Kreis Lippe. Wegen schweren Raubes und vorsätzlicher Körperverletzung hat das Jugendschöffengericht einen 20-Jährigen Mann aus Bad Salzuflen zu vier Jahren Jugendhaftstrafe verurteilt. Er hatte gemeinsam mit einem Mitbewohner am 13. Juni dieses Jahres die Lotto-Filiale in Bad Salzuflen-Knetterheide überfallen, um an Geld für Drogen zu kommen.
Nach anfänglichem Zögern legte der junge Haupttäter ein volles Geständnis ab. Sein Komplize wurde am Dienstag nicht verurteilt - sein Fall wird nun im Erwachsenenstrafrecht vor dem Landgericht Detmold verhandelt, und so lange bleibt der 25-Jährige in Haft.
Über den 25-jährigen Komplizen sprach das Jugendschöffengericht kein Urteil. Während der Verhandlung kamen allerdings unschöne Wahrheiten über den Mann ans Licht. Lesen Sie hier mehr dazu.
"Gib Geld her ich schieß Dich tot, Du Hure"
Die beiden Männer hatten den Morgen damit begonnen, Hasch zu rauchen und Kokain zu schnupfen, sie spülten mit Gin nach. Dann waren ihnen sowohl das Geld als auch die Drogen ausgegangen, berichtet der Jüngere. Sie hätten sich große Sorgen wegen des Nachschubs gemacht. "Da sind wir auf die nicht wirklich gute Idee gekommen, den Laden auszurauben."
Das Duo machte sich auf zu dem Lotto- und Tabakladen und wartete, bis kein Kunde mehr im Laden war. Dann ging der Hauptangeklagte, mit einer allerdings nicht geladenen Gaspistole in der Hand und einem Teleskopschlagstock im Rucksack, ins Geschäft, beschimpfte die Inhaberin: "Gib Geld her ich schieß Dich tot, Du Hure", soll er laut Anklage der Staatsanwaltschaft gerufen haben.
An den Haaren brutal über die Kasse gezogen
"Er hat mir sofort in die Haare gepackt und mich über die Kasse gezogen, so dass ich mich nicht mehr rühren konnte", berichtete die 53-Jährige im Zeugenstand. Irgendwann sei ihm allerdings auch aufgefallen, dass sie seiner Aufforderung in dieser niedergebeugten Haltung gar nicht hätte Folge leisten können. Er habe sie losgelassen, da sei ihm die Kasse vor die Füße gefallen.
Die niegelnagelneue Registrierkasse sprang auf, das bestätigte auch der Angeklagte, und er bückte sich, um das Geld zu greifen - etwa 610 Euro - während sie ins Hinterzimmer flüchtete, sich einschloss und die 110 wählte. 20 Minuten später gelang es der Polizei, die beiden Räuber zu fassen, die sich zwischendurch der Pistole entledigt hatten und gerade dabei waren, das Geld in zwei Verstecken zu deponieren.
"Ich habe sie nicht verletzen wollen, ich war total dicht"
Die Ladeninhaberin trug schwere Prellungen und blaue Flecke davon: "Eine Woche lang konnte ich nicht auf der linken Seite liegen, und ich habe zwei Wochen gebraucht, bis ich wieder auf dem Damm war", erzählte sie dem Schöffengericht.
Dass sie keine bleibenden Schäden davon getragen hat, trug ihr die Bewunderung von Verteidiger Johannes Salmen ein: "Sie sind ja eine ziemlich taffe Person", bescheinigte er ihr. Für den Angeklagten ein Glück, wie Richter Christian von Borries unterstrich: "Glücklicherweise hat Ihr Opfer keine dauerhaften Schäden davon getragen, Ihr Überfall hätte sogar dazu führen können, dass sie ihren Job nicht mehr hätte ausüben können.
"Es tue ihm leid, beteuerte der Räuber, "ich habe sie nicht verletzen wollen, ich war total dicht." Weniger von Drogen benebelt als eher fixiert darauf, an Geld für die nächsten Drogen zu kommen, wie der psychologische Gutachter dem Gericht erklärte. Denn die Drogenkarriere des jungen Mannes begann schon im frühen Teenageralter, und mit Drogenmissbrauch hängen auch seine Vorstrafen zusammen.
Vernachlässigt, kaum ernährt und geschlagen
Er bezieht eine Opferrente von monatlich 1400 Euro, weil er bis zum Alter von vier Jahren von seinen leiblichen Eltern massiv vernachlässigt, kaum ernährt und geschlagen worden ist. Seither hat er 40 Jugendeinrichtungen durchlaufen, wurde immer wieder herumgereicht. Noch im Gerichtssaal bot er an, den entstandenen Sachschaden im Lotto-Geschäft von 755 Euro zu begleichen und zusätzlich noch 2245 Euro Schmerzensgeld an sein Opfer zu bezahlen.
Das meiste seines regelmäßigen Einkommens gehe für Drogen drauf - "und wenn ich weiter im Knast bleibe, dann bleibt es auch dabei", sagte er. Ausdrücklich bat er darum, einen Entzug in einer geschlossenen Anstalt machen zu dürfen. "Es muss sich was ändern."
So ein Mensch wollte der Angeklagte nie werden
Am Ende entsprach das Gericht seinem Wunsch, den auch Staatsanwalt Alexander Görlitz und Verteidiger Johannes Salmen unterstützten. Es ging sogar noch über das von Görlitz geforderte Strafmaß hinaus und verhängte insgesamt eine Jugendstrafe von 4 Jahren, die Vorstrafen mit eingerechnet.
In die Suchtanstalt wird er allerdings erst in einem halben Jahr kommen - bei einer erfolgreichen, einjährigen Therapie könne dann die Resthaft eventuell zur Bewährung ausgesetzt werden. "Aber machen wir uns nichts vor", mahnte Richter Christian von Borries, "was Sie getan haben, fällt in die absolute Schwerkriminalität." Er solle die Chance nutzen, die das Urteil ihm biete. Das wolle er tun, versprach der Angeklagte. "So ein Mensch wollte ich nie werden."