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Detmold

So schön war das Straßentheater-Festival in Detmold

Detmold. Das Europäische Straßentheater-Festival „Bildstörung" 2016 ist vorbei. Die vielen Fans der Kunst im öffentlichen Raum haben einmal mehr ein vom Kultur-Team der Stadt Detmold fein konzipiertes, exquisites Programm erlebt. Und sie trotzten dem unbeständigen Wetter in erstaunlich hoher Zahl und bei überwiegend guter Laune. Der rechte Festival-Swing wollte allerdings nicht aufkommen. Kein Wunder: Zu kalt und nass war es für abendliches Chillen und Feiern in der einladend gestalteten Lounge auf dem Schlossplatz. Kompliment an die Künstler, die ihre Programme durchzogen. Eine der rund 60 Aufführungen verschob sich, eine weitere musste komplett abgesagt werden – nur eine. Ein paar Festival-Impressionen.

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Bilanz: Sabine Kuhfuss vom Kultur-Team Detmold, künstlerische Leiterin des Festivals, ist zufrieden mit dem Verlauf der Bildstörung. „Es waren aufgrund des Wetters zwar weniger Besucher unterwegs als sonst, aber angesichts von Temperaturen von gerade mal 6 Grad am Abend waren es dann doch wieder erstaunlich viele." Vor allem das Flanierpublikum sei ausgeblieben – die echten Straßentehater-Fans hätten dem Festival jedoch die Treue gehalten. Besonders gut sei die Klanginstallation „Harmonic Fields" am Hangar 21 angekommen – dort hätten die Zuschauer Schlange gestanden.

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15ft6: Zu Publikumslieblingen avancieren schnell die Artisten der Formation 15ft6. An ihrem Masten und auf dem von starken Schultern gestemmten Schwungbalken führen die Mitglieder die Gesetze der Schwerkraft an ihre Grenzen. Sie turnen, springen, schlagen Doppel-Salti – und betten ihre artistischen Spitzenleistungen ein in eine mit handfestem Witz und jeder Menge Charme erzählte Geschichte. Zeitgemäße Zirkuskunst, die auch heute noch funktioniert und ihre Berechtigung hat.

Besucherstimmen: Petra Quade und Karl-Heinz Hoffburg, die sich soeben im wie ein Speed-Dating-Arrangement anmutenden „Micro Shakespeare"-Theater von Cía Toti Toronell / Laitrum Teatre aus Spanien haben verzaubern lassen, sind aus Oldenburg angereist. Nicht zum ersten Mal: Beim Festival 2014 sind sie auf den Geschmack gekommen. Aus Lübbecke sind Amélie Heinz und Lebensgefährte Elmar Hornung nach Detmold gekommen. Sie sind zum ersten Mal dabei, sind angetan von der Vielfalt der angebotenen Produktionen, dem Charme der Detmolder Innenstadt – und bedauern nur eines: „Ich hätte Schal, Mütze und Winterjacke einpacken sollen", sagt Amèlie Heinz. Die Kälte hält sie allerdings nicht davon ab, ihren voll gepackten Festival-Samstag vom frühen Nachmittag beim Spaziergang durch die „Harmonic Fields" am Hangar 21 bis zum späten Abend bei der „Southpaw Dance Company" an der Realschule 1 durchzuziehen.

Nackte Tatsachen beim Straßentheaterfestival in Detmold - © Vera Gerstendorf-Welle
Nackte Tatsachen beim Straßentheaterfestival in Detmold (© Vera Gerstendorf-Welle)

Zum Stammpublikum zählt sich auch die fünfköpfige Familie Beermann aus Bad Salzuflen. Allerdings, sagt Vater Reinhold, sei das Angebot für Kinder diesmal nicht so üppig wie in der Vergangenheit. „Und auf dem Schlossplatz habe ich ein Stück auf einer größeren Bühne ein bisschen vermisst." Wunschlos glücklich sind Nele und Sebastian. Die beiden 17-Jährigen waren schon als kleine Kinder Stammgäste beim Festival. „Straßentheater in Detmold ist ganz großartig", schwärmt Nele.

