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Ja, nein, unentschieden

Warum viele Umfrageergebnisse mit Vorsicht zu genießen sind

Unsaubere Methoden, bezahlte Teilnehmer - Wie seriös sind die Ergebnisse von Online-Umfragen tatsächlich?

„Ein Drittel der Männer findet Gewalt gegen Frauen ok“, so schrieben im Juni viele Medien, angeblich basierend auf einer „repräsentativen Umfrage“. Bei genauer Betrachtung fand man, dass ein privater Spendeneintreiber, „Plan International“, um öffentliche Aufmerksamkeit kämpft. 1937 in Großbritannien als Hilfe für Kinder des spanischen Bürgerkriegs gegründet, ist Plan International eine große internationale Kinderhilfsorganisation. Das Umfrageergebnis basierte auf einer online erstellten Umfrage, die keineswegs die Schlagzeile hergibt. Übrigens, die Meldung steht bis heute auf der Website des Vereins. Umfragen gibt es wie Sand am Meer. Aber wie verlässlich sind die wirklich?

Die ARD präsentiert regelmäßig den ARD-Deutschlandtrend: die neuesten Umfragezahlen, die den Stand der Parteien in der Wählergunst wiedergeben, würde kommenden Sonntag gewählt. Die Forschungsgruppe Wahlen des ZDF zeigt das Politbarometer und RTL nutzt das Institut Forsa, wie gelegentlich auch diese Redaktion gemeinsam mit anderen nordrhein-westfälischen Zeitungen.

Aussagefähige Umfragen zu machen, kostet viel Geld. Eine Umfrage muss die aktuellen Daten der Gesellschaft widerspiegeln. Alter, Geschlecht, Bildung, Herkunft, soziale Schicht, all das, was in großer Unterschiedlichkeit in der bunter gewordenen deutschen Gesellschaft vorhanden ist, anhand der Daten des Statistischen Bundesamtes.

Geld verdienen mit Teilnahme

Sauber gemachte Umfragen mit vielen Fragen kosten bis zu 300.000 Euro und selbst Telefonumfragen mit Zufallsstichproben können bei zehn Fragen und 1.000 Befragten 25.000 Euro oder mehr kosten. Das ist teuer, aber Qualität hat eben ihren Preis. Damit eben nicht gilt, „Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“.

Mittlerweile sind viele Online-Umfrageprodukte auf dem Markt. Und die Statistik des Arbeitskreises Deutscher Marktforschungsinstitute zeigt, der Schwerpunkt der Umfragen liegt heute mit 64 Prozent im Internet. Sucht man im Internet nach Umfragen, dann stolpert man beispielsweise über Seiten wie: „Die 30 besten Umfrageportale: Seriös & einfach Geld verdienen!“ Jedermann kann sich freiwillig melden und täglich eine Frage beantworten und damit auch noch Geld verdienen.

Ein häufig genutzter Anbieter solcher Umfragen ist zum Beispiel das Berliner Unternehmen Civey. Dieses bietet vielen Zeitungen kostenlos seine Ergebnisse an, wenn sie auf ihren Seiten kostenlos die Tagesfrage abdrucken lassen. Kritik an der Verlässlichkeit der Ergebnisse bleibt so eher gering. Im Internet hieß eine der Fragen dieser Woche, die jene zugeschickt bekommen, die sich einmal angemeldet haben: „Sollte Deutschland die Ukraine stärker finanziell unterstützen?“ Ergebnis: 36 Prozent ja, 53 Prozent nein, 11 Prozent unentschieden. Merkwürdigerweise beteiligen sich immer um die 5.050 Personen.

Unverbindliche Standards bei Umfragen

Diese Methode wird von Wissenschaftlern angezweifelt. Groß sei die Gefahr, mehrfach unter falschen Identitäten teilzunehmen und das Ergebnis zu verfälschen. Eine Einzelfrage ergibt keine verlässliche Aussage. Verschiedentlich wurde Civey kritisiert wegen seiner problematischen Praxis, über die beispielsweise der Deutsche Rat für Sozial- und Marktwirtschaft wacht. Der Berufsverband erarbeitet Kriterien, die wissenschaftliche Standards für Umfragen nahelegen. Das Problem ist nur, die sind zwar anerkannt, aber unverbindlich. So kommt es gelegentlich zu Prozessen. Im März 2022 beispielsweise untersagte das Landgericht Köln Civey, weiterhin zu behaupten: Civey sei Marktführer, Technologieführer und die Nr. Eins im Bereich der digitalen Meinungsdaten und sei zuverlässiger als die Konkurrenz.

Civey versichert, seine Methode der Onlineumfragen sei mittels der verwendete Algorithmen zuverlässig. Wie die aber aussehen, das bleibt Geschäftsgeheimnis und Vorhersagen von Landtagswahlergebnissen in den vergangenen Jahren waren keineswegs so realistisch, wie bei den großen Wahlforschern. Vorsicht also, wenn Sie Umfragen lesen, egal, ob nun „ein Drittel der Männer Gewalt gegen Frauen ok finden“ sollen oder ob Olaf Scholz mehr kommunizieren soll.

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