Afrikas Probleme sind längst unsere Probleme

Wir leben bekanntlich in einer Welt, in der wenig mehr ist, wie es mal war. Dies gilt gewiss auch für Afrika, wo in Niger soeben der nächste Militärputsch für Aufsehen und sorgenvolle Minen im so genannten Westen sorgt. Afrika galt früher als Kontinent, in dem wilde Tiere und bettelarme Menschen leben und dem der besagte Westen Entwicklungshilfe gewährte – von dem wir ansonsten aber wenig wussten und der uns ohnehin nichts anzugehen schien.

Die Zeiten sind vorüber, was sich nicht zuletzt an der Wortwahl zeigt. Aus Entwicklungs- und Schwellenländern ist in hiesiger Terminologie der &bdquo;globale Süden“ geworden. Afrika ist ein Teil davon. Afrikas Probleme sind überdies längst unsere Probleme. Auf den Kontinent kommt es an.

Ein Beleg dafür liefert Russlands Angriff auf die Ukraine. Während dieser in den USA und der Europäischen Union überwiegend Empörung auslöst, zieht er jenseits davon nur Achselzucken nach sich. Dabei wächst das Bewusstsein, dass es Staaten wie Brasilien, Indien oder Südafrika sind, die im neuen Ost-West-Konflikt dazu beitragen könnten, den Krieg durch diplomatisches Zutun zu beenden – Staaten, die man einst zu den &bdquo;Blockfreien“ zählte.

Der Westen tritt die Flucht an Zugleich werden besonders die afrikanischen Staaten mehr und mehr in diesen Konflikt hineingezogen. China und Russland verstärken ihr Engagement dort. Sie schaffen wirtschaftliche und militärische Abhängigkeiten. Binnen weniger Monate fiel Mali an die russische Seite. Nun wird befürchtet, dass Niger folgen könnte. In ganz Afrika seien lediglich rund 5.000 russische Wagner-Söldner stationiert, heißt es. Doch diese 5.000 reichen aus, um den Westen in die Defensive zu drängen.

Der UN-Einsatz in Mali endet überhastet. Die Bundeswehr zieht unter Zeitdruck ab. Und während Niger gestern noch als sicherer Kantonist galt, ist er dies von heute auf morgen nicht mehr. Plötzlich werden wieder Evakuierungsflüge nötig – so wie im Frühjahr im Sudan. Der Westen tritt wortwörtlich die Flucht an. Man spürt die Angst. Der Machtwechsel in Niger erschwert wiederum den Abzug aus dem Nachbarland.

Das alles ist auch für den globalen Norden mittlerweile existenziell. Niger zum Beispiel hat wesentliche Uran-Vorkommen. Sie werden in der Europäischen Union dringend gebraucht, um Atomkraftwerke zu betreiben. Noch dringlicher ist die Zusammenarbeit bei der Flüchtlingsfrage. Die west- und zentralafrikanischen Staaten sind Ursprungsländer von Asylsuchenden, die über Libyen oder Tunesien nach Europa streben. Wahlweise haben sie eine Transitfunktion. Dem Migrationsdruck werden Deutschland und andere EU-Staaten bestenfalls dann begegnen können, wenn die Regierungen dieser Länder kooperationswillig sind. Unter russischem Einfluss stehende Militärregime wie in Mali sind kooperationsunwillig.

Verheerendes koloniales Vermächtnis Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte zu Beginn seiner Regentschaft erklärt, zu einem stärker partnerschaftlichen Verhältnis kommen zu wollen. Doch das koloniale Vermächtnis wirkt verheerend nach. Geschichte prägt Gegenwart. Die Verachtung für Frankreich wirkt sich auf seine westlichen Verbündeten aus. Russland, eine Kolonialmacht neuen Typs, füllt das Vakuum.

Es ist jedenfalls eine Illusion zu glauben, man könne labile Staaten wie Mali oder Niger mit militärischer Stabilisierung auf einen anderen Kurs bringen. Dies ist auch in Afghanistan nicht gelungen. Notwendig ist ein ebenso langfristiges wie partnerschaftliches Engagement, das vor allem die Gesellschaften dort im Blick hat und dem Grundsatz folgt, dass es keinem Teil der Welt gut geht, wenn es anderen Teilen auf Dauer schlecht geht - um in Afrika zu retten, was noch zu retten ist.

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