Nach dem spektakulären Millionen-Coup im Zollamt Emmerich vom November 2020 beginnt an diesem Freitag in Jelenia Gora in Polen der Prozess gegen sieben Angeklagte - sechs Männer und eine Frau. Ihnen wird die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung und Diebstahl mit Einbruch vorgeworfen. Sie müssen nach polnischem Recht mit harten Strafen von bis zu 15 Jahren Haft rechnen, wie die polnische Landesstaatsanwaltschaft bereits Mitte April mitgeteilt hatte. Laut den Ermittlungen sollen drei Täter am Allerheiligen-Feiertag 2020 in das zu diesem Zeitpunkt unbewachte Amt am Niederrhein eingebrochen sein, mit einem professionellen Kernbohrer im Keller eine Wand durchgebohrt und den Safe der Behörde geknackt haben. Knapp 6,5 Millionen Euro Beute waren danach verschwunden. Bei dem Einbruch nach «Panzerknacker»-Manier soll ein vierter Mann Schmiere gestanden haben. Mitangeklagt sind unter anderem ein mutmaßlicher Tippgeber, der laut Anklage selbst deutscher Zoll-Mitarbeiter war, sowie eine Frau, die vor allem als Vermittlerin tätig gewesen sein soll. Dem mutmaßlichen Anführer mit dem Pseudonym «Cadra» wirft die Staatsanwaltschaft auch die Gründung und Leitung einer kriminellen Vereinigung vor. Fünf Angeklagte haben die polnische Staatsangehörigkeit, einer ist Bosnier, der mutmaßliche Tippgeber für den Millionendiebstahl ist Deutscher und Pole. Nach Auskunft der in Deutschland zuständigen Staatsanwaltschaft Kleve hatten die polnischen Behörden in dem Fall im engen Austausch mit den deutschen ein eigenes Verfahren eröffnet. Offensichtlich sei die Tat von Polen aus vorbereitet worden, so die deutsche Staatsanwaltschaft. Der Einbruch hatte schnell Spekulationen über eine «undichte Stelle» bei den Zollbehörden ausgelöst. Tatsächlich stellte sich bei den Ermittlungen heraus, dass der verdächtige Zoll-Mitarbeiter wohl wichtige Hinweise für das Verbrechen gegeben hat: Er habe den Mitgliedern der Gruppe Pläne des Tresors zur Verfügung gestellt. «Dieses Wissen war notwendig, um den Einbruch zu planen und vorzubereiten», so die polnischen Ermittler. Die Täter hätten dann mit Spezialbaugeräten «an der am wenigsten gesicherten Stelle» gebohrt. Im Mai 2022 waren nach aufwendigen Ermittlungen vier Verdächtige in Görlitz festgenommen worden - darunter der deutsche Zollbeamte. Gut vier Wochen später folgten drei weitere Festnahmen. Der Zugriff der polnischen Behörden vom Mai verlief dabei ähnlich spektakulär wie die Tat: In einem von der polnischen Polizei veröffentlichten Video ist zu sehen, wie schwer bewaffnete Spezialkräfte eine Tür aufsägen, Blendgranaten zünden und eine verdächtige Wohnung stürmen. Ein Verdächtiger wurde nur mit Unterhose bekleidet und am Boden liegend gefilmt. Bei dem Zugriff beschlagnahmte die Polizei auch größere Mengen Bargeld - möglicherweise aus der Beute des Einbruchs, die bis dahin spurlos verschwunden gewesen war. Es sei mit den polnischen Behörden vereinbart, dass sichergestellte Teile der Beute an die deutsche Zollverwaltung zurückgezahlt würde, teilte die Staatsanwaltschaft Kleve mit. Wie die Fahnder nach rund anderthalb Jahren ohne äußerlich sichtbares Ergebnis der mutmaßlichen Panzerknacker-Bande plötzlich auf die Spur gekommen sind, behielten die deutschen Ermittler für sich. Nach polnischen Medienberichten sollen die Tatbeteiligten sich über die Verteilung der Beute gestritten haben und damit den Behörden aufgefallen sein. Für den Fall wurden laut Gericht zunächst drei Verhandlungstage angesetzt. Zwölf Zeugen seien geladen. Die Verhandlung könne sich aber hinziehen. Die Akten zu dem Millionencoup umfassen laut Gericht mehr als 30 Bände.