Theatre Fragile: Die Mitglieder der in Detmold ansässigen Formation Theatre Fragile verstehen sich bestens darauf, ihren Zuschauern ihre Botschaften eindringlich zu vermitteln. In ihrer sorgfältig gearbeiteten Inszenierung „Wir treffen uns im Paradies" machen sie deutlich, wie viel Mut und wie viel Kraft jeder winzige Schritt einer Flucht kostet. Viel brauchen sie dazu nicht. Eine Holzkiste wird vom Flüchtlingsboot zum Versteck zum kargen Zimmer in der Unterkunft. Bei Theatre Fragile sind Geflüchtete aus der Adenauerstraße Teil des (Masken-)Spiels. Und sie kommen zu Wort, ihre Aussagen werden per Lautsprecher eingespielt, finden Gehör. Am Ende entwirft die Gruppe um Marianne Cornil und Luzie Ackers einen Multi-Kulti-Basar, einen Markt des Miteinanders als eine hoffnungsvolle Zukunftsvision.

Appetithäppchen: Straßentheater-Leute kümmern sich um Leib und die Seele ihrer Zuschauer: In Refugee Origami Camp wird Afrikanisch gekocht, Brot gebacken und Bier gebraut, bei der Cía. Toti Toronell gibt’s Popcorn für die Theatergucker und Theatre Fragile serviert seinen Zuschauern nach dem eine volle Stunde andauernden Ausharren auf dem abendlichen Marktplatz eine wärmende Suppe. Und Tony Clifton hat Torte im Angebot – die will allerdings keiner. Komisch? Gar nicht – denn die Torte, so ist die Ansage, gäbe es voll ins Gesicht.

Das Angebot der Foodtrucks und Stände für die hungrigen Straßentheater-Fans reicht von Burgern und Burritos über Crèpes und Cocktails bis hin zu selbstgemachter Pasta. Kommt alles gut an, und auch die Detmolder Gastronomie hat gut zu tun. Für Künstler und Helfer gibt’s morgens, mittags und abends ein Buffet in der Stadthalle, heißer Kaffee zum Aufwärmen und Wecken der Lebensgeister steht den ganzen Tag parat. Und auf einmal weht weihnachtlicher Duft über den pfingstlichen Marktplatz – nanu? Einige Selbstversorger gehen mit Glühwein gegen die niedrigen Temperaturen an.

Refugee Origami Camp: „Ich kann eigentlich gehen, mich braucht hier offenbar keiner", sagt Frank Bölter lachend. Sein Refugee Origami Camp entwickelt sich über die Tage immer stärker zum Selbstläufer. Drei gefaltete Häuser standen zu Festival-Beginn, ein geplantes Detail war außerdem der Ofen, den Bäcker Mickel Biere zur Verfügung stellte. Alles andere wuchs nach und nach hinzu. Detmolder lieferten Sessel und Sofas an, Passanten brachten Mehl und Hefe vorbei, und immer wieder fanden sich Freiwillige, die daraus Brot buken. Architekt Hassan aus Aserbaidschan, der in der Flüchtlingsunterkunft an der Adenauerstraße lebt, erwies sich nicht nur als Häuserkonstrukteur, sondern auch als kundiger Bootsbauer. Unter Mithilfe zahlreicher Festivalgäste entstand ein gefaltetes Boot, in dem Bürgermeister Rainer Heller dann auf dem Schlossgraben in See stach.

Zeitzeugen-Begegnung: Déjà-vu für den künstlerischen Leiter und Kultur-Team-Chef Reinhold Seeg: Den kennst du doch, denkt er sich, als ihm ein Künstler zuwinkt. Stimmt: Gitarrist Pascal, diesmal mit der Crew Cie. Ex Nihilo in Detmold, war schon beim allerersten Festival vor 25 Jahren mit von der Partie, damals als Mitglied der Formation Généric Vapeur. Ein Wiedersehen, das bei Reinhold Seeg Erinnerungen auslöst, an ein Festival, bei dem in Detmold noch niemand so recht wusste, was es mit Straßentheater auf sich hat. Ein Zug durch die Stadt, der eine komplett andere Route nahm als geplant; eine Feierstunde zur Städtepartnerschaft, die unterbrochen werden musste wegen des Lärms von der Straße. Bei Ex-Bürgermeister Friedrich Brakemeier lief das Beschwerdetelefon heiß, und Reinhold Seeg selbst sorgte sich um seinen Job – schließlich war er noch in der Probezeit. Eine Begegnung mit Zeitreise-Potenzial: Back to „Bildstörung" 1991.

Unseren Livebericht vom Straßentheater-Festival mit Texten, Bildern und Videos gibt's hier zum Nachlesen:

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