Geht es nach der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), müssten Arbeitnehmer und Rentner bald keine Steuererklärung mehr machen. Stattdessen würden alle relevanten Steuerdaten digital und automatisch erfasst werden, das System könnte dann monatlich einen Lohnsteuerausgleich errechnen, der sich sofort auswirken würde.
Das könnte nicht nur Millionen Menschen Zeit und Nerven sparen. Die Mitarbeiter in den Finanzämtern, deren Interessen die DSTG vertritt, hätten ebenfalls mehr Zeit, zum Beispiel um sich um das wachsende Problem der Steuerkriminalität zu kümmern.
Deshalb denkt auch die Bundesregierung in diese Richtung. „Wir setzen uns für eine Steuervereinfachung durch Typisierungen, Vereinfachungen und Pauschalierungen ein”, heißt es im Koalitionsvertrag von Union und SPD. Arbeitnehmer und Rentner sollen „von Erklärungspflichten so weit als möglich entlastet werden“. Doch ist die Automatisierung so einfach? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wie sieht der erste Schritt im Stufenplan der Gewerkschaft aus?
Demnach würde jeder Rentner und jeder Arbeitnehmer, der ausschließlich Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit hat, im ersten Schritt eine vorausgefüllte Steuererklärung bekommen. Diese könnte im Februar in einem digitalen Bürgerportal oder über Elster, das Internetportal des Finanzamts, zugestellt werden, erklärt der Vorsitzende der DSTG, Florian Köbler. Er hält das schon 2026 für machbar. Anschließend hätten die Empfängerinnen und Empfänger Zeit, Ergänzungen zu machen. In vielen europäischen Ländern wird das schon so gehandhabt, zum Beispiel in Österreich.
Kann mir nicht jetzt schon Elster oder eine Steuersoftware eine automatische Steuererklärung erstellen?
Das stimmt. Aber in dem Fall kommt der Impuls vom Steuerpflichtigen, er oder sie muss der Steuersoftware den Auftrag erteilen, die Daten digital zusammenzutragen. Der Steuerzahler ist verantwortlich für die Vollständigkeit der Angaben und muss die Steuererklärung auch einreichen.
Die Gewerkschaft möchte, dass künftig alle eine vorausgefüllte Steuererklärung bekommen – also nicht nur die rund 26,5 Millionen Arbeitnehmer, die derzeit schon eine Steuererklärung abgeben, sondern auch die 20 Millionen Menschen, die das noch nicht tun. Der Impuls käme von der Steuerbehörde, und sie würde den gesamten Prozess kontrollieren.
Was wäre der nächste Schritt im Aktionsplan?
So richtig interessant könnte es dann im nächsten Schritt werden, nach Vorstellung der Gewerkschaft im Steuerjahr 2028. Denn dann müssen ohnehin alle Unternehmen elektronische Rechnungen stellen und empfangen. Das sei auch für die automatisierte Steuererklärung ein entscheidender Faktor, sagt Köbler. In seinem Modell wäre dann für die meisten Menschen in Deutschland keine Steuererklärung mehr nötig. Als Beispiel nennt er das Absetzen von Kinderbetreuungskosten: „Die Kita stellt eine elektronische Rechnung, die über einen staatlichen Kanal den Eltern zugestellt wird. Der Algorithmus erkennt, dass es sich um eine Kita-Rechnung handelt, und kann die Steuer-ID auf der Rechnung den Eltern zuordnen.“
Aber was ist mit den Werbungskosten?
Die könnten Arbeitnehmer dann nicht mehr individuell von der Steuer absetzen. Denn es würde die Möglichkeit fehlen, Kosten für den Laptop, die Fortbildung oder den Arbeitsweg einzeln einzutragen. Stattdessen müsste die Werbungskostenpauschale erhöht werden, zum Beispiel auf 2.000 Euro, meint Köbler.
Wie würden Spenden steuerlich geltend gemacht?
Auch Spendenquittungen können bald digital erfasst werden. Das Bundeszentralamt für Steuern baut gerade ein sogenanntes Zuwendungsempfängerregister auf, in dem künftig alle gemeinnützigen Organisationen gelistet sein sollen, die in Deutschland Spendenquittungen ausstellen. Organisationen, die dort registriert sind, können seit diesem Jahr auch elektronische Spendenbescheinigungen ausstellen.
Und haushaltsnahe Dienstleistungen?
Es ist schwierig, den Fensterputzer oder die Nachhilfelehrerin so zu bezahlen, dass das Finanzamt die Rechnung digital erfassen kann. Die DSTG will die steuerliche Begünstigung von haushaltsnahen Dienstleistungen deshalb komplett abschaffen. Diese war auch eingeführt worden, um Schwarzarbeit einzudämmen. Dass dieses Ziel erreicht wurde, habe aber nie nachgewiesen werden können, so Köbler.
„Wir müssen uns insgesamt entscheiden, ob wir den Versuch einer perfekten Einzelfallabrechnung machen wollen oder nicht.“ Vielleicht ließen Einzelne im neuen Modell mal 50 Euro oder mehr liegen, dafür sparte man sich zum Beispiel die Kosten für den Lohnsteuerhilfeverein.
Wer würde von der Abschaffung der Steuererklärung profitieren?
Zum Beispiel viele der rund 20 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die derzeit keine Steuererklärung machen, weil es ihnen zu kompliziert ist. Den meisten von ihnen stünde nämlich eine Rückzahlung zu. Und die rund 26,5 Millionen Arbeitnehmer, die jedes Jahr um diese Zeit mit ihrer Steuererklärung ringen, könnten sich das sparen.
In den Finanzbehörden würde die Arbeitslast sinken, was schon deshalb wichtig ist, weil dort laut DSTG 2030 ein Drittel weniger Personal verfügbar sein wird. Außerdem könnten die Kräfte umverteilt werden, um Steuerbetrug zu bekämpfen.