Trauerfeiern in Zeiten der Pandemie - was fehlt, ist die Nähe

Bad Salzuflen/Werl-Aspe . Vor der Orgel stehen dicke Kerzen, Tücher und Blütenblätter sind auf dem Boden drapiert, auf einigen Stühlen liegen Zettel: &bdquo;Bitte Reihe frei lassen", steht da. Eigentlich dürften hier, in der kleinen Kapelle von Bestattungen Wirth in Werl-Aspe, gut 70 Personen zusammenkommen, um von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen. Eigentlich. Denn momentan sind gerade einmal acht Menschen erlaubt. In Zeiten der Pandemie ist vieles anders – auch Trauerfeiern und Bestattungen. &bdquo;Vor allem die Nähe, die fehlt den Menschen", sagt Stephanie Held.

Die Bestattermeisterin (39) sitzt im Beratungsraum von Bestattungen Wirth ein paar hundert Meter von der Kapelle entfernt, mitten in einem Wohngebiet von Werl-Aspe. Der Raum ist schlicht gehalten, in einem Regal stehen unterschiedliche Urnen. Seit mehr als 60 Jahren gibt es das Familienunternehmen, seit 2003 ist Stephanie Held mit im Boot, gemeinsam mit ihrem Vater Reinhold Wirth führt sie das Bestattungsinstitut.

Der Kontakt mit den Hinterbliebenen von Angesicht zu Angesicht, der gehört dabei einfach dazu – auch in Corona-Zeiten. &bdquo;Der persönliche Austausch ist so wichtig", sagt Stephanie Held. Manchmal müsse man den Angehörigen einfach nur zuhören, für sie da sein. Ein Trauergespräch per Videochat? Undenkbar.

Auch eine Live-Übertragung einer Trauerfeier hat bislang noch keiner ihrer Kunden eingefordert. &bdquo;Das wäre aber bestimmt machbar", sagt Stephanie Held. Sie ist froh, dass die Regeln aktuell nicht ganz so strikt sind wie noch im Lockdown im Frühjahr, als teils gar keine Trauerfeiern möglich waren. Zwar gilt dabei aktuell die Maskenpflicht, auch Gesang ist in Kapellen und Kirchen nicht erlaubt. Zudem müssen sich alle Beteiligten registrieren, und je nach Größe geschlossener Räume variiert die mögliche Teilnehmerzahl. Aber zumindest für den Friedhof gibt es keine konkreten Vorgaben. &bdquo;Die Empfehlung ist natürlich, die Runde klein zu halten. Aber wir können auch schlecht jemanden abweisen", sagt Held. Schließlich sei die Möglichkeit, noch einmal Abschied nehmen zu können, für die meisten Menschen ganz wichtig.

Schutzkleidung bei Corona-Todesfällen Die Beisetzung an sich laufe ansonsten auch momentan relativ normal ab. Jeder könne am Grab oder gar am offenen Sarg Abschied nehmen. Nur wenn es sich bei dem Verstorbenen um einen Covid-19-Patienten handelt, dann sieht das Prozedere ein wenig anders aus. Denn derjenige könnte auch nach seinem Tod noch ansteckend sein. Ein Risiko – auch für die Bestatter.

Sie sind daher schon beim Abholen der Leiche mit Schutzkleidung ausgerüstet. Der Tote wird noch vor Ort in einen Leichensack gelegt und anschließend in den Sarg umgebettet. Ist der erst verschlossen und alles desinfiziert, wird er auch nicht wieder geöffnet, die Särge werden dafür eigens gekennzeichnet.

Oft folgt dann der direkte Weg ins Krematorium. &bdquo;Insgesamt machen die Feuerbestattungen bei uns gut 80 Prozent aus", sagt Stephanie Held. Aber auch für Covid-19-Patienten ist eine Erdbestattung möglich. Eine Ansteckungsgefahr geht für die Hinterbliebenen vom verschlossenen Sarg nicht aus, sagt Held. Damit die Bestatter jedoch in ihren eigenen Räumen nicht auch noch gesonderte Vorkehrungen für Corona-Verstorbene treffen müssen, gibt es im Stadtgebiet laut Stephanie Held insgesamt drei Möglichkeiten, die Verstorbenen bis zu ihrer Beerdigung in externen Kühlräumen auszulagern – unter anderem ist auch in der Friedhofskapelle in Werl-Aspe dafür Platz geschaffen worden. An die Kapazitätsgrenzen stoße man da bislang noch nicht, sagt Stephanie Held. Auch wenn sie und ihr Vater über die vergangenen Weihnachtstage vier Corona-Patienten beerdigen mussten. Im Frühjahr war es nur einer gewesen.

