Koalitionsverträge füllen etliche Seiten Papier, die ungleichen Partner wollen möglichst viele Vereinbarungen schriftlich festhalten. Nur eines ist darin naturgemäß nie zu finden: die Krisen, die später über die Regierung hineinbrechen. Der Umgang mit ihnen entscheidet allerdings über Vertrauen und Misstrauen der Bevölkerung, Erfolg oder Misserfolg des Bündnisses.
Es mag irritierend klingen, aber so schwierig die Lage derzeit national und international ist – die gegenwärtigen Koalitionsunterhändler haben es leichter als ihre Vorgänger. Sie haben sogar eine nie da gewesene Chance. Denn so katastrophal die Zöllehölle von US-Präsident Donald Trump ist, Union und SPD können sich in noch rechtzeitig darauf einstellen.
Im Wissen um sinkendes Wirtschaftswachstum durch den absehbaren Handelskrieg können sie ihren Vertrag zukunftsfester machen. Wenn denn ihr Verantwortungsbewusstsein und Mut groß genug sind, bittere Pillen zu schlucken und ihre Wähler von der Notwendigkeit zu überzeugen.
Die Lockerung der Schuldenbremse für die Verteidigungsausgaben sowie das (mehrjährige) 500-Milliarden-Euro-Schuldenpaket für die Infrastruktur verschaffen eine Menge Handlungsspielraum. Aber auch das reicht nicht aus, um Deutschland wieder wettbewerbsfähiger zu machen.
Ausgaben sinnvoll streichen – wie im Privaten
CDU, CSU und SPD müssen Ausgaben – sinnvoll – streichen. Jeder Privathaushalt lässt weg, was er nicht unbedingt braucht, wenn das Geld zu knapp ist. Der Wunsch nach einer neuen Küche wird zurückgestellt, und so müsste die Union auf die Ausweitung der Mütterrente verzichten und die SPD Abstriche beim Bürgergeldsystem machen. Mit einem besseren Kampf gegen Steuerhinterziehung ließen sich weitere Milliarden eintreiben.
Die Formel für Wirtschaft und Bevölkerung: Wer genügend Speck hat, muss den Gürtel enger schnallen, bei Menschen ohne Reserven ist er schon im letzten Loch.
Für stabile politische Verhältnisse muss es auch der SPD ein dringendes Anliegen sein, dass der mögliche Kanzler Friedrich Merz für die bevorstehende harte Zeit robust ausgestattet wird. Und er selbst muss liefern, was er früher von der Seitenlinie lapidar ins Feld geworfen hat. Etwa dies: „Trump und ich – wir kämen schon klar.“
Damit der Geisterfahrer im Weißen Haus ihn verstehen kann, müsste der CDU-Mann eher mit gleicher Münze zurückzahlen. Die Bitte der USA um Abhilfe des heimischen Eiermangels etwa könnte er mit einem Tweet quittieren: „Ihr kriegt unsere Eier nicht!“ Mit Eskalation jedoch beendet man so schnell keinen Krieg, auch keinen Handelskrieg. Merz muss sich als Mann der Wirtschaft Gehör verschaffen.
Derweil steigen die Umfrageergebnisse der AfD. Sie muss dafür gar nichts leisten. Unmut über die Koalitionäre in spe zahlt bei ihr ein. Ein guter schwarz-roter Koalitionsvertrag kann das durchbrechen. Es wird Zeit.