Bielefeld. Ihre Neigung zur Natur zeigt Yto Barrada gerne auf Instagram. Mal sieht man ein Wägelchen mit Ringelblumen, Tomaten und Thymian, einen "gepflanzten Regenbogen". Mal stößt man auf die knallroten Samen der Schwertlilie. In ihrem Garten in Tanger gewinnt die Künstlerin für ihre großflächigen Wandarbeiten Farbstoffe aus Pflanzen. Einige ihrer jüngeren Werke werden jetzt in der Kunsthalle Bielefeld präsentiert. Eigens für die Schau "Bad Color Combos" hat die Künstlerin, die in Marokko und den USA lebt, die Collage "The Mothership" geschaffen. Yto Barrada steht gestikulierend vor einer der Wände aus Baumwolle, getränkt mit den Pflanzenfarben aus ihrem Heimgarten. Die Künstlerin, 1971 als Tochter marokkanischer Eltern in Paris geboren, aufgewachsen an der Straße von Gibraltar, erzählt von der Tradition der Nutzung natürlicher Farbstoffe. Schon im antiken Pompeji habe man für die Kolorierung von Textilien gezielt Färberpflanzen angebaut. Zu den ältesten Pflanzenfarbstoffen gehört Indigo. Nach der geläufigen Farblehre umfasst es mehrere Töne zwischen Blau und Violett und grenzt sich von Mischfarbe Purpur ab. Barradas Tochter Tamo hat als sechsjähriges Mädchen ihre eigenen Farbregeln aufgestellt – über den Regenbogen hinaus: "Pink & Brown. Yellow & Purple. Green & Orange. Indigo & Turquoise." Aus dieser Liste ging der Titel der Ausstellung hervor. "Bad Color Combos" ist aus einer Kooperation mit dem Stedelijk Museum Amsterdam hervorgegangen. Barrada wurde zuletzt mit dem Mario-Merz-Preis ausgezeichnet. Ihre Arbeiten wurden unter anderem in der Tate Modern (London), im MoMA (New York), im Centre Pompidou (Paris) sowie auf der Biennale von Venedig 2007 und 2011 ausgestellt. In der Kunsthalle Bielefeld "haben wir Gemälde, die das Harmonische in der Natur suchen", erklärt Direktorin Christina Végh, "aber wir haben auch Gemälde, die das Fremde suchen". Ebenfalls zu sehen seien "drei der wichtigsten Filme" von Yto Barrada, wiederkehrendes Motiv: die verheerenden Folgen des Klimawandels. Die Kunsthalle sieht einen schönen lokalen Bezug Zu den Inspirationsquellen der weltgewandten Künstlerin zählen Malerei und Textilkunst von Josef und Anni Albers, die "mit ihren Untersuchungen zur Wechselwirkung von Farben und der Entwicklung der Textiltradition die Kunst des Bauhauses maßgeblich prägten", erklären die Ausstellerinnen. Die Kunsthalle sieht darin angesichts der über 800-jährigen Geschichte der Leineweberstadt Bielefeld einen schönen lokalen Bezug. Politische Bezüge liegen bei Barrada nahe. Sie studierte Geschichte und Politikwissenschaft an der Sorbonne in Paris, fotografierte geflüchtete Menschen vor den Mauern Europas. Ihre Arbeit sei "untrennbar verbunden mit Fragen nach kulturellen Phänomenen und politischen Strukturen, die sie mit persönlichen Narrativen verknüpft", so die vage Auskunft im Pressetext zu "Bad Color Combos". Dabei spiele die besondere geografische Lage ihrer Heimatstadt Tanger an der Meerenge von Gibraltar – in direkter Nähe zur europäischen Grenze – eine große Rolle. Was das genau heißt, lässt Barrada während des Presserundgangs offen. Natürlich habe sie eine Meinung zu Europa – als Europäerin, sagt sie. Ihre doppelte Staatsbürgerschaft sah sie stets als großes Privileg an. Auf die Frage nach politischen Motiven ihrer Werke habe sie keine schneidige Antwort. "Die Antwort", entgegnet sie geduldig, "findet sich in meiner Arbeit." "Sieht das irgendwie wirksam für Sie aus?" In ihren Fotografien, Filmen oder Skulpturen fühlt sie sich machtlos. Die Künstlerin weist auf eine fragile Plastik aus Baumwolle und Bindfäden. In dieser Arbeit gehe es um Klimawandel, sagt Barrada. "Sieht das irgendwie wirksam für Sie aus? Glauben Sie, dass ich damit ändern kann, was auf der Welt vermasselt wurde?" Möglicherweise werden diese Fragen am Samstag (25. März) noch einmal aufgegriffen. Um 11 Uhr trifft Direktorin Végh die Konzeptkünstlerin Barrada zum "Artist Talk". Neben "Bad Color Combos" gibt die Kunsthalle einen Einblick in gesammelte Werke, die in einem thematischen Zusammenhang mit der großen Sonderausstellung stehen. Gezeigt werden unter anderem Arbeiten von Herbert Brandl, Ludwig van Hofmann und Emil Nolde, von Sonia Delaunay und Benita Koch-Otte. Man könne sich durch Querbezüge "einfach durch die Räume treiben lassen", sagt Kuratorin Laura Rehme. Yto Barradas "Bad Color Combos" läuft bis zum 30. Juli in der Kunsthalle Bielefeld.