Aktuell seien aufgrund der Pandemie vor allem Trauerfeiern an der frischen Luft gefragt. Manch einer sei sogar ganz froh, dass er jetzt nur im kleinen Rahmen Abschied nehmen könne und das Prozedere ein wenig reduziert werde, sagt Stephanie Held. Aber das komme auch immer ganz darauf an. &bdquo;Letztendlich sollte jeder frei entscheiden können, wie er sich verabschieden möchte", sagt sie mit Blick auf ein Ende der Pandemie. Immer wieder habe sie beobachtet, wie schwer es Hinterbliebenen falle, zu entscheiden, wer nun an der Trauerfeier im kleinen Kreis teilnehmen darf und wer nicht. Und auch das ständige Abstand halten sei nicht immer einfach. &bdquo;Manch einer will die Hinterbliebenen einfach nur in den Arm nehmen. Es ist schwierig, wenn das nicht geht."

41 Tote mit Corona In Bad Salzuflen (56.000 Einwohner) sind seit Ausbruch der Pandemie mehr Menschen im Zusammenhang mit einer Covid-19-Infektion gestorben als in jeder anderen lippischen Kommune. Die Zahl stand am Sonntag bei 41. Zum Vergleich: In Detmold (73.000 Einwohner) sind es 18, in Lemgo (41.400) 8 und in Lage 18 (35.300). Doch warum ist die Zahl der Verstorbenen in der Kurstadt so verhältnismäßig hoch? Vom Gesundheitsamt des Kreises in Detmold heißt es auf Nachfrage, dass sich ein spezieller Grund nicht benennen ließe. Nach Einschätzung des Gesundheitsamts kämen verschiedene Variablen zusammen: die im Verhältnis höhere Altersstruktur in Salzuflen, viele Corona-Fälle und ein überproportionaler Anteil an Alten-, Pflege- und Reha-Einrichtungen.

"Menschen brauchen Rituale" Ob ein geliebter Mensch nun während der Corona-Pandemie stirbt oder zu einem anderen Zeitpunkt – die Trauer ist immer gleich, sagt Christiane Nolting, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Lockhausen-Ahmsen. Sie habe aber durchaus festgestellt, dass die aktuelle Situation die Hinterbliebenen dünnhäutiger werden lasse.

Besonders schlimm sei es aber immer dann, wenn die Angehörigen keine Gelegenheit mehr gehabt hätten, zu Lebzeiten von ihrem Verstorbenen Abschied zu nehmen – etwa weil Besuche im Krankenhaus nicht möglich gewesen waren. &bdquo;Das ist grauenhaft und begleitet die Hinterbliebenen ein Leben lang." Genauso wie die Bestatter habe sie dann als Pfarrerin ein offenes Ohr für die Angehörigen. &bdquo;Ich nehme mir die Zeit und bin da." Erzählen und Erinnern helfe den Angehörigen genauso wie vielleicht Ungesagtes noch einmal in Worte zu fassen. &bdquo;Diese Gespräch sind oft sehr intensiv", berichtet die Pfarrerin.

&bdquo;Lebenswichtig" sei es ihrer Ansicht nach für die Angehörigen aber auch, sich am Grab noch einmal verabschieden zu können. &bdquo;Menschen brauchen Rituale, um abschließen zu können", sagt Christiane Nolting. In Zeiten der Corona-Pandemie auf Trauerfeiern zu verzichten, sei für sie daher undenkbar.

In der Christuskirche in Lockhausen sind nach aktuellen Vorgaben 39 Trauergäste erlaubt, die Angehörigen seien jedoch häufig überfordert mit der Entscheidung, wen sie nun dabeihaben möchten und wer draußen bleiben muss. &bdquo;Das nimmt die Leute sehr mit", hat Nolting erlebt. Und auch die Abstandsregeln machten vielen zu schaffen. Da könne es schon mal vorkommen, dass diese unbewusst missachtet werden. &bdquo;Das sind dann Reflexe, wenn da jemand steht und weint", sagt die Pfarrerin. Insgesamt würden die Vorgaben aber sehr gut akzeptiert. &bdquo;Ich erlebe die Menschen als sehr diszipliniert."

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