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Mobilität

Verbraucherschützer warnen: Versicherer haben Auto-Daten im Auge

Das geplante europäische Datengesetz wird nach Einschätzung der Allianz das Autofahren verändern. Der größte deutsche Versicherer hofft auf neue Geschäftsmöglichkeiten.

Autos, die selbstständig die nächste Parklücke ansteuern oder automatisch die Werkstatt alarmieren: Das geplante EU-Datengesetz könnte nach Einschätzung der Allianz-Versicherung das Autofahren in Europa verändern. Wenn Brüssel die Hoheit über die von heutigen Fahrzeugen produzierte Datenfülle den Autobesitzern überträgt, könnten Versicherer und andere Unternehmen mit diesen Daten neue beziehungsweise bessere Dienstleistungen anbieten. Und der Verkehr könnte sicherer werden, argumentierte Allianz-Vorstand Klaus-Peter Röhler beim alljährlichen Autotag des Konzerns in Ismaning bei München.

Moderne elektronische Geräte vom Rasenmähroboter über den Thermomix bis zum Auto erzeugen eine Unmenge von Daten. Die wecken vielfach Begehrlichkeit. Um Verbraucher gegenüber Unternehmen dabei nicht allein zu lassen, hat die EU diesen Sommer ein Gesetz zur Weitergabe von Gerätedaten aller Art auf den Weg gebracht, das 2025 in Kraft treten soll.

„Wir begrüßen das EU-Gesetz, es schafft einen Marktplatz für Daten“, sagt Frank Sommerfeld. Er ist Chef der deutschen Allianz-Tochter und damit des hinter Huk zweitgrößten Kfz-Versicherers der Republik. Die Allianz will an handelbar gemachte Daten, die ein Auto erzeugt, um Risiken besser abschätzen, Dienste verkaufen und Kunden an sich binden zu können.

Teilen von Daten zur Unfallaufklärung

Das machte der Assekuranz-Riese an seinem jährlichen Autotag im Allianz-Technikzentrum in Ismaning bei München klar, der diesmal ganz im Zeichen der Nutzung automobiler Daten stand. Die Pläne dazu klingen partnerschaftlich. Sommerfeld beschreibt die mögliche Zukunft am Beispiel eines Unfalls. Würden dazu in Echtzeit und automatisch Daten an den Kfz-Versicherer übermittelt, könne der einen Abschleppwagen bestellen, in der Autowerkstatt einen Termin buchen, online als beschädigt gemeldete Ersatzteile bestellen und auch objektiv den Unfallverursacher ermitteln.

Vor allem Letzteres zieht beim Verbraucher. Den hat die europaweit Allianz zum Datenteilen befragt. Bei Unfallaufklärung waren zwei von drei Deutschen aufgeschlossen, was sich nicht groß von Spaniern, Italienern oder Briten unterscheidet. Zur Unfallregulierung waren nur noch 58 Prozent deutscher Autofahrer für ein Teilen von Daten zu begeistern. Jeder zweite Befragte fürchtet aber auch Datenmissbrauch und bezweifelt, dass Daten nur anlassbezogen genutzt würden.

Um automobile Daten zu teilen, sollte man aber wenigstens wissen, welche ein Auto überhaupt sammelt. „Die Bevölkerung hat keine Ahnung, was im Auto gespeichert wird“, referiert Sommerfeld ein weiteres Befragungsergebnis. Das fördert nicht gerade rationale Verbraucherentscheidungen.

Nutzer wollen Daten selbstständig löschen

Moderne Autos wissen, wie viele Menschen, wo im Wagen sitzen. Sie erfassen Brems- wie Beschleunigungsphasen und damit das Fahrverhalten sowie Fahrtstrecken. Sie speichern, mit wem telefoniert wird oder können über Kameras und Sensoren freie Parkplätze erfassen und vieles mehr. Dieses gesammelte Wissen im Paket weiterzugeben, dürfte eher wenige Fahrzeughalter begeistern.

Darauf weist schon, dass mehr als drei von vier Befragten eine einfache Möglichkeit wollen, um von ihrem Fahrzeug gesammelte Daten selbst wieder löschen zu können.

Die Allianz beteuert, nicht nur auf ein Maximaldatenpaket im Sinne von "alles oder nichts" zu schielen. „Es kann Abstufungen geben, abhängig von der Gegenleistung für den Versicherten“, sagt Sommerfeld. „Wir fordern aber einen herstellerunabhängigen Mindestdatensatz“, erklärt der Chef des Allianz-Technikzentrums, Christoph Lauterwasser. Das würde den künftigen Markt für automobile Daten beflügeln. Er spricht von einigen hundert Datenpunkten zum Fahrverhalten oder dem Zustand der Hochvoltbatterie eines Elektroautos, die stets nur anlassbezogen an einen Versicherer wie die Allianz übermittelt werden würden.

Details muss die EU noch regeln

Inwiefern das dann für Verbraucher wirklich nachvollziehbar bleibt, ist eine andere Frage. Davor warnen auch Verbraucherschützer wie der Verbraucherzentrale Bundesverband. Die Folgen, die freiwilliges Teilen von Daten haben kann, sei von den meisten Menschen nur schwer zu überblicken. Unternehmen könnten dieses Unwissen ausnutzen, um falsche Anreize zu setzen und Verbraucher zu übervorteilen. Am Ende dürfte wie so oft bei Versicherungsverträgen das Kleingedruckte entscheidend sein. Das gibt es für die Weitergabe automobiler Daten noch nicht.

Solche Details müsse die EU noch regeln, betont die Allianz. Auf Landesebene gilt das auch für die Frage, wer genau Daten sammeln und weitergeben darf. Der Assekuranz-Riese plädiert hier in Deutschland für einen Treuhänder wie das Kraftfahrtbundesamt.

Davon, wie man Kunden dazu bringt, Daten zu teilen, hat Sommerfeld auch eine Vorstellung. „Das wollen wir mit Services und Prämienrabatt erreichen“, sagt der Manager. Technikexperte Lauterwasser glaubt, dass es beim Auto über kurz oder lang wie beim Surfen im Internet läuft. Da teilten Nutzer ihre Kommunikationsdaten heute auch recht offen mit Konzernen wie Google.

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