Bad Salzuflen-Schötmar. Es ist ja oft so, dass aus einer kleinen Idee ein Großprojekt entsteht. „Ich denke mittlerweile, wir werden niemals fertig", sagt Jens Leuschner und schmunzelt. Der 63-Jährige ist Stadtführer und arbeitet seit Mitte vergangenen Jahres zusammen mit dem ehemaligen Einzelhändler Jürgen Beckmann (72) an einer tief gehenden Chronik von Schötmar.
Die beiden haben den Ehrgeiz entwickelt, die Historie von mehr als 200 Häusern an Schloß-, Bega- und Schülerstraße sowie an der Krummen Weide von 1921 bis heute zu recherchieren und in eine virtuelle Präsentation zu packen.1921 deshalb, weil Schötmar am 1. April dieses Jahres die lang ersehnten Stadtrechte erhielt und sich dieses Ereignis 2021 zum 100. Mal jährt. „Unser Schwerpunkt liegt nur auf dem Handel und der Gastronomie", sagt Beckmann, der mit Frau und Eltern viele Jahre Geschäfte in der Innenstadt führte.

Apropos: Was sich heute kaum noch jemand vorstellen kann – die Schülerstraße war einst ein bedeutender Standort für den Einzelhandel. So drückte sich der kleine Jürgen Beckmann damals seine Nase am Schaufenster des Spielwarengeschäfts Hansmeier platt, weil hinter dem Glas eine Märklin-Eisenbahn ihre Runden drehte.
Chronisten erforschen Kneipen, Kinos, Hotels, Bäcker und Co.
„Wir haben bereits 15.000 Bilder durchgearbeitet", erzählt Jens Leuschner. Die meisten Motive zeigen Feste wie zum Beispiel Umzüge der Schützen. Was die beiden Chronisten aber mehr interessiert, sind die Hintergründe der Fotos. Sind auf den Aufnahmen auch Geschäfte oder Gaststätten zu erkennen, die es heute gar nicht mehr gibt? „Wir haben inzwischen unter anderem mehr als 20 Kneipen erforscht, dazu kommen Kinos, Hotels, Bäcker, Modehäuser, Elektro-Fachgeschäfte und so weiter und so weiter", erzählt Beckmann. Die beiden Chronisten investieren hochgerechnet um die 30 Stunden in der Woche in das Projekt.
Leuschner und Beckmann bauen Zug um Zug eine virtuelle Präsentation am Computer auf. Das Prinzip: Historische Flurkarten von Schötmar machen den Anfang. Dann folgen Draufsichten der Straßen im Zentrum, auf denen jedes einzelne Haus verzeichnet ist. Ein Klick auf ein Gebäude öffnet ein weiteres Fenster, das die Geschichte des Hauses inklusive historischer Fotos erzählt. Das Ganze irgendwann auch als Buch herauszubringen, „wäre ein Traum", sagt Beckmann. „Aber dafür bräuchten wir Unterstützung und Sponsoren."
Präsentation am 1. April 2021
Vorerst planen sein Mitstreiter und er eine erste Präsentation auf Großleinwand am 1. April 2021 in einem Saal der Volksbank an der Schloßstraße. Sollten dann noch Corona-Abstandsauflagen gelten, könnten maximal 15 Neugierige dabei sein. „Möglicherweise werden wir bei entsprechender Nachfrage deswegen mehrere Veranstaltungen anbieten", sagt Jens Leuschner. Und: Die beiden Chronisten würden sich noch mehr historische Fotos und Geschichten aus Schötmar wünschen.
Die Geschichte der Villa Küster
Eines von mehr als 200 Häusern, deren Geschichte Jürgen Beckmann und Jens Leuschner erforschen, ist die der 1898 von Kaufmann Ernst Küster (1860-1909) erbauten Villa in der Krumme Weide 30. Sie stand in Nachbarschaft der 1891 parallel zum Verlauf der Bega erbauten Fabrik zur Herstellung von Kämmen aus Horn und später aus Celluloid. „Küster legte hiermit den Grundstein zu einer bemerkenswerten Industrialisierung Schötmars, die dem Ort im Jahr 1921 die Erhebung zur Stadt bescherte", so die Chronisten Beckmann und Leuschner. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Villa unter anderem als Rechtsanwaltskanzlei und Hotel/Gaststätte mit Billard-Raum genutzt, bevor sie 1968 abgerissen wurde, um Platz für einen mehrgeschossigen Neubau mit Ladengeschäften zu machen. Dieser existiert noch heute.