Bielefeld. Der heiße Sommer sorgt für Unmut bei den Landwirten. Während Futtermittel knapp wird und dort der Preis steigt, drücken Fleischereien, Molkereien und Discounter die Preise für Milch und Fleisch. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordert den Einzelhandel zu fairen Preisen auf. „Wenn Aldi den Butterpreis, wie vor einigen Tagen geschehen, um zehn Cent auf 1,75 Euro senkt, mögen sich vielleicht einige Verbraucher darüber freuen", sagt AbL-Bundesgeschäftsführer Georg Janßen. Für die Milchviehbetriebe sei das hingegen eine „Kampfansage".
Die größte deutsche Molkerei, das Deutsche Milchkontor (DMK), zahle den Bauern aktuell 34 Cent pro Liter. Zu wenig, findet Jost Grothaus. „Der Preis spiegelt nicht wider, was an Wert drin steckt", sagt der Milchbauer aus Rödinghausen. Wenn der Preis so bliebe, wäre er noch zufrieden. Die Nachfrage der Verbraucher sei zwar da, doch die Produktion verlaufe rückläufig. „Wir produzieren in unserem Betrieb rund 2,5 Millionen Liter Milch pro Jahr", sagt Grothaus. Durch die lange Trockenheit erwartet er für diesen Sommer aber Einbußen von rund zehn Prozent.
Das Problem: Unter den hohen Temperaturen leiden die Milchkühe. Bei über 25 Grad fühlen sich die Tiere nicht wohl und produzieren weniger Milch, so Grothaus. Die Futterknappheit wegen der Trockenheit ist ein weiteres Problem. Die Folge: Einige Milchbauern geben ihre Tiere früher zum Schlachter als geplant. Daher wird momentan mehr Fleisch produziert, als nachgefragt wird. Für Fleischkonzerne wie Tönnies bedeutet das, dass sie den Erzeugerpreis für Rindfleisch in den vergangenen vier Wochen gesenkt haben.
Dagegen ist der Schweinepreis laut André Vielstädte, Pressesprecher bei Tönnies, in den vergangenen Wochen wieder gestiegen, zuletzt um 16 Cent auf aktuell 1,51 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. Bei den hohen Temperaturen fräßen die Schweine weniger und nähmen weniger zu, zum Nachteil der Schlachter. Dadurch gebe es momentan weniger Schweinefleisch auf dem Markt, was den Preis erhöhe, erklärt Vielstädte. Ab Herbst werden sich Angebot und Nachfrage wieder einpendeln, glaubt er.
Für die Landwirte in OWL ist der Preisverfall nicht nachzuvollziehen. „Das ist eine Unverschämtheit", sagt Hubertus Beringmeier, Bezirksvorsitzender des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV) in OWL. Die Erzeugerpreise zu senken, sei momentan der falsche Weg. „In der gleichen Kalenderwoche 2017 lag der Preis bei 1,71 Euro pro Kilo Schweinefleisch", sagt er. Damit sei die Schweinehaltung momentan nicht rentabel. Das hätte zur Folge, dass kleine Betriebe dichtmachen müssten. „Das Verramschen von hochwertigen Fleischwaren ist ein Hohn in den Augen der vielen Tierhalter, die in diesen Tagen in Westfalen-Lippe versuchen, ihre Betriebe trotz einer oft schlechten Ernte über Wasser zu halten." Der Schweinebauer sieht die Discounter in der Pflicht. „Mit 1,80 Euro pro Kilo könnten alle gut leben."
Grundsätzlich kann Tönnies die Kritik verstehen. „Die Anforderungen an Landwirte steigen. Der Aufwand für mehr Tierwohl muss vom Handel honoriert werden", sagt Vielstädte. Ein Hilfspaket für Landwirte in Milliardenhöhe lehnt Beringmeier ab. „Ich halte nichts davon." Die durch die Dürre entstandenen Verluste könnten nur durch faire Erzeugerpreise ausgeglichen werden. „An der Diskussion um faire Preise geht kein Weg vorbei, wenn kurzfristig Hilfe ankommen soll", erklärt die AbL. Es gebe eine Verantwortung des Einzelhandels auch jenseits des Preiswettbewerbs. Beringmeier: „Es ist ernüchternd, dass die Verantwortlichen in den Führungsetagen von Aldi, Lidl, Rewe, Edeka und Co dies immer wieder ignorieren."
Meinungsbörse: Qualität hat ihren Preis
von Fabian Herbst
Der trockene und heiße Sommer beeinträchtigt die Milch- und Fleischproduktion. Das spiegelt sich in den Erzeuger- und Ladenpreisen wider. Zum Leidwesen der Landwirte – mal wieder. Während die Unterhaltungs- und Futterkosten sowie die Anschaffungskosten der technischen Geräte in den vergangenen Jahren gestiegen sind, haben sich die finanziellen Erträge der Bauern nicht angepasst. Kleine Betriebe können gerade so die laufenden Kosten decken.
Eine qualitative Landwirtschaft ist dadurch nur noch schwer möglich, denn die hat ihren Preis. Mancher Verbraucher, der viel Wert auf hohe Qualität legt, möchte bei Lebensmitteln aber nicht den entsprechenden Preis zahlen. Das macht die Landwirtschaft hierzulande früher oder später unrentabel und lässt Bauern die Flinte ins Korn werfen.
Faire Erzeugerpreise und eine vernünftige Bezahlung landwirtschaftlicher Leistungen sind eine Notwendigkeit. Ein paar Cent mehr für Butter oder Fleisch tut Verbrauchern nicht weh.