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Mit dem Bobby-Car zur Bundeswehr

Ann-Kathrin Wulf ist eine von 30 behinderten Mitarbeitern der Streitkräfte-Verwaltung

Patrick Bockwinkel

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Jennifer Engelbracht (rechts) und Ann-Kathrin Wulf sortieren die Post für die einzelnen Dienststellen der Bundeswehrverwaltung. Die 19-Jährige ist am Oberschenkel amputiert und nutzt zur Fortbewegung ein Bobbycar. - © Patrick Bockwinkel(LZ)
Jennifer Engelbracht (rechts) und Ann-Kathrin Wulf sortieren die Post für die einzelnen Dienststellen der Bundeswehrverwaltung. Die 19-Jährige ist am Oberschenkel amputiert und nutzt zur Fortbewegung ein Bobbycar. (© Patrick Bockwinkel(LZ))

Das rote Bobby-Car ist Ann-Kathrin Wulfs ständiger Begleiter. Halb darauf sitzend, bewegt sich die am rechten Oberschenkel amputierte 19-Jährige problemlos vorwärts. Auch bei ihrem Arbeitgeber, der Bundeswehrverwaltung.

Augustdorf. Wer Ann-Kathrin Wulf zum ersten Mal auf dem Flur des Bundeswehrdienstleistungszentrums (BWDL) in Augustdorf begegnet, der bleibt wahrscheinlich erst einmal verdutzt stehen. Um vorwärts zu kommen, nutzt die 19-Jährige nämlich ein rotes Bobby-Car, mit dem die am rechten Oberschenkel amputierte Frau von Büro zu Büro rollt. "Und dabei ist sie ganz schön flott", berichtet Jennifer Engelbracht, die vor wenigen Wochen zusammen mit Wulf eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten bei der Bundeswehrverwaltung begonnen hat.

"Ich bin sehr froh, dass das geklappt hat", sagt Wulf, die schon fast ihr ganzes Leben den Alltag mit ihrem Handicap meistert. Nur zwei Wochen nach ihrer Geburt sei ihr rechtes Bein abgestorben. Die Folge einer vom Arzt falsch gesetzten Spritze, berichtet die aus Delbrück stammende Abiturientin, die in diesem Jahr ihren Schulabschluss gemacht hat.

"Bei der Berufswahl war mir schnell klar, dass ich keine Dachdeckerin werden kann", scherzt Wulf.  Deshalb fasste sie Arbeitsstellen im Büro ins Auge, wo sie zu 100 Prozent alles ohne Einschränkung erledigen könne. "Das war mir von Anfang an sehr wichtig", erzählt Wulf. 150 Bewerbungen habe sie geschrieben. Am Ende seien vier Zusagen dabei herausgekommen. "Dass auch der Job bei der Bundeswehrverwaltung darunter war, hat mich sehr gefreut. Den wollte ich am liebsten haben", sagt Wulf. Das liege auch an ihrem Vater, der oft von seiner Zeit bei den Streitkräften berichtet habe - beispielsweise von der guten Kameradschaft und der Offenheit gegenüber anderen. "Das hat mich sehr beeindruckt", sagt Wulf über ihren Arbeitgeber.

Der bietet schon seit vielen Jahren Behinderten einen sicheren Arbeitsplatz. 30 Menschen mit Handicap seien im Bundeswehrdienstleistungszentrum beschäftigt. "Wir haben hier zum Glück die nötige Infrastruktur, um Behinderte beschäftigen zu können", sagt Peter Bilstein, Leiter des BWDL in Augustdorf. "Die Voraussetzungen dafür wie etwa Fahrstühle, Behindertentoiletten und andere Dinge sind mit der Zeit geschaffen worden", ergänzt Ausbildungsbeauftragter Frank Heitmann, der die Nachwuchskräfte betreut und die Vertrauensperson für behinderte Mitarbeiter wie Ann-Kathrin Wulf ist.

Dass sich die in erster Linie mit dem Bobby-Car fortbewegt, sei inzwischen bei allen Kollegen bekannt. "Das Bobby-Car habe ich vor 19 Jahren zur Taufe bekommen. Seitdem bin ich damit unterwegs", berichtet Wulf. Prothesen habe sie mal gehabt. Doch mit denen sei sie nie gut zurechtgekommen. "Als ich 16 Jahre alt war, habe ich mich endgültig von ihnen verabschiedet und nur noch das Bobby-Car benutzt", sagt die Auszubildende. Ihr Vater, gelernter Tischler, habe das Gefährt immer wieder in der Höhe und mit speziellen Reifen an die Bedürfnisse seiner Tochter angepasst. Am Schreibtisch sitze sie aber wie allen anderen auch auf einem Stuhl.

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