Extertal-Linderhofe. 1944 bekam Peter Harlan das Kommando über die Burg Sternberg. Beim Einmarsch der Alliierten ein Jahr später handelte der Luftwaffenoffizier wohl gegen seine Befehle: Er brannte die Burg nicht ab – sondern überließ sie den Alliierten. Vor 50 Jahren starb der Mann, ohne den die Burg Sternberg heute nicht „Musikburg“ wäre.
Der Wahrheitsgehalt der Geschichte, dass der 1898 geborene Peter Harlan bei Kriegsende nicht zu den Kanistern voller Benzin griff, kann nur schwer überprüft werden. Stimmt sie, dann wäre ohne seine Weigerung wohl nur eine Ruine übriggeblieben. Doch die Geschichte beginnt eigentlich woanders. Peter Harlans Vater war Dramaturg, wie auch dessen anderer Sohn Veith, der Regisseur des antisemitischen Hetzfilms „Jud Süß“. Beide hatten gute Kontakte zur NS-Führung. „Peter Harlan selbst hat sich, soweit mir bekannt ist, nie über seine Zeit im Nationalsozialismus geäußert“, sagt Historiker Frank Huismann. Man habe ihn auch nie gefragt. Das sei aus heutiger Sicht sicherlich bedenklich, meint der Historiker.

Mit seiner Entscheidung, eine Ausbildung zum Gitarrenbauer einzuschlagen, fiel Peter Harlan in den Augen des Vaters wohl in die Rolle des schwarzen Schafes. Doch bei Gitarren sollte es nicht lange bleiben. Bald schon machte Harlan, der aus Sachsen nach Extertal gekommen war, sich an den Nachbau barocker Instrumente mit einfachen Mitteln. „Harlan war auf der Suche nach dem schönen Klang“, berichtet Frank Jendreck von der Kulturagentur des Landesverbands Lippe. Er kennt sich mit der Burg Sternberg und ihrer Geschichte aus. Einen großen Teil davon seit dem Zweiten Weltkrieg hat Peter Harlan geprägt.
Nach dem Krieg blieb Harlan auf der Burg. „Die Lage war für seine Zwecke perfekt. In der Umgebung hatte er reichlich Holz und gute Tischler zur Verfügung. Er wollte hier einen großen Instrumentenbau aufziehen“, erzählt Frank Jendreck. Unter anderem der Fachleutemangel in der Nachkriegszeit habe dies aber verhindert. Dennoch beschäftigte sich Harlan auf der Burg weiter mit der Restauration und dem Neubau von Instrumenten. Sein Gedanke war, Musik jedem zugänglich zu machen.
„Instrumente waren damals in der Regel sehr teuer und kompliziert zu bedienen. Die Anschaffung und den Unterricht konnten sich nur sehr wohlhabende Familien leisten“, erklärt Frank Jendreck. „Peter Harlan wollte dies ändern. Mit dem Instrumentenbau tat er das, was wir heute als ,Downsizing bezeichnen würden.“ Das werde besonders an der Blockflöte deutlich: Harlan baute diese nach barockem Vorbild nach, aber mit einfachsten Mitteln: „Je schlichter und schnörkelloser die Instrumente gebaut wurden, desto schneller und einfacher waren sie zu handhaben“, erläutert Frank Jendreck. Mit der Einführung der sogenannten deutschen Griffweise, die Harlan prägte, hätten Schüler ohne Anleitung erste Töne produzieren können. „Harlan revolutionierte damit den pädagogischen Musikunterricht.“
Der untere Teil der Burg wurde seit 1949 als Kreisjugendheim genutzt. Daraus ergab sich bald eine Zusammenarbeit mit Harlan – er gründete in der Oberburg eine Musikschulungsstätte. Die Schüler spielten ihre Instrumente nicht nur, sie bauten sie auch selbst. Diese Tradition wird auf der Burg weiter gepflegt. „Der Ansatz ist nach wie vor, die Instrumente so zu gestalten, dass sie vom Materialwert unter 10 Euro bleiben. Jeder soll es sich leisten können“, sagt Jendreck.
In Kursen auf der Burg, Kindermusikfreizeiten oder in der von Walter Waidosch betreuten Werkstatt spielen Instrumente und ihr Bau auf der Burg immer noch eine wichtige Rolle.
Daneben lassen sich im „Klingenden Museum“ etliche Bauten von Peter Harlan, seinen Schülern und seinen Söhnen, die nach seinem Tod 1966 dort übernahmen, ansehen – und spielen. „Das Museum ist zum Mitmachen da. Alles, was hier liegt, kann und soll auch benutzt werden“, unterstreicht Frank Jendreck.