Washington. Elon Musk hat ein Beute-Schema mit Gesprächspartnern auf offener Bühne. Kommen sie ihm quer oder zeigen Verwundbarkeit, „frisst” er sie mit schnippischen Antworten kurzerhand auf. Ein Reporter der britischen BBC wurde gerade vor laufender Kamera Opfer des Multi-Milliardärs und -Unternehmers.
Mit Linda Yaccarino ging der Chef von Tesla, SpaceX und anderen Unternehmen kürzlich in Miami bei einer Wirtschaftskonferenz auffällig anders um. Höflich, behutsam und emphatisch beantwortete er die Fragen der Top-Angestellten von NBC-Universal, die sich in der Medien-Welt als Expertin für Anzeigen-Werbung im Fernsehen wie auf Digital-Kanälen einen Namen gemacht hat. Jetzt ahnt man, warum.
Die 60-Jährige mit italienischen Wurzeln wird, wie Twitter-Eigentümer Elon Musk am Freitag verkündete, neue Chefin der Online-Plattform. Musk hatte den Kurz-Mitteilungsdienst im vergangenen Herbst für überteuerte 44 Milliarden Dollar gekauft und seither durch erratische Entscheidungen - 80 Prozent der Belegschaft wurden gekündigt, die Geschäftspolitik mehrfach geändert, bis dato verbannte extremistische Stimmen wurden wieder zugelassen - so durcheinander gewirbelt, dass viele Werbekunden vergrätzt absprangen. Was den Wert des Unternehmens nach Musks eigenen Kalkulationen auf unter 20 Milliarden US-Dollar gedrückt hat.
Die bisherige Werbechefin bei NBCUniversal werde sich auf geschäftliche Aufgaben konzentrieren, während er selbst für "Produktdesign und neue Technologie" zuständig sein werde, schrieb Musk auf Twitter.
Eine Expertin, die blendend vernetzt ist und weiß, wie man, teure Werbung in Super-Bowl-Pausen und zwischen quotenträchtigen Serien platziert, könnte bei Twitter von Nutzen sein. Zumal Yaccarino hartes und zugleich charmantes Verhandlungsgeschick attestiert wird. Spitzname: „Samthammer”.
Musk hatte zuvor erklärt, dass eine Frau binnen sechs Wochen den Chef-Dienst in der Twitter-Zentrale aufnehmen wird. Yaccarino lebt mit ihrem Mann Claude Madrazo in Sea Cliff/Bundesstaat New York. Sie hat zwei erwachsene Kinder, familiäre Wurzeln in der Toskana und arbeitet nebenbei für das "World Economic Forum" im schweizerischen Davos. Musk bleibt Eigentümer wie Technologie-Vorstand von Twitter und deckt seine 140 Millionen Abonnenten täglich mit Kommentaren ein. Kann er wirklich loslassen und anderen das Tagesgeschäft übertragen?