NRW-Arbeitsminister Laumann: „Wir brauchen Arbeitsmigration“

Herr Laumann, Sie haben sich mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) über ihre Klinikreformen gestritten. Können Sie der Variante aus Berlin auch etwas Positives abgewinnen?

Karl-Josef Laumann: Ja, die geplante Anpassung der Krankenhausfinanzierung ist richtig. Aktuell sind die Kliniken dazu gezwungen, über möglichst viele rentable Fallpauschalen Geld zu verdienen. Dies führte zum Beispiel dazu, dass immer mehr Geburts- und Kinderkliniken schließen, da in diesen Bereichen die Fallpauschalen nicht auskömmlich sind. Die von Lauterbach vorgesehene Ergänzung um Vorhaltekosten, beispielsweise für Personal und Technik, ist daher vor allem für das flächendeckende Angebot der Grundversorgung wichtig. Die geplante Einteilung der Krankenhäuser in Level lehne ich jedoch ab, weil die Klinikstruktur für diese Schablone aus Berlin zu vielfältig ist. Außerdem ist diese Frage Angelegenheit der Länder.

Bei der Versorgung von Kindern kommt es immer wieder zu Problemen. Derzeit fehlen Antibiotika-Säfte. Wie gehen Sie dagegen vor?

Mir bereiten die Arzneimittel-Engpässe zunehmend Sorge. Um akut Abhilfe zu schaffen, haben wir in NRW die vorübergehende Einfuhr von Antibiotika-Säften aus dem Ausland erlaubt. Aktuell herrscht aber eine weltweit hohe Nachfrage. Zudem sind aufgrund der vielen weltweiten Krisen neue Lieferketten nötig. Für eine grundsätzliche Lösung müssen wir deshalb dafür sorgen, dass wir uns in der Medikamentenherstellung aus der Abhängigkeit von Drittstaaten befreien. Mit Blick auf die Versorgung von Kindern in Praxen und Kliniken müssen wir zudem in die Digitalisierung investieren. Während der vergangenen RSV-Welle haben wir bereits erfolgreich Videosprechstunden etabliert, sodass viele Besuche in Praxen und Kliniken vermieden werden konnten. Nötig sind zudem die angesprochenen Anpassungen im Finanzierungssystem.

In der Kindermedizin herrscht, wie in vielen Bereichen des Gesundheitssystems, Personalmangel. Können künftig überhaupt noch alle Kranken und Pflegebedürftigen in NRW versorgt werden?

Ja, allerdings nur, wenn wir die knapper werdenden Ressourcen effizienter einsetzen. Daher planen wir seit 2019 die Klinikreform. Wir müssen aber auch mehr für die Ausbildung von Fachkräften tun. Mit der Gründung der medizinischen Fakultät OWL an der Universität Bielefeld haben wir für die Region bereits einen wichtigen Punkt gemacht. Es dauert zwar noch einige Jahre, bis die ersten dort ausgebildeten Ärzte Patienten versorgen können, doch sie werden die Lage verbessern. Darüber hinaus dürfen wir es uns nicht länger leisten, dass jedes Jahr 40.000 junge Menschen auf dem Ausbildungsmarkt fehlen, weil sie im Übergangssystem der Berufsschulen landen.

In NRW herrscht nicht nur im Gesundheitswesen ein nie dagewesener Arbeitskräftemangel, gleichzeitig gibt es 700.000 Arbeitslose. Wie passt das zusammen?

Gar nicht, weshalb wir dafür sorgen müssen, dass jeder einen fairen Einstieg in den Arbeitsmarkt bekommt. Dafür kann die Politik aber allein nicht sorgen. Hier sind die Unternehmen gefragt, die mehr dafür tun müssen, wenn sie Arbeitskräfte und Auszubildende finden wollen. Unternehmen müssen sich zudem klarmachen, dass nicht mehr sie den Markt bestimmen, sondern die Arbeitnehmer. Das setzt auch voraus, dass sich Unternehmen mehr dafür öffnen müssen, Menschen eine Chance zu geben, die auf den ersten Blick vielleicht nicht die optimalen Kandidaten sind, die es aber mit einer vernünftigen Begleitung sehr gut schaffen können. Auch die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss in den Fokus gerückt werden. Arbeitgeber müssen es Frauen und Männern ermöglichen, sich neben ihrem Beruf auch um Kinder oder pflegebedürftige Eltern kümmern zu können.

Sind in NRW auch Fachkräfte aus dem Ausland nötig?

Ja, wir brauchen eine arbeitsmarktbedingte Zuwanderung. Vor allem im Gesundheitssektor ist das Interesse von ausländischen Pflegekräften an einer Anstellung in Deutschland groß, doch die Hürden sind noch zu hoch, vor allem in den Anerkennungsverfahren von Berufsabschlüssen und anderen Qualifikationen. Das muss einfacher werden und schneller gehen. Zudem sind für arbeitsmarktbedingte Zuwanderung nicht nur Arbeitsplätze nötig. Dazu gehören auch Wohnungen sowie die Integration dieser Menschen. Die Frage der Arbeitsmigration müssen wir aber von der Asylmigration trennen.

Die Asylmigration belastet die Kommunen und Länder stark. Welche Forderungen haben Sie an den Bund?

Der Bund muss seine Unterstützung erheblich erhöhen, denn die Länder und Kommunen müssen neben der Versorgung von Flüchtlingen noch viele weitere Aufgaben erfüllen. Hier ist ganz klar der Nationalstaat gefordert.

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