KI in Videospielen: Warum Kreative ihr geistiges Eigentum gefährdet sehen

Bielefeld. Vernichten die Maschinen nun auch Jobs von Kreativen? Angesichts der gereiften künstlichen Intelligenz (KI) geraten Künstlerinnen und Künstler jedenfalls in arge Bedrängnis. "Wir erleben gerade, dass KI-Technologien ohne Erlaubnis auf urheberrechtlich geschützte Werke zugreifen", sagt Marie Beschorner, eine Illustratorin aus Löhne, die ihr geistiges Eigentum gefährdet sieht. Beschorner arbeitet unter dem Namen ihres Labels "Company of Wolves". Ihre Bilder, im Branchenjargon Concept Art genannt, erscheinen unter anderem in Computerspielen großer internationaler Firmen.

Anfang 2022 sind im Internet die ersten KI-generierten Artworks aufgetaucht. Die "Kunstwerke" der ersten Stunde waren noch so stümperhaft, dass sie eher für Witze taugten. "Die Ergebnisse wimmelten von perspektivischen und anatomischen Ungereimtheiten", erzählt Beschorner, "sie wirkten auf mich plump, wie seltsame Bilderfetzen."

Innerhalb weniger Monate stieg die Qualität der künstlichen Arbeiten. Inzwischen seien KI-generierte Artworks "auch für das geschulte Auge nur noch schwer unterscheidbar von menschlich geschaffener Kunst", sagt Beschorner. Die zügellose Entfaltung der Maschinen ist für die Künstlerinnen und Künstler "hoch problematisch, weil unsere Jobs in der Entertainment- und Werbebranche ernsthaft gefährdet sind – und darüber hinaus die Berufe einer gesamten Wertschöpfungskette".

Ein Kunstwerk, an dem früher tagelang gearbeitet und für das ein vierstelliges Honorar eingenommen wurde, lässt sich nun mit den richtigen Kniffen per KI fertigen. Kreative sehen sich dabei mit der mächtigsten Fähigkeit der künstlichen Intelligenz konfrontiert: dass sie lernt. Die künstlich gefertigten Illustrationen beruhen auf Bildern von Menschenhand, die in gewaltigen Datensätzen gesammelt werden – wobei die Kreativen, die ursprünglich einmal diese Hand geführt haben, "keinerlei Einverständnis zur Nutzung ihrer Bilder erteilt und für diese Nutzung auch keine Vergütung erhalten haben", erklärt Beschorner. "Die Mehrheit hätte einer solchen Nutzung ohnehin widersprochen."

Videospielunternehmen sehen sich "in einer Test- und Lernphase" Die Firmen, die dafür Verantwortung tragen, gehen häufig davon aus, dass einer Verwendung zugestimmt wird. Wer sich bei Spielesoftwareunternehmen genauer erkundigen will, wird auf eine Geduldsprobe gestellt. Die Firma Goodgame Studios ließ eine Anfrage dieser Redaktion unbeantwortet. Ubisoft schickte nach Tagen eine Stellungnahme, in der das Videospielunternehmen versichert, einen "fairen und verantwortungsvollen Rahmen" schaffen zu wollen. Derzeit sei man "in einer Test- und Lernphase".

Ubisoft gibt sich zugewandt, ohne allzu konkret zu werden. Künstler, Autoren und Programmierer stünden "immer im Zentrum des Entwicklungsprozesses". Künstliche Intelligenz könne Arbeitsabläufe vereinfachen, die künstlerische Vision und individuelle Sichtweisen seien indes "entscheidend bei der Entwicklung eines Videospiels", schreibt das Unternehmen. "Unser Leitsatz ist, unsere Entwicklerteams zu unterstützen, nicht die Entwicklungserzeugnisse." Videospiele seien "technologische Innovation und Kreativität gleichermaßen".

Marie Beschorner will an Fairness erst einmal nicht glauben. Sie geht davon aus, dass die Unternehmen zurückhaltend agieren werden, "solange die gesetzliche Regelung schwammig ist", sagt die Illustratorin. Ubisoft zeigt sich in dieser Frage aufgeschlossen: "Was die Regulierung betrifft, so begrüßen wir jede Initiative, die darauf abzielt, einen klaren, verantwortungsvollen und dringend benötigten Rahmen für dieses gerade neu entstehende Gebiet zu definieren." Wobei ein Rahmen gemeint ist, "der weiterhin Innovationen und Experimente ermöglicht, gleichermaßen aber die faire Nutzung und den Schutz der Urheber und Anwender gewährleistet".

"Vor unseren Augen entsteht ein neues Kunstgenre" Fragt man Digitalpolitiker im Bundestag, gewinnt man den Eindruck, als hinkten sie der Entwicklung hinterher. "Die Sorgen der Unterhaltungsbranche nehme ich sehr ernst", sagt der FDP-Abgeordnete Maximilian Funke-Kaiser. Zugleich wolle er "die Chancen betonen, die der Kunst durch Veränderung geboten werden. Vor unseren Augen entsteht mit AI-Artworks (Artificial Intelligence, Anm. d. Red.) ein neues Kunstgenre, und ich gehe fest davon aus, dass die Konkurrenz das Geschäft beleben wird."

Von einer Steuer hält Funke-Kaiser ebenso wenig wie von einer Verschärfung des Leistungsschutzrechts. "Als Freier Demokrat ist es mir wichtig, dass der Staat als Ermöglicher digitaler Technologien fungiert und diese nicht aus Reflex reguliert."

In der SPD musste man sich zunächst einige Tage abstimmen, "weil das Thema sehr aktuell ist". KI und maschinelles Lernen zeigten gerade erst ihr Potenzial. "Die SPD wird sich dafür einsetzen, künstliche Intelligenz und deren Anwendung so zu regulieren, dass sie sicher, transparent und nachhaltig für die Gesellschaft nutzbar gemacht wird", erklärt die Abgeordnete Anna Kassautzki. Das geltende Urheberrecht setze sich mit Fragen des geistigen Eigentums auseinander, "nicht aber mit der Geschwindigkeit, in der KI-basierte Technologien massenhaft Daten verarbeiten".

Kassautzki scheint selbst noch auf der Suche. "Wann aus der Nachahmung ein Imitat wird und somit auch wann das Urheberrecht diese Imitate untersagt, ist am Ende eine Frage, die die Politik nicht überstürzt beantworten sollte", sagt sie. Die Politik müsse jedoch "sicherstellen, dass Menschen, die ihre Lebensgrundlage von dieser technologischen Revolution bedroht sehen, von der Gesellschaft solidarisch unterstützt werden können".

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