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Küsterin Angela Grundmann zieht jede Woche die Uhr per Hand auf

Knochenjob im Kirchturm

Von Alexandra Strathmann

Jede Woche muss Angela Grundmann 49 Mal das Schlagwerk und 42 Mal das Uhrwerk kurbeln, bis beides wieder aufgezogen ist. Die Küsterin kennt die Uhr genau und weiß, welche Aufgabe jedes Zahnrad hat. - © Foto: Strathmann
Jede Woche muss Angela Grundmann 49 Mal das Schlagwerk und 42 Mal das Uhrwerk kurbeln, bis beides wieder aufgezogen ist. Die Küsterin kennt die Uhr genau und weiß, welche Aufgabe jedes Zahnrad hat. (© Foto: Strathmann)

Extertal-Almena. Die Kirchturmuhr in Almena ist 110 Jahre alt. Damit sie immer die richtige Zeit anzeigt, muss sie einmal in der Woche von Hand aufgezogen werden. Diesen Job erledigt Küsterin Angela Grundmann.

Kalt und zugig ist es im Turm der Kirche in Almena. Die Stufen der schmalen Treppe sind unterschiedlich hoch. Hier muss man auf jeden Schritt achten. Einmal in der Woche erklimmt Küsterin Angela Grundmann den Wehrturm aus dem Mittelalter. Oben angekommen, wartet ein Knochenjob auf die 47-Jährige: Sie muss die 110 Jahre alte Turmuhr aufziehen.

"49 Umdrehungen beim Schlagwerk, 42 bei der Uhr", erzählt Angela Grundmann. Gezählt hat sie das nicht. "Mein Vater hat das vor vielen Jahren an die Uhr geschrieben", sagt die Küsterin, während sie die Kurbel am Schlagwerk ansetzt.

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Die Turmuhr:
Gekauft wurde die Turmuhr in der Kirche in Almena im Juni 1901. Das Ziffernblatt oben im Turm hat einen Durchmesser von 1,60 Metern. Insgesamt hat die Uhr ein Gewicht von 1.021 Kilogramm, und sie hat damals 875 Mark gekostet. Geliefert und aufgebaut wurde sie von der Firma Korfhage & Söhne aus Melle-Buer. Einmal im Jahr kommt heute noch eine Spezialfirma, die die Uhr wartet.

Langsam gleitet das Gewicht nach oben und verschwindet im Dunkel des Turmes. "Das Schlagwerk und die Uhr laufen unterschiedlich schnell. Ich muss immer darauf achten, dass beide zusammen im Einklang sind", verrät die Küsterin. Ansonsten kann es passieren, dass die Glocke nicht nur um 7, 12 und 18 Uhr schlägt, sondern auch mal zwischendurch. "Das war früher schwieriger. Mittlerweile läuft die Uhr mit einer Automatik, die den Unterschied zwischen Tag und Nacht erkennt. Das erleichtert das Ausgleichen", weiß die 47-Jährige. Doch Aufziehen muss sie sie immer noch per Hand.

"So eine Uhr sieht man fast nur noch im Museum. Dass sie wirklich noch genutzt wird, ist selten", weiß die Küsterin und lässt ihren Blick fast liebevoll über die bronzefarbenen Zahnräder, grünen Verstrebungen und blauen Bolzen schweifen.

Auch das Stellen der Turmuhr macht Angela Grundmann mit der Hand: "Die Uhr reagiert auf die Witterung. Im Winter läuft sie langsamer als im Sommer." Mit zwei großen Schraubenschlüssel löst die Küsterin eine Schraube am Pendel, dreht vorsichtig an einem der Zahnräder und wirft einen Blick auf ihre Armbanduhr. "Jetzt passt es wieder", nickt sie zufrieden. Das Gleiche wiederholt sie noch einmal bei dem kleinen Ziffernblatt, das direkt vor dem Uhrwerk hängt. "Wenn ich hier unten an den Zeigern drehe, überträgt sich das auf das große Ziffernblatt oben am Turm", sagt Angela Grundmann fachmännisch.

Die 47-Jährige kennt die Turmuhr ganz genau. Sie ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten, die 20 Jahre lang Küsterin in Almena war. Von ihr hat sich die junge Frau auch einige Tricks abgeguckt. Das Anhalten den Pendels zum Beispiel geht am besten mit einem Stock. "Das muss ich zwei Mal im Jahr auf jeden Fall machen - bei der Zeitumstellung", verrät die Küsterin.

Im Sommer kann die Uhr ohne Probleme vorgestellt werden, zurückdrehen geht allerdings nicht. "Dann könnten Zähne abbrechen. Deshalb steht die Uhr im Winter eine Stunde still", erzählt Angela Grundmann, die mittlerweile die Kurbel am Uhrwerk angesetzt hat und mit dem Drehen anfängt. Nach 42 Umdrehungen ist auch das Gewicht des Uhrwerkes wieder im Dunkel des Turms verschwunden. Der nächste Knochenjob steht für Angela Grundmann dann wieder in der kommenden Woche an.

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