Horn-Bad Meinberg. 66 Jahre. Dieses Alter ist Wolfgang Wächter nicht anzusehen. Der Ruhestand steht dem ehemaligen Finanzbeamten gut zu Gesicht. Gerade von einem Urlaub auf Borkum zurück und braun gebrannt befindet sich der Trainer des TuS Horn-Bad Meinberg aber schon wieder im Fußball-Modus.
Erst vor wenigen Wochen hatte seine Mannschaft den Aufstieg in die Detmolder Kreisliga A gefeiert – und jetzt ist Deutschland schon im zweiten Gruppenspiel gegen Polen dran. Doch der Reihe nach. Vom Kleinen ins Große. Also TuS Horn-Bad Meinberg. Wächter, in Fachkreisen aus als „Der Lange" bekannt, holt tief Luft: „Das war doch gar nicht geplant." Und so nicht abzusehen. Denn die Hornschen pfiffen in Bezug auf die Personaldecke aus dem letzten Loch, mussten mit Jugendlichen den Kader auf 18 Mann aufstocken, um überhaupt an den Start gehen zu können.
So standen Teenager wie Chris Capelle, Gianni Bovino, Noah Kükenhöner und Pascal Ihmels auf dem Senioren-Prüfstand – und hielten prächtig dagegen. Mit den fußballerischen Altvorderen wie Stefan Burkert oder Gökhan Cabuk an der Spitze fand die Mannschaft ihren Tritt. Und als die ersten Blätter fielen und die Glocken auf den Weihnachtsmärkten erklangen, da glaubte auch der einst so ruhmreiche TuS Horn-Bad Meinberg an das Gute im Leben. Wiedergeburt.
Der Zusammenhalt innerhalb der Truppe steht im Vordergrund
Wächter: „Im Winter war irgendwie klar, dass wir uns vor den Spitzenmannschaften wie Heidenoldendorf oder Brüntrup keinen Bammel haben musste", so der frühere Mittelfeldspieler mit der Pferdelunge und der schnellen Zunge. Das Ende ist bekannt. Im Frühling stand der Aufstieg und die Meisterschaft fest. Ein ganz klein wenig erinnerte der Erfolg an die Vergangenheit. Denn auch damals, zu Zeiten von Verbands- und Landesliga, stand der Zusammenhalt innerhalb der Truppe im Vordergrund – und das Umfeld passte.
Mit Unterstützer Friedhelm „Schlingel" Schlink oder Obmann Karl-Heinz „Kasi" Schierenberg, der zu fußballerischen Hochzeiten gern seinen Sonntagsanzug schon frühzeitig an die frische Luft hängte, um ihn zumindest zu den Heimspielen seiner Truppe auszuführen. Oder Bäcker Bee, die Präsidenten-Legende mit der unvergesslichen Herzensgüte... Jetzt sind andere dabei, die das Schiff auf Kurs halten. André Schnatmann, der Wächter-Schatten, kümmert sich um die Torhüter, und Günther Bohnert macht einen guten Job als Fußball-Obmann. Ja, „Pommes", das wissen viele von den jungen Kickern gar nicht mehr, er war früher der Antreiber im TuS-Mittelfeld, Ausdauer-Freak – und strammer Schuss eingeschlossen. Lippische Weltklasse eben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Es geht nicht um die Kohle
In der anstehenden Saison heißt das Hornsche Klassenziel „Drinbleiben", so Wächter, dem es ein echtes Anliegen ist, dass die jungen Leute dranbleiben und weiterhin zur Sache stehen. Kohle, ja Kohle die gibt es nicht beim heutigen TuS Horn-Bad Meinberg. „Wenn wir damit erst anfangen, dann geht der ganze Laden in die Luft", möchte Wächter das zarte Pflänzchen im Waldstadion nicht mit giftigen Wachstumsmitteln vernichten. Und die großen Geldgeber stehen auch nicht gerade Schlange. „Ich glaube schon, dass Schlingel zwei Hunderter geben würde, wenn es mal Not am Mann ist, aber die alten Zeiten sind vorbei", weiß Wächter um den Vorteil von Haben und Nichthaben. Beim TuS Horn-Bad Meinberg sind sie alle gleich, nicht reich.
Aber jetzt fix zum zweiten Thema: Fußball-Nationalmannschaft. Das 2:0 gegen die Ukraine stuft Wächter in die Kategorie „verdient" ein. Aufgrund der zweiten Halbzeit allerdings. Über die erste Halbzeit verliert er kaum ein paar Worte. Abgehakt. Aber personelle Konsequenzen sind für den Langen unabdingbar. Denn die Schwächen bei gegnerischen Standards verunsichern.

„Da geht es nicht nur um das Verhalten der Viererkette, sondern um die Defensivarbeit der gesamten Mannschaft", weiß Wächter und schickt Mustafi auf die Bank. Nicht weil der 1:0-Torköpfer wirklich schwächer als die anderen war, sondern weil Hummels wieder fit ist. Hofft Wächter. Draxler bleibt drin, ebenso Müller – obwohl beide die Tarnkappe auf hatten. Gegen Ukraine. Aber Özil, ja Özil. Der muss dran glauben. „Ich ziehe Götze auf die zehn und nehme Gomez vorne rein. Dann ist Özil über", so Wächter, der den Glauben an die „Die Mannschaft" noch nicht verloren hat: „Wenn sie den Ball laufen lassen, dann bekommt jeder Gegner Probleme."
Außerdem sei die Jogi-Truppe als Turniermannschaft bekannt, schon aus Zeiten von Herberger. Es ist noch zu früh, um einen EM-Favoriten zu markieren. „Deutschland" kommt Wächter dabei nicht als erstes über die Lippen, eher schon „Frankreich. Oder Spanien". Einen Tipp möchte Wächter nicht abgeben für das Spiel gegen Polen. Dafür sei das Turnier noch zu jung. Aber die Daumen drückt der Hornsche Jung und dabei ganz besonders Thomas Müller, seinem – na, ja – Lieblingsspieler. Vom Hamburger SV, Wächters Leidenschaft, ist ja keiner dabei...