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Ein Verbot der AfD darf kein Tabuthema mehr sein

Markus Decker

Björn Höcke (rechts), AfD-Fraktionschef, und Jürgen Treutler (links), AfD-Abgeordneter und Alterspräsident, während der konstituierenden Sitzung des Landtags in Thüringen. - © dpa
Björn Höcke (rechts), AfD-Fraktionschef, und Jürgen Treutler (links), AfD-Abgeordneter und Alterspräsident, während der konstituierenden Sitzung des Landtags in Thüringen. (© dpa)

Die letztlich gescheiterte Konstituierung des Thüringer Landtages lässt keinen Zweifel mehr zu: Die im Freistaat als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD hat sich genau so verhalten – rechtsextrem. Die stärkste Fraktion hat mit ihrem Alterspräsidenten Jürgen Treutler versucht, die Rechte der Mehrheit auszuhebeln und auf diese Weise die Wahl eines Landtagspräsidenten aus den eigenen Reihen ins Werk zu setzen, obwohl sie dort selbst keine Mehrheit hat.

Mit dem Wort Schmierenkomödie ist das noch vornehm umschrieben. Man sollte eher, wie der CDU-Abgeordnete Andreas Bühl, von „Machtergreifung“ sprechen – oder einem Putschversuch. Und das auf einem jämmerlichen Niveau. Demokraten, die an diesem 26. September 2024 nicht aufgewacht sind, die werden es nie mehr tun.

Leider sind die demokratischen Fraktionen im Thüringer Landtag, mit Ausnahme des damals noch nicht im Parlament vertretenen BSW, selbst schuld. Denn hätten sie die Geschäftsordnung bereits vor der Landtagswahl am 1. September geändert, dann hätte es diese mutwillige Show zur Demontage der Demokratie in der Form nicht geben können. Warnende Stimmen fehlten nicht, innerhalb und außerhalb des Parlaments.

Parteien müssen Vorkehrungen für den Ernstfall treffen

Sie wurden aus Nachlässigkeit in den Wind geschlagen. Nun müssen CDU, BSW, Linke und SPD den Schritt unter Schmerzen und längst eingetretenen Schäden für den Ruf des Parlaments nachholen. Doch das reicht natürlich nicht. Schließlich handelt es sich hier um einen Präzedenzfall, der die gesamte Republik betrifft. Der Bundestag und alle Landtage sind mehr denn je gehalten, ebenfalls noch einmal in ihre Geschäftsordnungen und Verfassungen zu gucken, um Vorkehrungen für den Ernstfall zu treffen.

Jürgen Treutler (AfD), Alterspräsident des Landtags. - © dpa
Jürgen Treutler (AfD), Alterspräsident des Landtags. (© dpa)

Manche Landtage haben das schon getan. Die Ampelfraktionen und die Unionsfraktion haben zuletzt vereinbart, bestimmte Regeln für das Bundesverfassungsgericht im Grundgesetz zu verankern, um so einen Schutzwall zu errichten. Das ist gut – aber nicht genug. Viele Regeln im Bund und in den Ländern sind nämlich für Sonnenschein gemacht, nicht für Sturm.

Sie basieren auf dem guten Glauben der Nachkriegs- und Nachwendezeit, dass alle politischen Akteure sich daran halten. Die AfD hält sich aber entweder nicht an die Regeln oder pervertiert sie, um die Institutionen wahlweise lächerlich oder handlungsunfähig zu machen. Darauf müssen die Demokraten reagieren. Sie müssen wie bei einem Hochwasser Sandsäcke aufschichten – auch wenn sie nicht wissen, ob das Hochwasser tatsächlich kommt.

AfD geht aggressiv gegen Parlamentarismus vor

Dazu zählt unter anderem sogar die Erwägung, bei Wahlen gezielt sehr alte Kandidaten zu nominieren, um selbst den Alterspräsidenten stellen zu können. Wenn die AfD das für unmöglich Gehaltene tut, müssen Demokraten im Gegenzug das Unmögliche zumindest denken. Ein AfD-Verbot kann ebenfalls nicht mehr tabu sein.

Denn Thüringens geschäftsführender Innenminister Georg Maier hat recht, wenn er sagt, die Ereignisse im Thüringer Landtag hätten gezeigt, dass die AfD aggressiv kämpferisch gegen den Parlamentarismus vorgehe und die Voraussetzungen damit erfüllt seien. Aufgabe aller Innenminister ist es nun, im Hintergrund sämtliche Vorbereitungen zu treffen, um in Karlsruhe einen Verbotsantrag stellen zu können.

Ob er am Ende wirklich gestellt wird, ist eine ganz andere Frage. Die rechtlichen und politischen Folgen müssten sorgsam abgewogen werden. Aber auch hier gilt: Die Demokraten müssen wach sein. Eine gute Nachricht hält dieser Tag in Erfurt allerdings bereit, und das ist nicht wenig: Wenigstens jetzt stehen die Demokraten zusammen. Denn was die AfD da auf offener Bühne veranstaltet hat, war erschreckend – und hoffentlich heilsam.

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