Schluss mit „skypen“: Die Geschichte eines Niedergangs

Wollen wir heute Abend &bdquo;skypen“? Wer diesen Satz hört, weiß sofort, was damit gemeint ist. Denn der Videotelefoniedienst Skype hat sich seit Anfang der Nullerjahre ähnlich tief in unseren Alltag und Sprachgebrauch gegraben wie das &bdquo;Googeln“ oder das &bdquo;Photoshoppen“. Bis jetzt zumindest. Denn der US-Konzern Microsoft, dem Skype seit 2011 gehört, stellt den Dienst nach mehr als 20 Jahren ein.

Schon im Mai soll es so weit sein. In den sozialen Medien erklärte der Konzern, der hauseigene Dienst Teams solle künftig die Rolle von Skype übernehmen. Dieser wird schon jetzt vor allem in Büros, aber auch im Privatgebrauch eingesetzt. Nutzerinnen und Nutzer mit Skype-Konto können sich mit ihren üblichen Anmeldedaten dort einloggen und auch ihre Chats und Kontakte mitnehmen. Wegfallen wird jedoch die Möglichkeit, mit Skype-Guthaben auch Telefonnummern anzurufen – das ist in Teams nicht mehr vorgesehen.

Als Begründung sagte Jeff Teper, Präsident von Microsoft 365, dem Sender CNBC, man habe von Skype &bdquo;viel gelernt“. In den vergangenen Jahren habe man jedoch vor allem Teams weiterentwickelt. &bdquo;Wir hatten das Gefühl, dass es nun an der Zeit ist (...) und wir schneller mehr Innovationen liefern können, indem wir uns auf Teams konzentrieren.“

Skype wurde in Europa erfunden Mit Skype stirbt nicht nur ein ikonischer Dienst aus den frühen Tagen des Internets. Es stirbt auch eine ursprünglich europäische Erfindung, von der es heute in der von den USA dominierten Tech-Welt nicht mehr allzu viele gibt. Gegründet wurde Skype 2003 von dem Schweden Niklas Zennström und dem Dänen Janus Friis. An der technischen Entwicklung waren zudem vier Programmierer aus Estland beteiligt. Noch bis 2011 hatte der Großteil des Entwicklerteams seinen Sitz in Tallinn und Tartu.

Zennström arbeitete zunächst beim skandinavischen Telekommunikationsunternehmen Tele 2. Dort lernte er Friis 1996 kennen. Vier Jahre später entwickelte das Duo eine Software, die Rechteinhabern lange Zeit ein Dorn im Auge war: Kazaa, eine Internettauschbörse, auf der unter anderem illegal MP3-Dateien getauscht wurden. Der Dienst existierte bis 2012.

In diesem Umfeld entstand auch Skype. Die Idee zu dem Dienst war damals so revolutionär wie einleuchtend: Friis, Annus und ihre Entwickler wollten die Kosten für damals noch sehr teure Sprachanrufe senken. Die erste öffentliche Betaversion von Skype erblickte am 29. August 2003 das Licht der Welt.

Übernahme durch Microsoft Der Dienst wurde umgehend zum Download-Hit, blieb aber auch gerade deshalb nicht lange im Besitz seiner ursprünglichen Erfinder. Schon 2005 übernahm zunächst Ebay das europäische Startup für 2,5 Milliarden US-Dollar. Später wurden Anteile des Dienstes an verschiedene US-amerikanische und kanadische Risikokapitalunternehmen veräußert. Skype war zwar erfolgreich, doch Ebay fehlte der positive Effekt auf seine restlichen Produkte.

2011 griff schließlich Microsoft zu. Die Übernahme durch den US-Konzern aus Redmond wurde im Oktober desselben Jahres für 8,5 Milliarden US-Dollar abgeschlossen.

Unter Microsoft wurde Skype in verschiedene andere Dienste integriert. Aber der Videodienst ersetzte auch ein bis dato etabliertes anderes Microsoft-Produkt: den Windows Live Messenger (früher auch MSN Messenger). Dieser hatte sich zwar auf dem Markt des Instant-Messagings etabliert, konnte jedoch mit der Videotechnik des Dienstes Skype nicht mithalten. Und so traf den Messenger dasselbe Schicksal, das heute auch Skype trifft: Er starb den Tod durch ein Produkt aus dem eigenen Konzern.

Wie Skype das Ferngespräch abschaffte Blickt man heute auf die Geschichte von Skype, ist diese etwas weniger aufregend als die von manch einem Konkurrenzprodukt. Instant-Messanger wie ICQ ( &bdquo;Ah-Oh“ ) haben sich mit ihren ikonischen Sounds und Effekten tief in die Netzkultur der Nullerjahre gegraben. Skype konnte mit solchen Spielereien nicht mithalten, entwickelte sich jedoch still und heimlich zum Gattungsbegriff für die Videotelefonie.

Den größten Einfluss hatte der Dienst ohne Frage auf das Geschäft mit Ferngesprächen. Lebten Familienangehörige im Ausland, kostete der Anruf nach Hause damals noch ein Vermögen – Skype machte die Gespräche mit einem Schlag kostenfrei.

