Bielefelder Falschparkerin fühlt sich abgezockt - ein Jurist ordnet das Geschehen ein

Bielefeld. Dass sich mit Parkraumbewirtschaftung ordentlich Geld machen lässt, haben findige Geschäftsleute längst erkannt. Ebenso lukrativ entwickelt sich offenbar auch der Umgang mit Falschparkern. Eine Bielefelderin hat es selbst erlebt – und spricht jetzt von Abzocke.

&bdquo;Falschparker melden, Abschleppdienst kommt, wir machen den Rest – so einfach funktioniert Parknotruf“, heißt es auf der Website des Unternehmens. Für Betreiber von Privat- und Kundenparkplätzen klingt die Aufforderung der Parknotruf GmbH tatsächlich verlockend einfach: &bdquo;Gönnen Sie sich ihren privaten Parkplatzwächter.“ Das Nachsehen haben Falschparker. Was auf sie zukommt, ist meist gar nicht so einfach. Das musste auch Iris Schulte erfahren.

Nach einem anderthalbstündigen Besuch im Ernst-Barlach-Haus, einem Altenpflegeheim an der Rheinallee, war ihr Auto spurlos verschwunden. Abgestellt hatte die Bielefelderin das Fahrzeug auf einem Parkplatz der Thomas-Morus-Gemeinde in Sennestadt, zu der auch eine Kita gehört. Hinweise, dass die Einstellplätze nur Angehörigen und Gästen der Kirchengemeinde vorbehalten sind und alle anderen &bdquo;widerrechtlich geparkten“ Wagen abgeschleppt werden, hatte sie bei ihren regelmäßigen Besuchen im Altenheim bisher übersehen.

Erst bezahlen – dann gibt’s den Standort des Autos Iris Schulte war schockiert und schickte telefonisch einen Hilferuf an ihre Tochter zu Hause, sie möge die Polizei anrufen, um nach dem Verbleib des Autos zu fragen. Die Behörde empfahl, die Website &bdquo;parknotruf.de“ aufzurufen, dort erfahre sie mehr. Die Tochter folgte der Empfehlung und bekam, nachdem sie das Kennzeichen des Fahrzeugs eingegeben hatte, die Antwort: &bdquo;Um den aktuellen Standort ihres Fahrzeugs zu erfahren, müssen Sie zuerst die unten berechneten ortsüblichen Kosten für das Abschleppen begleichen, weil wir den Standort erst nach Ausgleich der Kosten preisgeben.“ Die Forderung der in Kiel ansässigen Firma: 338,42 Euro.

Sieben Minuten nach der Überweisung gab Parknotruf den Abstellort des Wagens bekannt: Am Schießstand/Ecke Reiterweg, eine einsam gelegene Straße, die zur Anlage des Bielefelder Reit- und Fahrvereins führt, unmittelbar an der A2, knapp drei Kilometer vom Parkplatz in Sennestadt entfernt. Iris Schulte ließ sich von ihrem Schwiegersohn dorthin fahren. &bdquo;Als wir dort ankamen, war es stockfinster und weit und breit weder Menschen noch Fahrzeuge zu sehen“, beschreibt sie die Situation am betreffenden Spätnachmittag.

&bdquo;Mir ist klar, ich habe einen Fehler gemacht“, gibt Schulte offen zu. Sich rauszureden ist nicht ihre Sache. &bdquo;Doch wie mag es anderen, vor allem älteren Menschen ergehen, die kein Handy dabeihaben, die sich nicht auskennen mit Online-Banking?“, fragt sie und vermutet: &bdquo;Vielleicht sind manche auch gerade nicht flüssig und müssen sich das Geld womöglich leihen?“

Erlebnis soll eine Warnung für andere sein Und Schulte fragt auch nach der Haftung. &bdquo;Angenommen, mein Auto wäre beim Abschleppen beschädigt worden, wer hätte dann die Kosten übernommen? Oder es wäre gestohlen worden, oder jemand hätte es aufgebrochen, um irgendetwas daraus zu stehlen?“ Was sie erlebt hat, sollte für andere Menschen eine Warnung sein. Deshalb hat sie an die Redaktion geschrieben.

