Marc-André Hamelin lotet in Detmold die Grenzen der Klaviermusik aus

Detmold. Marc-André Hamelin hat im vierten Meisterkonzert der Hochschule für Musik im facettenreichen Programm die Grenzen der Klaviermusik ausgelotet.

Der kanadische Pianist, berühmt für seine technische Brillanz und Entdeckungslust für selten gespieltes Repertoire, führte rund 500 Gäste des Konzerthauses durch eine faszinierende Klangwelt von der Wiener Klassik bis zur experimentellen Moderne.

Mit feiner Klarheit und Leichtigkeit Der Abend begann mit Joseph Haydns Klaviersonate D-Dur Hob. XVI:37, die Hamelin mit feiner Klarheit und Leichtigkeit gestaltete. Seine nuancierte Artikulation und subtile Dynamik ließen Haydns verspielte Eleganz erstrahlen. Galante Läufe wie aus einem Guss entwickelten den charmanten Spielwitz des Werkes. Majestätisch kam der langsame Satz daher und energische Akkorde wechselten mit virtuosen Passagen im Finale.

Rasch veränderte sich die musikalische Landschaft, als Hamelin mit Werken von Frank Zappa, Stefan Wolpe und John Oswald ins 20. Jahrhundert wechselte. &bdquo;Ruth Is Sleeping“ aus dem Jahr 1993 des Rockmusikers Frank Zappa erwies sich als klangliches Experiment, das mit unerwarteten Harmonien und rhythmischen Vertracktheiten faszinierte. Das Werk hat Zappa seiner Perkussionistin Ruth Underwood gewidmet, die gerne unter ihrem Marimbaphon schlief.

Es führt in eine impressionistische Traumwelt, die abrupt endet. Mit der Passacaglia aus: Four Studies on Basic Rows op. 23 von Stefan Wolpe (1902-1972), der als Jude 1938 aus Nazideutschland in die USA emigrierte, erklang ein Werk der Zwölftontechnik, das immer neue Variationen annahm und sich ekstatisch steigerte. Für Humor sorgte das Stück &bdquo;Tip“, von John Oswald (*1953), das Hamelin im Jahr 2022 uraufgeführt hat. Mit vielschichtig verarbeiteten Zitaten wie &bdquo;Für Elise“, &bdquo;Claire de lune“ oder &bdquo;Take Five“ ritt das Werk in kürzester Zeit durch die Klavierliteratur und tauchte in immer neue Hörwelten ein. Hamelin bewies hier seine Vielseitigkeit und das Gespür für unkonventionelle Strukturen.

Nach der Pause betrat das Konzert die spätromantische russische Klangwelt von Nikolai Medtner (1880-1951) und Sergei Rachmaninow (1873-1943). Medtners &bdquo;Improvisation b-Moll aus: Drei Stücke für Klavier op. 31 und &bdquo;Danza Festiva“ aus: &bdquo;Vergessene Weisen“ op. 38 kamen mit feiner melodischer Sensibilität zur Geltung.

Wuchtiger Kontrast Ruhig zentriert saß Hamelin vor dem Flügel, während seine Hände in lyrisch weicher Tongebung virtuos über die gesamte Tastatur glitten. Rachmaninows &bdquo;Appassionata“ aus: &bdquo;Études-Tableaux“ op. 39 und die monumentale Sonate Nr. 2 in b-Moll op. 36 boten einen wuchtigen Kontrast. Leidenschaftlich, technisch perfekt und emotional tiefgehend entfaltete Hamelin die ganze Bandbreite dieser Werke. Im akzentvollen Spiel ließ er die pianistischen Funken sprühen und meisterte die Herausforderungen spielend.

Die Gäste dankten mit stehenden Ovationen und erhielten gleich drei Zugaben, die die stilistische Vielfalt des Pianisten zusammenfassten. Der erste Satz von Mozarts &bdquo;Sonata facile“ eröffnete großen lyrischen Glanz. Bombastisch kam das &bdquo;Tempestoso“ aus &bdquo;Sarcasms“ op. 17,1 von Sergei Prokofiev daher. Ein besonderer Moment des Abends war die Interpretation von Hamelins eigener Komposition &bdquo;Spieluhr“. Hier zeigte sich eine andere Facette seines Könnens: Statt brachialer Virtuosität stand im feinen filigranen Spiel eine introspektive Klangsprache im Mittelpunkt. Diese leise Zurückhaltung zeigte, dass Hamelin nicht nur ein Meister der Technik, sondern auch der musikalischen Poesie ist.

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