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Drohnenwall an der Ostflanke: EU ringt um Aufrüstungskurs

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Sieht die Aufrüstung nicht als einziges wichtiges Gesprächsthema: Bundeskanzler Friedrich Merz. - © Ida Marie Odgaard/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa
Sieht die Aufrüstung nicht als einziges wichtiges Gesprächsthema: Bundeskanzler Friedrich Merz. (© Ida Marie Odgaard/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa)

Unter dem Eindruck der jüngsten Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets und Kamikaze-Drohnen ringen die EU-Staaten um einen gemeinsamen Kurs bei der geplanten Aufrüstung. Bei einem Gipfeltreffen in Kopenhagen diskutierten Bundeskanzler Friedrich Merz und die anderen Staats- und Regierungschefs jetzt erstmals über Ideen der EU-Kommission für einen konkreten Fahrplan.

Sie sehen unter anderem vor, den Aufbau eines sogenannten Drohnenwalls an der Ostflanke zu einem europäischen Leuchtturmprojekt zu machen. Dabei soll mit modernster Technik das Erkennen, Verfolgen und Abfangen von unbemannten Flugkörpern ermöglicht werden.

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Zahlreiche Fragen sind allerdings ungeklärt, etwa die der Koordinierung, der Dimension und eine mögliche Finanzierung mit EU-Mitteln. Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und ihr griechischer Kollege Kyriakos Mitsotakis machten zudem deutlich, dass sich nicht jedes gemeinsame europäische Verteidigungsprojekt nur auf die östlichen Grenzen beschränken dürfe.

«Gefährlichste Situation seit Ende des Zweiten Weltkriegs»

Die aktuelle Situation ist nach Ansicht von Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen die schwierigste und gefährlichste seit Ende des Zweiten Weltkriegs. - © Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa
Die aktuelle Situation ist nach Ansicht von Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen die schwierigste und gefährlichste seit Ende des Zweiten Weltkriegs. (© Mads Claus Rasmussen/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa)

Gipfelgastgeberin Mette Frederiksen und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnten angesichts der Bedrohungen zu Geschlossenheit und Tempo. «Wenn ich mir Europa heute ansehe, denke ich, dass wir uns in der schwierigsten und gefährlichsten Situation seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs befinden», sagte die dänische Ministerpräsidentin. Von der Leyen erklärte, es sei in diesen Zeiten absolut entscheidend, dass man ein gemeinsames Gefühl der Dringlichkeit und Einheit habe.

Info am Flughafen in Kopenhagen: In Dänemark sind Drohnenflüge wegen des hochrangigen Treffens bis zum 3. Oktober verboten. - © Ansgar Haase/dpa
Info am Flughafen in Kopenhagen: In Dänemark sind Drohnenflüge wegen des hochrangigen Treffens bis zum 3. Oktober verboten. (© Ansgar Haase/dpa)

Die deutsche Kommissionschefin will nun die Diskussion in Kopenhagen nutzen, um bis zum nächsten EU-Gipfel in der vorletzten Oktoberwoche einen noch detaillierteren Plan für Aufrüstungsprojekte zu erarbeiten. Er soll neben dem Drohnenwall auch eine Initiative für neue Maßnahmen zur Sicherung der Schifffahrt in der Ostsee und im Schwarzen Meer sowie im Bereich der Bodenverteidigung umfassen.

Deutschland und andere Länder schickten Streitkräfte als Unterstützung für den Schutz der Gipfeltreffen in Kopenhagen. (Archivbild) - © Emil Nicolai Helms/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa
Deutschland und andere Länder schickten Streitkräfte als Unterstützung für den Schutz der Gipfeltreffen in Kopenhagen. (Archivbild) (© Emil Nicolai Helms/Ritzau Scanpix Foto/AP/dpa)

Der französische Präsident Emmanuel Macron rief angesichts der aktuellen Konfrontation mit Russland zu «sehr großer» Vorsicht auf. «Wir müssen stark sein, um jegliche Aggressionen abzuwehren, aber wir müssen sehr vorsichtig bleiben und jede Eskalation vermeiden», sagte er auf die Frage einer Journalistin, ob man sich auf einen Weltkrieg zubewege.

