Kreis Lippe. Ob in Lippe jemals Gas durch das umstrittene Fracking-Verfahren aus den Tiefen der Erde gefördert wird, ist offen. Aber das Kreisgebiet haben sich zwei Konzerne bis mindestens 2017 für mögliche Probebohrungen aufgeteilt.
Weite Teile Lippes gehören zum sogenannten Aufsuchungsfeld „Nordrhein-Westfalen Nord“. Hieran hat sich der weltweit agierende ExxonMobile-Konzern (in Europa tritt er unter „Esso“ auf) über seine Tochterfirma „Mobil Erdgas-Erdöl GmbH“ die alleinigen Rechte bis März 2017 gesichert. Teile von Bad Salzuflen und Kalletal gehören bis mindestens Anfang 2017 zum „Claim“ der „BEB Erdgas und Erdöl GmbH“ (gehört zu gleichen Teilen den Multis Exxon und Shell) und wiederum der 100-prozentigen Exxon-Tochter „Mobil Erdgas-Erdöl GmbH“. Nur ein kleiner Streifen im Süden von Schlangen gehört offiziell zu keinem ?Fracking-Aufsuchungsfeld. In den „vergebenen“ Gebieten sind Probebohrungen möglich. Das wirft Fragen auf.
Was bedeuten Probebohrungen?
Hierbei wird der Gasgehalt in den maßgeblichen Gesteinsschichten in Tausenden Metern Tiefe untersucht – allerdings ohne die Fracking-Methode (siehe Infokasten) anzuwenden. Eine Probebohrung müsste separat bei der Bezirksregierung Arnsberg (ist für Bergbau in NRW zuständig) beantragt und von ihr unter Beteiligung der betroffenen Kommunen genehmigt werden. Anschließend würde kalkuliert, ob sich Fracking an der betreffenden Stelle wirtschaftlich lohnt oder nicht.
Ist es denkbar, dass es zu Fracking in Lippe kommt?
Theoretisch ist das nicht ausgeschlossen. Allerdings bestehen über 40 Prozent des Kreises aus Trinkwasser- und Heilquellenschutzgebieten (siehe Karte). „Und in solchen ist Fracking generell nicht gestattet“, sagt Ute Röder, Leiterin des Fachbereichs „Umwelt & Energie“ beim Kreis. Sie hält Fracking für ein „zur Zeit nicht abschätzbares Risiko“, da die eingesetzten Chemikalien wie auch das dadurch freigesetzte Gas durch das Gestein dringen könnten und Wasser unter der Erde im großen Stil und auch abseits der Bohrstellen verunreinigen könnten. So habe sich der Kreistag gegen das ?Fracking-Verfahren ausgesprochen. Sollte es tatsächlich beantragt werden, würde das Genehmigungsverfahren mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung und einer Öffentlichkeitsbeteiligung einhergehen.

Planen Mineralöl-Multis Probebohrungen?
„Seit 2008 bemüht sich ExxonMobil um die Erkundung neuer Erdgasvorkommen in Schiefergestein und Kohleflözen. In NRW werden insbesondere Kohleflözgasvorkommen vermutet“, sagt Klaus Torp, Pressesprecher von ExxonMobil. „Angesichts der seit 2010 kontrovers geführten Diskussion über Fracking sind die operativen Aktivitäten der Exploration allerdings gänzlich zum Erliegen gekommen“, sagt Torp. Das heißt: Die Aufsuchungstätigkeit ist unterbrochen. Jetzt schauen die Mineralölkonzerne nach Berlin (siehe nächste Frage). Im Übrigen hält ExxonMobil Fracking für sicher. Insbesondere an die Errichtung des Bohrplatzes würden sehr hohe Anforderungen gestellt. Dieser werde versiegelt, um zu verhindern, dass etwaige austretende Flüssigkeiten in den Boden eindringen und von oben her das Trinkwasser verunreinigen könnten, sagt Markus Kostrzewa, Ingenieur bei ExxonMobil. Außerdem wolle die Firma für die Fracking-Flüssigkeit künftig nur noch Stoffe einsetzen, die auch in Reinfom weder giftig noch gefährlich seien.
Was sagt die Politik zu Fracking in Deutschland?
Die Bundesregierung will der Fracking-Methode einen neuen rechtlichen Rahmen geben, der frühestens Mitte Juli verabschiedet wird. Demzufolge soll diese Art der Energieförderung in weiten Teilen Deutschlands ab 3.000 Meter Tiefe in Schiefergasvorkommen im Unterkarbon grundsätzlich erlaubt werden. Allerdings sollen bis 2018 nur Probebohrungen erlaubt sein, und das kommerzielle Fracking ab 2019 soll unter strenge Auflagen gestellt werden. Dazu gehört der Schutz des Trinkwassers oder der Einsatz von weniger giftigen Chemikalien, die zuvor auf Bundesebene geprüft werden. Die rot-grüne Landesregierung hat sich komplett gegen Fracking ausgesprochen.
Info: Methode ist über 60 Jahre alt
Hydraulic Fracturing, oder kurz Fracking (Englisch für Aufbrechen), wird seit über 60 Jahren eingesetzt, um Öl- und Gasvorhaben unter der Erde zu erschließen und zu fördern. Relativ neu ist, dass die Technik auch in mehreren Tausend Meter Tiefe angewandt wird. Dabei werden über ein Bohrloch giftige Chemikalien zusammen mit Wasser und Sand mit hohem Druck tief in die Erde gepresst.
Dadurch wird im Gestein steckendes Gas freigesetzt, das über das Bohrloch gefördert werden kann. Kritiker befürchten dadurch Verunreinigungen des darüber liegenden Trinkwassers – sowohl durch die eingesetzten Chemikalien, die durch das aufgebrochene Gestein sickern könnten, als durch das Gas selbst. Befürworter der Technik sprechen in Deutschland von einem Potenzial von mindestens zwei Billionen Kubikmeter Gas tief unter der Erde. Damit könnte ein guter Teil des Bedarfs im Land über Jahrzehnte gedeckt werden und Deutschland damit unabhängiger von den Gaslieferungen aus Russland werden.