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Pedro Sánchez kann weiter regieren: Chance für Frieden in Katalonien

Sánchez hat sich seine knappe Mehrheit im spanischen Parlament teuer erkaufen müssen. Doch die Amnestie für die katalanischen Separatisten könnte sich lohnen.

Ralph Schulze

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Pedro Sánchez‘ Zugeständnisse an die katalanischen wie auch an die baskischen Regionalparteien gehen vielen Spaniern zu weit. - © AFP or licensors
Pedro Sánchez‘ Zugeständnisse an die katalanischen wie auch an die baskischen Regionalparteien gehen vielen Spaniern zu weit. (© AFP or licensors)

Spaniens international angesehener sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez kann weitere vier Jahre regieren. Sánchez gilt als treuer und dialogbereiter Verbündeter Europas, der bei Schlüsselthemen wie Migrationspolitik und Klimaschutz vorbehaltlos hinter Brüssel steht. Doch seine knappe Mehrheit im spanischen Parlament hat er sich teuer erkaufen müssen: mit einer Generalamnestie für die katalanischen Separatisten und ihren Chef Carles Puigdemont.

Die Aktivisten werden immer noch wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums im Jahr 2017 von der spanischen Justiz verfolgt. Mit sehr hohen Strafforderungen, die von Amnesty und anderen Menschenrechtsgruppen als exzessiv bezeichnet werden. Eine Amnestie ist immer ein umstrittenes Zugeständnis, das aber auch Chancen mit sich bringt, und zwar im konkreten Fall die Hoffnung auf eine weitere gesellschaftliche und politische Entspannung in der eigenwilligen Region Katalonien. Dort sinkt dank Sánchez‘ bisheriger Dialogpolitik bereits seit einigen Jahren der Wille zur Abspaltung.

Dass der „Balkanisierung“ Spaniens, dem wirtschaftlich viertgrößten Land der Eurozone, entgegengesteuert wird, ist zweifellos im Sinne Europas. Ein Europa, das im globalen Konzert seine Zukunft im Zusammenwachsen und nicht im Aufbau neuer nationaler Grenzen sehen muss.

Sánchez‘ Zugeständnisse an die katalanischen wie übrigens auch an die baskischen Regionalparteien gehen vielen Spaniern zu weit. Die konservative Opposition spricht gar von „Verrat“ und sieht die Demokratie sowie den Rechtsstaat in Gefahr.

Doch Amnestien haben in der europäischen Geschichte schon öfter dazu gedient, den sozialen Frieden zu wahren. Auch in Spanien ist ein umfassender Strafpardon nichts Neues: Spaniens Demokratie begann nach dem Ende der rechten Franco-Diktatur mit einer Amnestie für die Schergen des Unrechtsregimes. Und in späteren Jahren wurden Steuersünder gleich mehrfach im großen Stil amnestiert.

Deswegen und trotz aller Bedenken: Sánchez‘ Versuch, den spanischen Vielvölkerstaat durch die Anerkennung regionaler Eigenheiten und Empfindlichkeiten zusammenzuhalten, ist ein lohnendes Experiment. Und nicht nur im Falle Spaniens vermutlich der einzige Weg, regionalen Unabhängigkeitsbewegungen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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