„Die Rechte sind in Gefahr“: Experte spricht in Detmold über Syriens Zukunft

Detmold/ Göttingen. Er ist Syrer, er ist Kurde, er ist Deutscher, er ist Menschenrechtler, er ist Historiker... Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Dr. Kamal Sido ist vor allem eines: ein Mann, der weiß, wovon er spricht. Vor allem, wenn es um sein Heimatland geht. Am Mittwoch, 26. Februar, spricht er ab 19.30 Uhr im Kleinen Festsaal der Stadthalle Detmold über &bdquo;Syriens Kampf um Zukunft“. Der Eintritt ist frei.

Das Regime von Präsident und Diktator Baschar al-Assad ist weg und jetzt ist alles gut in Syrien? Von wegen. &bdquo;Jetzt sind die sunnitischen Islamisten an der Macht“, sagt er warnend, die Rechte von Frauen und Mädchen sowie der Minderheiten sieht er ernsthaft in Gefahr. Aber auch in Deutschland habe der Machtwechsel Auswirkungen. &bdquo;Zum einen herrscht bei den Menschen aus Syrien eine große Unsicherheit“, weiß er. Die Frage nach Aufenthaltsstatus und Abschiebung stehe im Raum. Selbst die, die einen Status haben, fürchten, der könne widerrufen werden.

Leiden und Verfolgung Zum anderen ist Syrien ein Land mit vielen Minderheiten. &bdquo;50 Prozent der Bevölkerung sind keine Araber oder sunnitische Muslime“, erklärt Kamal Sido, der selbst aus Afrin im kurdischen Teil Syriens stammt. 10 Prozent der Bevölkerung seien Kurden, weitere 10 Prozent Levantiner , 15 Prozent Alawiten. Dazu kommen Drusen, Ismailiten, Assyrer, Aramäer, Turkmenen und Armenier. Etwa 10 Prozent der Syrer sind Christen. Zum Vergleich: In Deutschland sind etwa 6,5 Prozent der Bevölkerung Muslime. Und viele machen sich Sorgen, sowohl Angehörige der Minderheiten als auch aufgeklärte Sunniten. &bdquo;Kinder beten auf dem Schulhof, statt zu spielen, das ist nicht normal. Aber es geschieht gerade.“

Kurden, insbesondere Jesiden, litten fast 60 Jahre unter Assads Familie, Alawiten würden als Assad-Anhänger dargestellt, auch wenn sie sie nicht immer seien. Das führe zu Konflikten, zu Hass - auch unter den Migranten in Deutschland, in Lippe, warnt der Menschenrechtler. &bdquo;Die deutsche Politik muss Verantwortung übernehmen“, fordert er. Doch wie? &bdquo;Die Situation hier und in Syrien kritisch begleiten“, sagt er. Sich Informationen von Experten einholen, die Einblick in die Lage in den verschiedenen Regionen haben. Informationen, die auch die Gesellschaft für bedrohte Völker weitergibt, bei der er seit 2006 als Nahostreferent mitarbeitet.

Keine Angst vor Populisten

Was es nicht brauche, sei die überbordende Bürokratie, gerade im Ausländerrecht. &bdquo;Das erschwert den Menschen, sich einzubringen, zu arbeiten.“ Kurz gesagt: die Integration. Dabei sei es genau das, was die meisten möchten: Für sich selbst sorgen, frei und unabhängig sein. Dabei betont Kamal Sido, es gehe nicht darum, Regeln abzuschaffen. Im Gegenteil, die seien wichtig, alle müssten sich an dieselben Regeln halten &bdquo;wie bei einem Fußballspiel auch“. Und das wiederum fordert er auch von den Machthabern in Syrien.

Vor den Populisten, den Rechten, habe er keine Angst. &bdquo;Die AfD hat keine Argumente, ich habe Argumente und bekämpfe sie damit“, sagt er mit Nachdruck. &bdquo;Ich bleibe auch nicht still, ich engagiere mich - und halte mich dabei an die Regeln.“

Und was können die Menschen tun, die nach Deutschland kommen, hier leben? &bdquo;Die Sprache lernen“, betont Sido. &bdquo;Die Sprache ist das Tor zur Kultur und zur Gemeinde“, zeige Respekt den Menschen gegenüber, wo man lebt. Durch Sprache entstünden Gemeinsamkeiten, &bdquo;die Deutschen können auch von uns lernen, zum Beispiel Humor“, sagt er und lacht.

Persönlich Dr. Kamal Sido, geboren 1961 in Afrin im kurdischen Teil Syriens, ist ein deutsch-kurdischer Menschenrechtsaktivist. Selbst vor den reaktionären Strukturen in Syrien geflüchtet, studierte ab 1980 Geschichte und Orientalistik in Moskau und promovierte 1989 am Orientalischen Institut der Akademie der Wissenschaften der UdSSR. Er lebt seit 1990 in Deutschland und hat selbst acht Jahre im Asylverfahren gesteckt.

Seit 2006 ist er Referent für ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten und Nationalitäten der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen. Er ist als Dolmetscher und Übersetzer für Kurdisch, Arabisch und Russisch vereidigt.

Dr. Kamal Sido ist verheiratet, hat einen Sohn und ist seit Kurzem stolzer Großvater.

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