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Beratungsstelle "Theodora" klärt Prostituierte auf und hilft beim Ausstieg

Mitarbeiter der evangelischen Frauenhilfe helfen Frauen in ganz Ostwestfalen-Lippe

von Carolin Nieder-Entgelmeier

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Geben Frauen eine berufliche Perspektive nach der Prostitution: Petya Bozhkova (v. l.), Christina Gergovska und Birgit Reiche engagieren sich in der Beratungsstelle „Theodora“ .  - © Frank-Michael Kiel-Steinkamp
Geben Frauen eine berufliche Perspektive nach der Prostitution: Petya Bozhkova (v. l.), Christina Gergovska und Birgit Reiche engagieren sich in der Beratungsstelle „Theodora“ .  (© Frank-Michael Kiel-Steinkamp)
Herford. Über die Novellierung des Prostitutionsgesetzes wird scharf diskutiert. Mit großen Emotionen ist die Debatte um die geplante Gesetzesänderung verbunden. Prostituierte kommen dabei aber nur selten zu Wort, obwohl die Not vieler Frauen groß ist. Mit der Beratungsstelle „Theodora“ hat die evangelische Frauenhilfe vor vier Jahren einen Ort geschaffen, wo Prostituierte aus ganz Ostwestfalen Hilfe bekommen.
80 Prostituierte betreuen die Mitarbeiterinnen Petya Bozhkova, Christina Gergovska und Katharina Hontschastavropoulus jedes Jahr. Sie sind Ansprechpartnerinnen für Frauen, die freiwillig den Weg in die Prostitution gewählt haben, ob aus einer existenziellen Not heraus oder als selbstbestimmter Weg in den Beruf. „Wir stellen uns auf unsere Klientinnen ein, egal welche Wünsche sie haben“, sagt die angehende Sozialarbeiterin Petya Bozhkova. Das Team klärt über gesundheitliche Gefahren auf, vermittelt Sprachkurse und hilft beim Ausstieg aus der Prostitution.
 
Ihr Zentrum hat die Beratungsstelle an der Bielefelder Straße in Herford aufgebaut. „Theodora“ teilt sich das Büro mit der Frauenberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel „Nadeschda“. Seit 1997 hilft „Nadeschda“ Frauen, die in die Prostitution gezwungen wurden. „Es hat sich aber gezeigt, dass auch freiwillige Prostituierte Hilfe brauchen, so dass Theodora gegründet wurde“, sagt Leiterin Birgit Reiche. Die Pfarrerin leitet insgesamt drei Beratungsstellen der evangelischen Frauenhilfe. „Wir wollen mit unserer Arbeit nicht alle Prostituierten zu Opfern machen. Doch es gibt in der Region Frauen, die zwar freiwillig Prostituierte geworden sind, aber trotzdem Hilfe benötigen“, ergänzt Reiche.

Die meisten Prostituierten kommen aus Osteuropa
„Rund 75 Prozent unserer Klientinnen helfen wir beim Ausstieg aus der Prostitution“, sagt Bozhkova. Mit so einer großen Zahl hat das „Theodora“-Team vor vier Jahren nicht gerechnet. „Die Nachfrage ist groß, vor allem von Frauen, die aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland gekommen sind“, erklärt Bozhkova. Die meisten von ihnen haben weder Schul- noch Berufsabschluss. „Wir beraten auch Analphabetinnen und Frauen, die nicht wissen, dass Kondome nicht nur vor Schwangerschaften, sondern auch vor lebensbedrohlichen Krankheiten schützen.“
Überrascht wurde das Team nicht nur von der großen Nachfrage, sondern auch vom vergleichsweise hohen Alter der Frauen. „Die meisten Klientinnen sind zwischen 20 und 27 Jahre alt und haben bereits Kinder. Wir hatten mit wesentlich jüngeren Klientinnen gerechnet“, sagt Bozhkova. Doch das „Theodora“-Team stellt sich auf alle Klientinnen ein, egal wie alt sie sind.
Deshalb sind die Mitarbeiterinnen täglich in OWL unterwegs und sprechen Prostituierte gezielt an. Dabei erleben sie immer wieder Situationen, die sie auch nach vier Jahren noch immer nicht fassen können. „Vielen Frauen bleibt wegen einer Drogensucht oder anderen Nöten nichts anderes übrig, als auch ungeschützten Geschlechtsverkehr zu haben“, sagt Reiche. Frauen, die sich aus Geldsorgen dazu entscheiden, könne sie verstehen, aber nicht Männer, die das verlangen und Frauen in Not ausbeuten.

Prostitution hinter geschlossenen Türen
In OWL findet Prostitution vor allem hinter geschlossenen Türen statt. Einen Straßenstrich gibt es lediglich in Bielefeld. In den anderen Teilen der Region arbeiten Prostituierte in Bordellen und Clubs, aber auch in privaten Wohnungen. „Insbesondere im Kreis Herford haben wir viel zu tun“, sagt Reiche. Doch obwohl Bedarf in OWL herrscht, wird „Theodora“ nicht von den Kommunen unterstützt. „Wir benötigen dringend eine gesicherte Finanzierung. Jedes Jahr ist ein Kampf ums Überleben“, moniert Reiche. Von Spenden allein könnten die Kosten nicht gedeckt werden.
Weitere Informationen gibt es unter www.frauenhilfe-westfalen.de/prostitution-theodora

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