Nicht nur Millionen Teenager verständigten sich in den frühen Nullerjahren über Skype erstmals über Kontinente hinweg – auch in der Popkultur hatte der Dienst seinen festen Platz. In der US-Erfolgsserie &bdquo;The Office“ führen die Protagonisten Jim und Pam ihre Fernbeziehung selbstverständlich über Skype – und auch Walter White und sein Anwalt Saul Goodman skypten in &bdquo;Breaking Bad“ regelmäßig miteinander.

Wurzeln im Filesharing Aus heutiger Sicht ist Skype auch aus technischer Sicht bemerkenswert. Der Dienst blieb nämlich lange Zeit seinen Wurzeln im Filesharing treu. Skype basierte auf der Peer-to-Peer-Technologie, bei der vernetzte Rechner sowohl Daten senden als auch empfangen. Daher stammt auch der Name des Dienstes: Er ist eine Abkürzung für &bdquo;Sky peer-to-peer“.

Für Skype bedeutete die Technologie Anrufe zwischen Rechnern ohne das Zwischenschalten eines Servers. Das hatte auch sicherheitsrelevante Vorteile: Durch die Architektur war das Abhören von Skype-Gesprächen nicht möglich.

Erst Mitte der 2010er Jahre verabschiedete sich Microsoft allmählich von dem Konzept. Beim Ersatzdienst Teams laufen Gespräche heute über die Server von Microsoft. Diese cloudbasierte Technik bringt vor allem Verbesserungen in der Performance.

Das Smartphone als Skype-Killer Warum Skype trotz seiner guten Startvoraussetzungen irgendwann schwächelte und nun eingestellt wird, dürfte mehrere Gründe haben. Zum einen schaffte der Dienst nie wirklich den Sprung auf das Smartphone.

Zum Zeitpunkt der Übernahme durch Microsoft im Jahr 2011 wurde Whatsapp auf Mobilgeräten populär – ein Dienst, der heute ebenfalls über Videochat-Funktionen verfügt. Auch Apples Facetime oder Googles Meet ersetzten Skype mit der Zeit, da sie direkt in die Smartphone-Betriebssysteme integriert sind.

In der Branche ist diese Entwicklung kein Einzelfall: Schon der direkte Mitkonkurrent ICQ segnete im vergangenen Jahr das Zeitliche. Er galt einst als Pionier des Instant-Messagings, wurde aber in der Smartphone-Ära ebenfalls von Whatsapp abgelöst. Zuletzt gehörte er einem russischen Unternehmen.

Von Skype zu Teams Branchenexpertinnen und -experten geben aber auch Microsoft selbst die Schuld an der Entwicklung. Der Tech-Riese übernahm den Dienst, ohne wirklich zu wissen, was er eigentlich damit anfangen wollte, lautet eine oft geäußerte Kritik. Microsoft ist ein alteingesessener Konzern mit viel Bürokratie – junge Startups ziehen mit ihren Entwicklungen regelmäßig an ihm vorbei.

Im Gegensatz zu dem jungen Messengerdienst Whatsapp wirkte Skype mit der Zeit altbacken, war langsam und zu komplizierter zu benutzen. Mit technischem Fortschritt konnte Microsoft bei dem Videotelefoniedienst nicht mehr glänzen.

2016 stellt Microsoft schließlich sein Programm Teams vor, das ursprünglich als Angriff auf den Unternehmenschat-Dienst Slack geplant war. Doch mit dem Programm schuf der Konzern auch ein direktes Konkurrenzprodukt zu Skype. Das Programm erhielt mit der Zeit immer neue Funktionen, die Skype vorenthalten wurden.

Die Pandemie ändert die Spielregeln Den Todesstoß für den Videotelefonier-Pionier dürfte aber ein ganz anderes Ereignis geliefert haben: Die Coronapandemie. Zu dieser Zeit wurde insbesondere der Dienst Zoom, aber auch Microsofts Teams über Monate hinweg zum Standardkommunikationstool. Der Vorteil dieser Apps: Sie waren von Anfang an konzipiert, um mit großen Gruppen Gespräche zu führen. Skype konnte das zwar auch – jedoch war der Dienst ursprünglich als Eins-zu-Eins-Videochattool entwickelt und bekannt geworden.

Laut Microsoft hatte Teams im November 2019 bereits 20 Millionen Nutzerinnen und Nutzer. Im März 2020 überstiegen die Nutzerzahlen von Teams die von Skype erstmals. Bis April 2020 wuchs die Nutzerzahl auf 75 Millionen. Inzwischen liegen die Nutzerzahlen bei etwa 300 Millionen monatlich. Der Pionier der Videotelefonie Skype hingegen verschwand mit der Zeit aus dem Bewusstsein der Nutzerinnen und Nutzer. Heute hat der Dienst nur noch etwa 30 Millionen monatliche Nutzer.

Im Mai wird Skype endgültig Geschichte sein – und gesellt sich neben ICQ, StudiVZ und MySpace auf den Friedhof der frühen Internetdienste. Die kreativen Köpfe hinter dem Dienst sind allerdings noch immer aktiv: Einer der Entwickler, der Este Ahti Heinla, gründete 2014 mit Skype-Erfinder Friis das Unternehmen Starship. Dieses hat seinen Sitz heute im Silicon Valley und ist für seine selbstfahrenden Liefer-Roboter bekannt, die in den USA bereits über die Bürgersteige rollen.

So funktioniert die Umstellung:

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