Werther-Arrode. Etwas mehr als ein Jahr ist es jetzt her, dass die Leitung des Baltimore Museum of Art, 17 seiner Sicherheitsleute eingeladen hatte, aus der 95.000 Stücke umfassenden museumseigenen Sammlung eine Ausstellung zusammenzustellen. Unter dem Titel „Guarding the Art“ war diese für mehrere Wochen zu sehen – und überzeugte Publikum und Kritik. Etwas Ähnliches hat nun David Riedel, künstlerischer Leiter des Museums Peter August Böckstiegel in Werther-Arrode gewagt.
Er hat zum fünfjährigen Bestehens des Museumsneubaus seine 70 Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, die den Museumsbetrieb entscheidend mit am Laufen halten, eingeladen, ihr Lieblingswerk von Böckstiegel aus der rund 1.400 Werke umfassenden Sammlung des Museums auszuwählen und ebenfalls auszustellen. „Ich wollte mit der Aktion, diesem großartigen Team Danke sagen und zugleich dem Anspruch unseres Hauses, ein partizipatives Haus zu sein, gerecht werden“, betont Riedel.
Die wichtigsten Informationen
Die Ausstellung „Böckstiegel? Was ihr wollt!“ ist ab Sonntag, 7. Mai, ab 11 Uhr, bis zum 8. Oktober zu sehen. Informationen zur Schau und zum Begleitprogramm gibt es online. Zur Ausstellung ist eine Broschüre erschienen.
67 der 70 Ehrenamtler machten mit, wählten ihre Lieblinge aus, schrieben sehr persönliche Texte zu ihnen, die in einer schmucken Broschüre erschienen sind, und stellten Riedel anschließend vor die „nicht ganz einfache Aufgabe“ (Riedel), die Werke unter dem Titel „Böckstiegel? Was ihr wollt!“ zu einer Ausstellung zusammenzufassen.
Auch Böckstiegel hat nicht nur 1a-Werke geschaffen
Die hat dieser mit Bravour gelöst – und noch zehn Werke, die er selbst ausgewählt hat, hinzugefügt. Und so finden sich in dieser ungewöhnlichen Schau Böckstiegel-Klassiker, wie sein berühmtes „Selbstbildnis“ vor rotem Hintergrund von 1913 (ganz im Stil van Goghs gehalten), viele beeindruckende Ernte-, Bauern-, Familien- und Landschaftsbilder – neben eher unbekannten Arbeiten wie das Bild seiner Frau Hanna als mondäne Städterin von 1927.
Aber auch Werke – wie einige eher uninspiriert wirkende Stillleben – sind dabei, die Riedel, wie er einräumt, „eher nicht gezeigt hätte“. „Denn natürlich liefert auch ein so ausdrucksstarker Künstler wie Böckstiegel während seines Lebens, nicht nur 1a-Werke ab. Aber auch die Auf- und Abschwünge eines Malers zeigen zu können, hat ja seinen Reiz“, betont der Kurator beim Vorabrundgang durch die Räume, die um großformatige Fotos aus dem Atelier und dem Leben des Arroders ergänzt wurden.
Stark geht es gleich zum Auftakt der Schau los. An der der Eingangstür gegenüberliegenden Wand finden sich die expressiven großformatigen Werke „Bauern am Abend“ (1922), „Selbstbildnis mit Mutter“ (1920) und das 1925 faszinierend mit wildem Pinselstrich gemalte und dennoch Ruhe und Konzentration ausstrahlende „Sensendengler (Mein Vater)“, der auf dem Feld sitzt und akkurat seine Sense mit einem Dengel (Hammer) schärft, während ein Kind aus einem Fass nascht. Böckstiegel pur, ein Klassiker zum daran Festschauen. Und davon gibt es so einige. Aber auch so eine schöne Überraschung wie die Bleistiftzeichnung „Zwei Schnitter (Vater und Tod)“. Auf dem Blatt von 1928 ziehen wiederum der Vater des Malers und der Tod – jeweils mit Sensen ausgestattet – los. Zwei Männer auf dem Weg, zu ganz unterschiedlichen Ernteeinsätzen. Ein etwas makabres Blatt, aber eine schöne Entdeckung.
Bilder aus allen Schaffensphasen
Wie es überhaupt eine Freude ist, so viel Böckstiegel aus allen Schaffensphasen zu entdecken und sich mit der Broschüre in der Hand treiben zu lassen und die eigenen subjektiven Seheindrücke mit denen der ehrenamtlichen Ausstellungsmacherinnen und -macher abzugleichen. Wie schreibt Anna Spanka so schön über Böckstiegels letztes Bild aus dem Jahr 1951, das, versehen mit dem Titel „Heimkehr“, einen dunklen Winterwald samt Heimkehrenden zeigt: „Er trägt schwer an seiner Last - der sichtbaren und der unsichtbaren.“ Ja, in dieser Schau werden dank Riedels Mut, „sein“ Ehrenamtsteam diese bestücken zu lassen, viele Kontraste sichtbar. Experiment gelungen, zur Nachahmung gerne weiterempfohlen.