Überraschende Wende im Prozess um den gewaltsamen Tod eines 56-jährigen Obdachlosen in einem Neusser Zeltlager: Das Düsseldorfer Landgericht hat den Angeklagten freigesprochen. Er war wegen Mordverdachts angeklagt worden.
Zur Begründung nannte der Vorsitzende Richter Rainer Drees die extrem widersprüchliche Aussage des Hauptzeugen. Er entschuldigte sich beim Angeklagten. Ein 50-jähriger Obdachloser hatte als Zeuge in der Verhandlung mehrfach den bei der Polizei und im Ermittlungsverfahren gemachten Angaben widersprochen.
Zum Prozessauftakt hatte der Angeklagte in der vergangenen Woche jegliche Tatbeteiligung bestritten. Vielmehr habe es einen Streit in der Obdachlosen-Szene zwischen dem 56-Jährigen und einem 39-Jährigen um einen Zeltstandort gegeben, sagte er am ersten Prozesstag.
Vorwurf: gemeinschaftlicher Mord
Der mutmaßliche 39-jährige Mittäter hat sich in der Untersuchungshaft das Leben genommen. Deshalb stand in dem Verfahren nur der 46-jährige Angeklagte vor Gericht. Dem Ukrainer mit griechischem Pass hatte die Staatsanwaltschaft gemeinschaftlichen Mord vorgeworfen.
In der Anklage hieß es, zuerst habe der 39-Jährige auf den 56-Jährigen eingeschlagen. Als das Opfer am Boden lag, habe sich der Angeklagte eingeschaltet und gemeinsam mit dem anderen Mann massiv auf das Opfer eingeprügelt. Beide sollen den schwer verletzten Mann in sein Zelt getragen haben, wo er starb.
Das hatte der Angeklagte zum Auftakt bestritten und erklärt, er habe dem 56-Jährigen nach dessen Streit mit dem 39-Jährigen aufgeholfen. Zu zweit hätten sie den Mann ins Zelt gebracht. «Am nächsten Morgen habe ich ihm noch eine Zigarette gedreht», sagte der Angeklagte. Als sie Stunden später aus der Innenstadt zurückgekommen seien, hätten sie den Mann leblos im Zelt vorgefunden und die Polizei verständigt.
«Ich habe damals das ausgesagt, was man von mir hören wollte»
Die schweren Gesichts- und Kopfverletzungen des 56-jährigen Toten erklärte der Angeklagte am ersten Verhandlungstag damit, dass dieser an jenem Abend im Neusser Ortsteil Grimlinghausen mehrfach am Rheinufer gestürzt sei.
In der Fortsetzung der Verhandlung an diesem Dienstag wies Richter Drees den Hauptzeugen wiederholt eindringlich darauf hin, nur auszusagen, was er wirklich wisse. «Bedenken sie, für den Angeklagten geht es hier um eine mögliche mehrjährige Haftstrafe.»
Zuletzt räumte der obdachlose Hauptzeuge auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters ein: «Ich habe damals das ausgesagt, was man von mir hören wollte.» Der Staatsanwalt reagierte und forderte einen Freispruch für den 46-Jährigen. Der Haftbefehl gegen den Angeklagten wurde aufgehoben und eine Entschädigung für die fast sechsmonatige Untersuchungshaft zugesprochen.