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Die behutsame Stimme der Kirche ist in der Kriegsdebatte wichtig

Carsten Heil

Ukrainische Soldaten beziehen Stellung in Kiew während Feuerwehrleute zwei brennende Autos löschen. Russische Truppen greifen zivile Ziele in der Ukraine mit unverminderter Härte an. Wie ist solch ein Krieg zu verhindern? - © dpa
Ukrainische Soldaten beziehen Stellung in Kiew während Feuerwehrleute zwei brennende Autos löschen. Russische Truppen greifen zivile Ziele in der Ukraine mit unverminderter Härte an. Wie ist solch ein Krieg zu verhindern? (© dpa)

Die evangelische Kirche nähert sich der Realität an. Behutsam, aber immerhin. Die neue Denkschrift „Welt in Unordnung“ entfernt sich von der etwas naiven Friedensvorstellung der Vergangenheit. Sie erkennt an, dass das Böse und die Gewalt in der Welt sind und nicht immer durch Friedlichkeit, Gespräche und Verzicht auf Waffen eingehegt werden kann. Auch wenn das viel schöner und erstrebenswerter wäre.

Die kriegerischen Entwicklungen der vergangenen Jahre (Ukraine) haben bei den Protestanten zu einem vorsichtigen Umdenken geführt. „Der Schutz vor Gewalt ist Basis für nachhaltigen Frieden.“ Solch ein Satz war von der Kirche bisher kaum zu lesen. Ohne freilich alle alt bekannten Friedensvorstellungen über Bord zu werfen. Und ist Schutz vor Gewalt ohne Gewalt möglich?

Sie übt damit einen Spagat, was schmerzhaft sein kann. Entsprechend erklärt der Rat der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), dass es sich trotz der nun erschienenen Friedensdenkschrift weiter um einen Prozess handelt, der nicht abgeschlossen ist. Der Spagat muss weiter geübt werden. Die Behutsamkeit dabei ist richtig. Nach außen und innen.

Mahnende Stimme ist im Diskurs wichtig

Immer mehr und ausgeklügeltere Waffen, um sich zu schützen oder abzuschrecken, fordern schon genug andere. Und man wird sie leider brauchen. Doch ist eine behutsam mahnende Stimme im Diskurs wichtig. Aber auch nach innen, denn der Ruf nach mehr militärischer Stärke könnte die evangelischen Christen und ihre Institutionen zerreißen. Die Gefahr sieht Adelheid Ruck-Schröder, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen schon länger.

Das hat aber mangelnde Klarheit der Denkschrift zur Folge. Was denn konkret tun, wenn Russland die Ukraine brutal überfällt? Mehr Waffen zu liefern in diesen Stellvertreterkrieg Ost gegen West kann die Kirche nicht guten Gewissens fordern. Ohne mehr Waffen wird der aufgezwungene Krieg für Kiew vermutlich aber nicht zu bestehen sein.

Immerhin erkennt die EKD individuelle und staatliche Souveränität an. Ohne Stärke wird ein Staat seine Bürgerinnen und Bürger nicht schützen können in der „Welt in Unordnung“.

Unter der Leitung der Ratsvorsitzenden Kirsten Fehrs ist die neue Friedensdenkschrift der EKD formuliert worden. - © David Inderlied/dpa
Unter der Leitung der Ratsvorsitzenden Kirsten Fehrs ist die neue Friedensdenkschrift der EKD formuliert worden. (© David Inderlied/dpa)

Es fehlt an Zweigleisigkeit in der Debatte

Es fehlt in der kirchlichen Denkschrift wie in der politischen Debatte an Zweigleisigkeit. Stärke und Gespräche, Besinnung auf eigene Sicherheitsbedürfnisse und den Perspektivwechsel auf die Bedürfnisse des Gegners waren die Stärke des Nato-Doppelbeschlusses von 1979. Gegen den die heutige Ratspräsidentin Kirsten Fehrs nach eigenen Worten demonstriert hat.

Genau das hat der ehemalige Hamburger erste Bürgermeister Klaus von Dohnany vorgeschlagen. Kriegstüchtigkeit hat keinen Selbstzweck, sondern muss zum Ziel der Friedenstüchtigkeit führen. Den zweiten Begriff hat die Kirche klugerweise in die Debatte eingeführt. Nicht jedoch mit der leider erforderlichen Kriegs- oder besser Verteidigungstüchtigkeit verknüpft.

In die Richtung könnte der weitere Prozess gehen, von dem der Rat der EKD spricht. Doch zu warten, bis man angegriffen wird, ist zu wenig.

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