Deutsche Fregatte sichert Gipfel

Befürchtete Störungen des Gipfels durch von Unbekannten gesteuerte Drohnen blieben zunächst aus. Am Schutz der Veranstaltung beteiligten sich auch Streitkräfte aus Partnerstaaten, nachdem in der vergangenen Woche unbemannte Flugkörper an dänischen Flughäfen zu zahlreichen Flugausfällen und Verspätungen geführt hatten. Die Bundeswehr schickte eine speziell für die Luftverteidigung ausgerüstete Fregatte nach Kopenhagen.

Ausnahme für Verteidigungsausgaben bei EU-Schuldenregeln

Die aktuellen Aufrüstungsplanungen der EU basieren auf einem Gipfelbeschluss vom vergangenen März. Damals hatten die Staats- und Regierungschefs allgemein vereinbart, Europas Verteidigungsbereitschaft in den nächsten fünf Jahren entscheidend zu stärken. Finanziell ermöglicht werden soll das unter anderem dadurch, dass Verteidigungsausgaben von den strengen EU-Schuldenregeln ausgenommen werden. Auch Deutschland nutzt diese Sonderregel. Zudem wurde bereits vereinbart, günstige EU-Rüstungsdarlehen in Höhe von 150 Milliarden Euro zu vergeben.

Bundeskanzler Merz äußerte sich in Kopenhagen zunächst nicht öffentlich zum Thema Aufrüstung. Aus EU-Kreisen hieß es zuletzt, dass er sich gemeinsam mit Macron und Meloni dafür einsetze, die Koordinierung vor allem über die Hauptstädte und nicht so sehr über Brüssel laufen zu lassen.

Merz macht Druck auf von der Leyen

Dazu passte auch, dass Merz kurz vor dem Beginn des Gipfels noch einmal Druck auf Ursula von der Leyen machte, das Thema Bürokratieabbau energischer voranzutreiben. Bei der europäischen Regulierungsdichte müsse «grundlegend korrigiert» werden, sagte er. «Es ist einfach zu viel. Und darüber werden wir sprechen.»

Zudem warb Merz in Kopenhagen dafür, das in der EU eingefrorene russische Vermögen für die Unterstützung der Ukraine zu nutzen. Zinslose Kredite in Höhe von 140 Milliarden Euro will er für die militärische Aufrüstung des Landes freischaufeln, ohne das Geld zu enteignen. Das ist auch als ein Signal an den deutschen Steuerzahler zu verstehen. Da die Hilfe der USA weggebrochen ist, ist Deutschland inzwischen der größte Zahler für die Ukraine. Der Kredit soll nun die «militärische Durchhaltefähigkeit» des von Russland angegriffenen Landes auf mehrere Jahre absichern, wie Merz sagt. Der deutsche Haushalt bleibt verschont.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Sanktionen gegen Israel waren beim Gipfel zunächst kein großes Thema, weil es nun erst einmal darum geht, was aus der Friedensinitiative von US-Präsident Donald Trump wird. Merz kommt das gelegen. Er wollte eigentlich bis zum Gipfel eine Verständigung in der Bundesregierung über die Strafmaßnahmen herbeiführen. Das bleibt ihm nun erst einmal erspart. In Union und SPD gehen die Meinungen dazu recht weit auseinander.

Beratungen dauerten fünf Stunden

Nach dem rund fünfstündigen Gipfel waren die Staats- und Regierungschefs am Abend noch zu einem Dinner beim dänischen König Frederik X. auf Schloss Amalienborg eingeladen. An diesem Donnerstag kommen sie dann noch mit Kolleginnen und Kollegen aus europäischen Partnerstaaten zu Beratungen der sogenannten Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) zusammen. Bei ihnen soll es wie bereits beim EU-Gipfel um die Unterstützung der Ukraine, aber auch um wirtschaftliche Sicherheit und Migrationsfragen gehen. Aus der Ukraine wird Präsident Wolodymyr Selenskyj zu dem Treffen erwartet.

Der EPG-Gipfel ist ein Gesprächsformat, das vom französischen Präsidenten Macron ins Leben gerufen wurde. Eingeladen sind diesmal Staats- und Regierungschefs aus 47 Ländern. Darunter sind neben den 27 EU-Staaten und der Ukraine auch Länder wie Großbritannien, Moldau, die Schweiz und Georgien. Zudem wird auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte in Kopenhagen erwartet.

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