Mit Video: Wolfsverdacht - Zwei tote Kälber in Lothe gefunden

Schieder-Schwalenberg/Lothe. Am Ortsrand von Lothe sind innerhalb von drei Tagen zwei neugeborene Kälber gerissen worden. Es besteht der Verdacht, dass es sich um Wolfsangriffe gehandelt haben könnte. DNA-Proben werden derzeit in Frankfurt untersucht und sollen Klarheit bringen.

Der erste Fund

Der erste Angriff ereignete sich nach Schilderung von Maik Runte am Mittwoch. Zum Hof seines Bruders Heinz gehört eine etwa 20 Hektar große Wiese, auf der Ammenkuhhaltung betrieben wird. Kühe, Kälber und ein Bulle leben dort zusammen als Herde. 500 Meter Luftlinie entfernt von der Wiese liegt der Hof der Familie Runte.

"Mittwochmorgen hat eine unserer Kühe gekalbt. Mein Vater hat das Neugeborene morgens noch zusammen mit der Mutter auf der Wiese herumlaufen gesehen", erzählt der 44-Jährige. Am Abend fehlt dann jede Spur von dem Jungtier. Vater Heinz findet den Kadaver dann nahe des Stacheldrahtzaunes. Ein schwer sichtbarer Fundort, denn ein Waldstück grenzt direkt an die Stelle der Wiese.

Sowohl Vater Heinz als auch Sohn Maik Runte haben den Verdacht, dass ein Wolf hinter dem Angriff stecken könnte. "Die Rippenknochen und die Wirbelsäule des Kalbes waren abgebissen worden. Mehr als die Hälfte des Tieres war aufgefressen. Das sieht nicht nach einem Hund aus", ist sich der erfahrene Jäger Maik Runte sicher.

Was passiert nach dem Fund? Er ruft noch am Abend den für Lippe zuständigen Wolfsberater Thomas Pusch aus Oerlinghausen an. Pusch kommt wenig später vorbei, um - wie in solchen Verdachtsfällen üblich - frische DNA-Proben vom Kadaver zu sichern. Die Proben und auch die Überreste des Tieres nimmt er anschließend mit. Diese werden nun im Auftrag des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW an das Senckenberg Forschungsinstitut weitergeleitet und dort untersucht. In frühestens vier Wochen wird es ein Ergebnis geben. Bis dahin herrscht Ungewissheit.

Nur drei Tage später der nächste Angriff Am Samstagmorgen folgt dann der nächste Schock für die Familie Runte. Ein zweites Kalb liegt halb aufgefressen auf der Wiese. "Es muss erst in der Nacht geboren worden sein. An der Mutter hing noch die Nachgeburt", berichtet Runte der LZ. Wieder fehlen große Teile des Kadavers. Knochen, Wirbelsäule und Kiefer wurden durchgebissen. Wieder ruft Runte den Wolfsberater, der noch am Samstag erneut für DNA-Proben auf den Hof kommt. Dieses Mal ist es der diensthabende Dieter Wortmeier aus Rheda-wiederbrück, der DNA-Proben sichert.

"Es ist ganz wichtig, dass wir frische DNA-Proben entnehmen", erklärt Wortmeier. "Meist haben wir nur 24 Stunden Zeit dafür. Der Kadaver sollte nicht angefasst oder woanders hingebracht werden. Das war hier alles nicht der Fall. Wir haben gute Proben erhalten." So kann das Labor später womöglich das Tier genau zuordnen, vom Geschlecht bishin zur genauen Herkunft, wenn das Tier denn vorher registriert wurde.

Fellproben am Stacheldrahtzaun Wortemeier lässt sich alle Details zum Fundort von der Familie schildern. Gemeinsam mit Maik Runte geht er anschließend den gesamten Zaun des acht Hektar großen Wiesenstücks ab. Der Wolfsberater lässt sich dabei auch die Lage des ersten toten Kalbs oberhalb eines Bergstücks zeigen. Er hofft auf Fellhaare, die am Stacheldrahtzaun hängen geblieben sind. Und tatsächlich gibt es auf der Wiese jede Menge Wildwechsel.

