Lübbecke. Die Sonne brennt aufs Autodach: Den Selbstversuch in sengender Hitze auf dem Parkplatz Kanzlers Weide in Minden unternimmt der angehende Journalist Helge Hoffmeister aus freien Stücken. Der Hintergrund ist jedoch äußerst ernst. Immer wieder werden Kinder und Tiere in heißen Fahrzeugen zurückgelassen – oft mit fatalen Folgen. Wie schnell die Hitze in einem abgestellten Auto unerträglich wird, zeigt dieser Erfahrungsbericht.
BEGINN
Die Tür fällt ins Schloss. „Moment, geht es jetzt schon los?", rufe ich noch durch die Scheibe. Von außen noch ein aufmunterndes Nicken. Sehr schön. Ich sehe mich kurz um. Ich sitze in einem normalen Kleinwagen, den Sitz habe ich extra weit zurückgestellt, so dass ich mehr Platz für meine Beine habe. Von außen dringen dumpf ein paar Stimmen hinein. Sonst ist es ganz still. Es ist heiß. Schon jetzt. Aber noch ist es erträglich. Insgesamt sollte ich 30 Minuten im Inneren verbringen. Die ersten zwei bis drei Minuten passiert da noch nicht wirklich etwas. Ich sitze also eher einfach nur da, und warte darauf, dass etwas passiert. Ich gucke hinaus, beobachte die Radfahrer an der Weser und sehe gelegentlich auf die Uhr. Es ist ein bisschen stickig, aber so war es die letzten paar Tage schließlich auch an der frischen Luft.
ERSTE SPUREN
Schon nach fünf Minuten fühlt es sich ganz anders an. Die Temperatur im Inneren ist mittlerweile eindeutig viel höher als außen. Auf meiner Rückhand bildet sich der erste Schweiß. Das Glas meiner Armbanduhr beschlägt leicht. Am Rücken, wo ich mich gegen den Sitz lehne, wird es unangenehm warm. Und auch der Kopf spürt die ersten Auswirkungen: Es wird immer schwerer, klare Gedanken zu fassen. Ich versuche mich an kleinen Matheaufgaben, und ich brauche deutlich länger als üblicherweise. Was mir hilft, ist die Gewissheit, dass ich die Tür jederzeit öffnen könnte. Ein Hund oder ein kleines Kind könnten das jetzt nicht. Sie wissen nicht, wann es endlich vorbei ist, wann und ob ihnen jemand hilft. Diese Ungewissheit will ich mir gar nicht ausmalen.
HITZE
Nach rund der Hälfte der Zeit sind meine Arme vollständig mit kleinen Schweißperlen bedeckt. Wegwischen hat auch keinen Sinn mehr, denn ich habe nichts mehr, womit ich sie trocknen könnte. Mein T-Shirt klebt fest, und auf meinen Oberschenkeln breiten sich langsam große Flecken aus. Mein Blick schweift nach draußen, und ich sehe, wie sich die Äste der Bäume im Wind bewegen. Was würde ich im Moment dafür geben, diese leichte Brise auch zu fühlen. Hier drin ist es wie in einer Sauna. Nur vielleicht etwas stickiger. Die Temperatur liegt bei 45 Grad. Sauerstoff? Gefühlt nicht mehr viel enthalten. Meine Zunge ist ganz pelzig, es wird schwieriger, etwas zu sagen. Mein Atem, egal ob durch die Nase oder durch den Mund, fühlt sich sogar noch heißer an. Bei jeder noch so kleinen Bewegung kann ich die warme Luft auf meiner Haut spüren.
HÖLLE
Es sind die letzten fünf Minuten. Bisher war es zwar nicht gerade angenehm, aber immer noch tolerierbar. Jetzt, ganz plötzlich merke ich, wie sich etwas ändert. Ich kann nicht mal genau sagen, was, aber mein Körper beginnt, meinem Gehirn nur noch einen Gedanken zu senden: Ich muss hier raus, und zwar sofort! In Strömen rollen Schweißtropfen hinunter, am Hals, an der Schläfe, an den Armen. T-Shirt und Hose sind beide vollkommen schweißgetränkt. Auch meine Gedanken beginnen nur noch darum zu kreisen, wann ich aussteigen darf. Es sind mittlerweile mehr als 50 Grad. Die Luft enthält gefühlt kaum noch Sauerstoff. Ich möchte hier raus.
MINUTE 28
Ich wische mir mit der Hand übers Gesicht. Meine Handfläche ist klitschnass. Jeder Atemzug ist anstrengend. Mein ganzer Körper gibt mir das Signal: Es ist zu heiß. Ich will hier raus.
ERLÖSUNG
Der Moment, in dem ich die Tür öffne, ist unglaublich. Obwohl es draußen deutlich über 30 Grad sind, fühlt es sich so an wie ein Kopfsprung im Freibad. Alle Sinne spielen auf einen Schlag verrückt, gierig atme ich die frische Luft tief ein. Es ist ein wunderbares Gefühl. Die Flasche Wasser, die man mir reicht, ist sogar noch besser. Beziehungsweise, als ich sie endlich geöffnet habe. Meine Hände zittern, und ständig rutscht meine Hand vor lauter Schweiß von dem Deckel ab. Mir vorzustellen, dass ich es noch eine weitere halbe Stunde oder am Ende sogar noch länger im Auto hätte aushalten müssen, ist grässlich bis unmöglich. Das würde ich niemandem zumuten wollen.