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OWL-Kommunen verlangen Sexsteuer

Herforder Beratungsstelle Theadora übt Kritik / 2.000 Prostituierte bieten in der Region ihre Dienste an

VON HUBERTUS GÄRTNER

OWL-Kommunen verlangen Sexsteuer - © OWL
OWL-Kommunen verlangen Sexsteuer (© OWL)

Bielefeld. Weil sie finanziell klamm sind, suchen Kommunen nach Einnahmequellen - sogar im Rotlichtmilieu. Vor zehn Jahren hat die Millionenmetropole Köln den Anfang gemacht und eine Prostitutionssteuer eingeführt. Auch in OWL sind nun mehrere Städte auf diese Idee gekommen. Minden, Löhne und Gütersloh erheben die Steuer. Auch der Rat der Stadt Herford hatte einen Beschluss dazu gestern auf der Tagesordnung, vertagte ihn aber. Grund: Die Sexsteuer ist umstritten.

"Sie ist Teil der Vergnügungssteuersatzung und bezieht sich im Wesentlichen auf die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna-, FKK- und Swingerclubs sowie ähnlichen Einrichtungen", sagt Susanne Zimmermann, Sprecherin der Stadt Gütersloh. Die Betreiber solcher Einrichtungen müssen Sexsteuer bezogen auf ihre Flächen zahlen - in der Regel werden 1,50 Euro für zehn Quadratmeter und pro Öffnungstag verlangt.

Auch wenn sexuelle Handlungen in Hotels, Privatwohnungen, Wohnwagen oder Kraftfahrzeugen angeboten werden, fällt eigentlich Sexsteuer an - pro Prostituierte und "Veranstaltungstag" sind es nach den Satzungen sechs Euro. Vor allem bei der unübersichtlichen Wohnungsprostitution werde sich die Sexsteuer aber kaum realisieren lassen, sagt der Herforder Kämmerer Jörg Hartmann.

Etliche Städte der Region erheben von Bordellbetrieben – wie hier in Löhne – eine Sondersteuer. - © FOTO: PATRICK MENZEL
Etliche Städte der Region erheben von Bordellbetrieben – wie hier in Löhne – eine Sondersteuer. (© FOTO: PATRICK MENZEL)

In Minden, wo die Sexsteuer bereits zum 1. Januar 2011 eingeführt wurde, würden derzeit sieben Betriebe veranlagt, berichtet Sprecherin Leonie Bartsch. In Löhne müssen drei Bars und sieben Zimmervermittler zahlen. In Gütersloh fallen nach Auskunft der Stadt 15 Betriebe unter die seit Januar geltende Satzung. In Herford wären fünf bis acht Betriebe betroffen, schätzt die Verwaltung. Auch die Einnahmen halten sich in Grenzen: In Minden sind es 40.000 Euro pro Jahr, in Gütersloh erwartet man 60.000 Euro aus der Sexsteuer.

Während die Kommunen auf die nackten Zahlen schauen, übt Katharina Hontscha-Stavropoulos heftige Kritik. Durch eine Sexsteuer werde "noch mehr Druck auf die Prostituierten ausgeübt", kritisiert die Mitarbeiterin der Herforder Beratungsstelle Theodora, die Prostituierte beim Ausstieg berät. Barbetreiber und Zimmervermittler "reichen die Sexsteuer einfach an die Frauen weiter", hat Hontscha-Stavropoulos beobachtet.

Ohnehin müssten die Prostituierten bereits "Wuchermieten" von bis zu 150 Euro pro Tag zahlen, hinzu kämen Einkommens- und Gewerbesteuern. "Viele haben kein Geld, um sich gegen Krankheit zu versichern", sagt Hontscha-Stavropoulos. Unter dem finanziellen Druck ließen sie sich "auf gefährliche Praktiken wie ungeschützten Geschlechtsverkehr ein".

In Herford haben diese Argumente den Rat veranlasst, noch einmal innezuhalten. Man will sich vor einer Entscheidung intensiver über die Situation der Betroffenen informieren.

In OWL bieten etwa 2.000 Prostituierte regelmäßig ihre Dienste an. "Es gibt rund hundert Bordelle, Prostitution in 150 bis 180 Wohnungen sowie 15 Orte mit Wohnwagen-Prostitution oder Straßenstrich", sagt der Bielefelder Kripomann Erhard Epmeier. Die meisten Etablissements seien in Autobahnnähe zu finden.

Prostitution sei erlaubt. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Verdacht von Menschenhandel oder Zuhälterei, dürfe die Polizei einschreiten.
Mittlerweile seien vier von fünf Prostituierten in OWL Migrantinnen, sagt Ebmeier, die meisten aus Rumänien und Bulgarien. Personen aus diesen EU-Ländern haben noch keinen freien Zugang zum Arbeitsmarkt und dürfen in Deutschland nur als Selbstständige arbeiten, sagt Hontscha-Stavropoulos. Vor allem viele junge Roma-Frauen gingen auf den Strich.

Manchmal würden sie dazu von Verwandten gedrängt, bisweilen träten sogar "weibliche Zuhälter" auf, sagt Ebmeier. Das deutsche Prostitutionsgesetz sei für diese Prostituierten kaum eine Hilfe. Weil sie die Sprache nicht beherrschen, "können sie es gar nicht verstehen".

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