Haare von Wildschweinen, Füchsen und längere Haare finden sie. Auf den ersten Blick kann er einige Haare nicht zuordnen. Ein Wolf wäre natürlich denkbar, aber auch ein Hund käme infrage. Sie nehmen wieder Proben. "Ich kann nicht sagen, ob es ein Wolf war. Vieles ist denkbar - genaueres sagen uns die Tests vom Landesumweltamt", sagt Wortmeier vorsichtig. Er weiß genau, wie emotional das Thema Wolf ist - wie verunsichert viele Menschen sind.

An der Rückkehr des Wolfs scheiden sich die Geister. Viele Natur- und Tierschützer heißen das jahrhundertelang in Deutschland ausgestorbene Tier willkommen. Tierhalter und Landwirte sehen die Rückkehr deutlich skeptischer und bangen um ihre Tiere. Die Familie Runte ist alarmiert.

Ist es wirklich ein Wolf gewesen, fragen sie sich? Wird es weitere Fälle geben? Zieht der Angreifer weiter oder bleibt er womöglich hier? Wie sollen sie ihre Tiere vor weiteren Angriffen schützen? Viele Fragen schweben durch den Kopf. Eine sichere Antwort wird es aber erst in vier bis fünf Wochen geben. Dann liegen die Testergebnisse aus Frankfurt vor.

Sichtung eines Nachbarn Für Maik Runte sprechen weitere Gründe dafür, dass ein Wolf die Kälber getötet hat. "Ein Nachbar hat vor wenigen Tagen einen Wolf nahe seines Treckers gesichtet und ich glaube sogar, dass sich möglicherweise mehrere Tiere hier in Lothe aufhalten. Ein Hund würde nicht so große und schwierige Teile eines Beutetieres essen." Der Wolfsberater ist da anderer Ansicht. "Auch große Hunde schaffen es, mehr als zehn Kilo Fleisch zu essen." Ein Kalb der Familie Runte wiegt schätzungsweise 40 bis 50 Kilo.

Eine Panikmache will auch die Familie Runte nicht. Sie sind besorgt, denn noch mindestens fünf weitere Kühe sind trächtig und werden bald ihr Junges bekommen. Sie wollen aber dennoch abwarten. Den bisher entstandenen Schaden kann Maik Runte nur schätzen. "Pro Kalb sind das zwischen 500 und 700 Euro", sagt er. Der Schaden würde im Falle eines nachgewiesenen Wolfsangriffs ersetzt werden.

Die Dorfbewohner in Lothe seien nun ebenfalls verunsichert, erzählt Maik Runte. "Abends geht hier keiner mehr mit seinen Hunden durch die Felder spazieren." Wolfsberater Dieter Wortmeier nimmt die Sorgen der Familie ernst, erklärt aber: "'Ich schließe einen Wolfsangriff nicht aus. Was wir wissen, ist, dass es in NRW derzeit einen bestätigten Wolf gibt, der zuletzt bei Bad Berleburg gesichtet und bestätigt wurde." Das wären knapp 140 Kilometer bis nach Lothe. "Das schafft ein Wolf in zwei Tagen. Wir müssen abwarten, bis wir hier Gewissheit bekommen." Er rät der Familie, eine Wildtierkamera einzusetzen.

Wäre eine vorübergehende Unterbringung der Kälber mit ihren Müttern in einem Stall denkbar? "Die Herde reagiert sehr empfindlich auf fehlende Mitglieder. Das würden wir nur im Notfall machen - für einige Stunden", erklärt Maik Runte. Die Nacht zu Sonntag war indes ruhig, berichtet Maik Runte der LZ. "Die kleinen Kälber sind bisher alle wohlauf."

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