Düsseldorf. Die Prognosen zum Wirtschaftswachstum im neuen Jahr fallen mittlerweile verhaltener aus als noch vor Monaten. Von einem „Luftholen der Konjunktur" spricht Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln. Die meisten Erwartungen pendeln um einen Wert von 1,5 Prozent. Das ist immerhin ein Prozentpunkt weniger als vor einem Jahr.
Das lässt aber die Gewerkschaften unbeeindruckt. Sie gehen in die Tarifrunde 2019 mit ähnlichen Forderungen wie im ablaufenden Jahr, obwohl doch zum Jahreswechsel die Perspektiven nicht so glänzend sind wie vor 12 Monaten. Als durchschnittliche Richtgröße bahnen sich erneut Lohnforderungen um sechs Prozent an.
Für insgesamt 7,3 Millionen Beschäftigte sind 2019 neue Tarifverträge auszuhandeln. Damit fällt diese Tarifrunde etwas kleiner aus. 2018 haben die DGB-Gewerkschaften für 9,7 Millionen Arbeitnehmer neue Gehaltsabkommen mit den Arbeitgebern vereinbart. Schwergewichte sind 2019 die Verhandlungen für die Tarifbeschäftigten der Länder. Es folgen der beschäftigungsintensivere Handel und später auch die chemische Industrie. Die Lohnlokomotive IG Metall hat unterdessen Verhandlungspause.
An diesem Mittwoch werden der Beamtenbund und die Gewerkschaft Verdi ihre Gehaltsforderung für die rund eine Million Tarif-Mitarbeiter der Länder beschließen. In der Einkommensrunde bei Bund und Kommunen im Frühjahr hatten sie sechs Prozent, mindestens aber 200 Euro verlangt. Es ist nicht zu erwarten, dass Frank Bsirske und Ulrich Silberbach, die beiden Vorsitzenden der Arbeitnehmerorganisationen, die Länder schonender behandeln werden. Angesichts deren spürbar besseren Finanzlage, die Einnahmen übersteigen die Ausgaben deutlich, gibt es dazu für Verdi und DBB keinen Grund.
Auch die immer größer werdenden Probleme der öffentlichen Hand bei der Besetzung freier Stellen machen es aus Sicht der Gewerkschaft unbedingt notwendig, die Bezahlung zu verbessern, um auf dem Arbeitsmarkt als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. In internen Papieren ist deshalb von sechs Prozent die Rede. Die Verhandlungen, deren Ergebnis auch mittelbar von Bedeutung ist für 2,3 Millionen Beamte und Pensionäre, beginnen am 21. Januar.
Etwas früher startet die Stahl-Tarifrunde. Sechs Prozent hat sich auch hier die Gewerkschaft auf die Fahnen geschrieben. Zudem verlangt die IG Metall die Einführung eines Urlaubsgeldes in Höhe von 1.800 Euro. Diese Leistung soll wahlweise in freie Tage umgewandelt werden können. So wie es Ende letzter Woche bei der Bahn ähnlich bezüglich der Gehaltssteigerung vereinbart wurde.
Den Banken geht es zwar nicht ganz so gut wie den Stahlkochern, aber sechs Prozent ist auch hier die offizielle Zielmarke der verhandelnden Gewerkschaft Verdi. Das sei aber „weit entfernt von dem, was wir uns leisten können", urteilt Karl von Rohr, Verhandlungsführer der Arbeitgeber.
Für die Tarifverhandlungen im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie in der Ernährungsbranche hat der Vorstand der zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) den jeweiligen Tarifkommissionen empfohlen, Einkommenssteigerungen zwischen 5,5 und 6,5 Prozent zu fordern. Der neue NGG-Vize Freddy Adjan urteilt dazu: „Das Gastgewerbe und der Tourismus boomen." Es gilt als sicher, dass auch für die Beschäftigten im Handel und in der chemischen Industrie ähnlich hohe Gehaltssteigerungen gefordert werden.
So viel steigen die Gehälter 2019
In der Gehaltsentwicklungsprognose des Personalberatungs-Unternehmens Kienbaum wurde errechnet, wie groß die Gehaltssteigerungen im neuen Jahr durchschnittlich ausfallen werden.
In Deutschland steigen die Gehälter nominal im Schnitt um 3,2 Prozent, das entspricht einer Reallohnsteigerung von 1,1 Prozent. Ähnlich verhält es sich in Österreich, während die Niederlande eine Stagnation erwarten – dort verbleiben die Löhne konjunkturbereinigt auf dem Niveau des Vorjahres.