Eine völlig andere Sicht auf das Geschehen vermittelt Hubert Maus. Abschleppen sei für ihn ein &bdquo;letztes Mittel“ gewesen. Der für Thomas Morus zuständige Gemeindepfarrer erläutert, dass er lange Zeit gemeinsam mit seinem Team versucht hat, Falschparker vom Gelände fernzuhalten. &bdquo;Zunächst gab es Schilder mit der Bitte, die Plätze wenigstens für die Gottesdienstzeiten den Besuchern zu überlassen.“ Als der erhoffte Erfolg ausblieb, habe man es mit &bdquo;freundlichen Hinweisen“ auf Handzetteln versucht, später dann mit Schildern, die bei Nichtbeachtung vor dem Abschleppen warnen.

&bdquo;Nachdem das alles nichts gebracht hat, haben wir unseren Hinweis in die Tat umgesetzt“, berichtet Maus. Man habe sich einfach nicht anders zu helfen gewusst. Langzeitparker, Umzugswagen, einer war sogar quer abgestellt, hätten die insgesamt 30 verfügbaren Abstellplätze für Gäste mit Handicaps und Kirchenpersonal blockiert.

Bielefelder Kirchengemeinde ruft 60 Mal &bdquo;Parknotruf“ Neuerdings soll &bdquo;Parknotruf“ helfen, die Lage zu entspannen. Gut 60 Mal in den vergangenen drei Monaten hat Küster und Hausmeister Christian Riedels die App des selbst ernannten &bdquo;Parkwächters“, der in Bielefeld mit dem Abschleppdienst Würtz zusammenarbeitet, schon angeklickt, um Einstellplätze wieder frei zu bekommen. &bdquo;Für uns ergeben sich dadurch keinerlei Probleme und auch keine Kosten.“

Iris Schulte fehlt dafür das Verständnis. Das Verhalten der Kirchengemeinde als Besitzerin der Einstellplätze enttäuscht sie: &bdquo;Ist das überhaupt christlich, einfach so Autos abschleppen zu lassen? Mich macht das alles sprachlos.“

Für Klarheit sorgt Mirko Roßkamp. Nach Einschätzung des Bielefelder Fachanwalts für Verkehrsrecht sei die Vorgehensweise der Parknotruf GmbH &bdquo;rein rechtlich nicht zu beanstanden“. &bdquo;Tatsächlich darf die Firma das Auto versetzen, und die Freigabe nach Überweisung der geforderten Summe ist ebenfalls rechtens.“ Auch die Höhe des Betrags sei laut einem Gerichtsurteil aus dem Jahr 2018 &bdquo;angemessen“.

Bielefelder Experte ordnet Abschlepp-Fall ein Für Schäden, die beim &bdquo;Abschleppvorgang“ entstehen, hafte das betreffende Unternehmen, so der Jurist weiter. &bdquo;Wenn später nach dem Abstellen Schäden durch einen Dritten entstehen, dann haftet der Dritte.“ In diesem Fall trage der Geschädigte die Beweislast.

Sollte das abgeschleppte Fahrzeug gestohlen werden, dann ist laut Roßkamp das Unternehmen dafür verantwortlich, das den Wagen an eine ungeschützte Stelle transportiert hat. &bdquo;Wobei der Abschlepper das Auto nicht zwingend auf einem abgesicherten Gelände abstellen muss.“ Der Ort allerdings, an dem Iris Schulte ihr Auto abholen konnte, bereite ihm &bdquo;Bauchschmerzen“. Ein einsamer Platz, der Autodieben und Einbrechern ihr Vorhaben erleichtere. Als &bdquo;Grenzfall“ schätzt er das Geschehen ein.

Roßkamps Rat an alle, die in ähnliche Situationen geraten: &bdquo;Zahlen Sie die geforderte Abschleppgebühr unter Vorbehalt. Bestehen Sie darauf, eine detaillierte Rechnung zu bekommen. Nur so haben Sie noch die Chance auf eine angemessene Forderung. Im Zweifel lassen Sie das Vorgehen juristisch prüfen.“

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