milchgeld: 82
Getränkebeitrag: 24
Beitrag zum Basteln: 5
Weihnachtskalender: 3
gemeinsames Frühstück: 22
kleine Geburtstagsgeschenke für alle Schüler: 26
Kuchenbasar: 8,50
Trommelfest: 5
Ausflug ins Theater: 10
Hausschuhe (3): 37,90
Klassenkasse: 20
Geburtstag Klassenlehrerin: 2
Förderverein: 12
Schul-T-Shirt: 8,50
Badekappe/Etui/Bürste: 12,95
Scheren (3): 13
Spitzer (4): 7,70
Buntstifte (3): 15,69
Filzstifte (2): 13,06
Radiergummi (5): 8,25
Einschlagfolie: 9,92
Tornister-Set: 139,95
Bleistifte (9): 18
Wachsmalblöcke: 14,98
Wachsmalstifte: 12,22
Trinkflasche: 13,50
Turnschuhe: 24,90
Sportsachen: 79,90
Bastelsatz Schultüte: 19,99
Inhalt Schultüte: 30
Farbkasten: 8,90
Schnellhefter (13): 5,20
Schulfotograf: 27
Zeichenblöcke (2):3,80
Ringbucheinlagen (2): 2,98
Heftumschläge (5): 1,25
Arbeitshefte (2): 15,45
Kopien: 10
Kleber/Klebestifte (4): 8,05
Hefte (6): 2,40
Fahrtkosten: 294
Brotdosen (3): 5,97
Zeichenblock, klein (2): 1,40
Wörterbuch: 12,90
Summe: 2.254,21