Neue Wege des Abschieds: So ändern sich die Bestattungsformen in Lippe

Kreis Lippe. &bdquo;Die Nachfrage nach alternativen Bestattungsformen ist mehr geworden, sowohl bei uns, als auch in Lippe allgemein“, weiß der Bad Salzufler Bestatter Friedrich Kramer, Vorsitzender des Kreisverbandes Herford-Minden-Lippe des Bestatterverbandes NRW. Mittlerweile seien es zu 80 Prozent Feuer- und zu 20 Prozent Erdbestattungen - früher sei dieses Verhältnis genau umgekehrt gewesen. Feuerbestattungen und Urnen hätten dazu beigetragen, alternative Bestattungsformen zu ermöglichen, etwa als Seebestattung oder Beisetzung in einem Friedwald oder Ruheforst.

Die Urne Ein Grund für die Zunahme der Urnenbeisetzungen: Zum einen sind sie günstiger als Erdbestattungen. Aber auch die Frage, wer sich in den nächsten 20, 30 Jahren um das Grab kümmert, beschäftigt die Menschen, sagt Kramer. Gewünscht seien pflegeleichte Gräber, betont Hanno Ramrath, Bestatter aus Detmold. &bdquo;Auf den Friedhöfen schuften, um die Gräber zu gestalten, wie es Eltern und Großeltern taten, das möchten viele heute nicht mehr.“ Deshalb seien auch Friedhöfe mittlerweile im Wandel. Der Wunsch nach der Bestattungsform sei auch ein Spiegel der veränderten Familienkultur, des veränderten Zusammenlebens, meint Kramer. Kinder wohnen nicht dort, wo die Eltern leben, können und wollen sich nicht um pflegeintensive Gräber kümmern.

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Die Lemgoer Bestatterin Manuela Werner weiß zudem: Die Bestattungsform ist auch abhängig von der Religionszugehörigkeit. Früher sei eine Einäscherung für viele Menschen nicht denkbar gewesen, das habe sich geändert. Strenggläubige wünschten sich nach wie vor eher Trauerfeiern mit Erdbestattungen. Die Kirche hatte früher großen Einfluss auf die Bestattungskultur und -form, doch verliert sie immer mehr Mitglieder, führt Friedrich Kramer wiederum aus. Wenn die Institution nicht mehr wichtig ist, warum dann an die von ihr gesetzten Vorgaben halten? Auch dass vielfach freie Redner für Ansprachen gewählt oder ganz auf eine Andacht bei einer Trauerfeier verzichtet werde, spiegele die Veränderung wieder. Eine stille Beisetzung im engsten Kreis, bei dem vielleicht der Bestatter oder jemand aus der Familie ein paar Worte sagt, nähme zu.

Im Wald oder der See Seebestattungen seien in Lippe die Ausnahme, dürften sie doch bislang nur außerhalb der Drei-Meilen-Zone in festgelegten Beisetzungsgebieten stattfinden. Aber Nord- und Ostsee sind von Lippe dann doch ein Stück weit weg. Anders sieht es mit der Bestattung in Ruheforsten oder Friedwäldern aus. Kramer: &bdquo;Die Zahlen der Beisetzungen sind deutlich angestiegen.“ Auch weil immer mehr regional angeboten werde und die Gräber keine Pflege benötigen. Wenn gewünscht, begleiten auch Pastörinnen und Pastoren die Beisetzung im Wald. &bdquo;Viele Menschen fragen nach einer Baumbestattung“, auch weil der Wald für sie etwas Besonderes sei, sie dort zur Ruhe kämen, sagt Manuela Werner. Für sie sei der Friedhof nicht die erste Wahl, auch wenn viele Friedhöfe mittlerweile Baumbestattungen ermöglichten.

Auch der Wunsch, die Asche des verstorbenen Haustiers mit ins eigene Grab zu nehmen, kennt Hanno Ramrath. &bdquo;Hund und Katze sind für die Menschen Familienmitglieder.“

Immer seltener hingegen wird laut Manuela Werner der Wunsch nach anonymen Bestattungen. Anonym gleich pflegefrei, aber auch ohne eine Anlaufstelle für Trauer, Erinnern, Gedenken. Eine anonyme Bestattung wird meist vom Amt organisiert, wenn Verstorbene keine Angehörigen haben, die sich kümmern. Das ökumenische Bündnis Abschied in Würde organisiert in Lemgo ehrenamtlich Abschiedsfeiern, um Menschen ohne Angehörige respektvoll beizusetzen . Eine ähnliche Initiative gibt es auch in Detmold.

Wenn Kinder sterben Auch wenn Urnenbeisetzungen überwiegen, für das eigene Kind wählen viele Eltern ein Erdgrab, erzählen die drei Bestatter. Gerade Babys oder Kleinkinder würden in einem kleinen Sarg oder einem Körbchen beigesetzt. Viele Friedhöfe böten für Frühchen unentgeltliche Bestattungen an, in Friedwäldern gibt es &bdquo;Sternenkinder-Bäume“. Feuerbestattungen für Kinder seien selten. Auch für jüngere Erwachsene werde eher eine Erdbestattung gewählt. Ein Kind zu beerdigen sei emotional noch einmal eine ganz andere Herausforderung, auch für Bestatter.

Alternativen im Ausland Der Wunsch, die Urne mit nach Hause zu nehmen und sie im Garten zu bestatten, werde des Öfteren geäußert, sagt Hanno Ramrath. Das aber sei in NRW nicht gestattet. Eigentlich, denn es gibt legale Ausnahmen. Es gebe Unternehmen, die die Asche des Verstorbenen in die Niederlande überführen, wo sie mit der Erde eines Baumes vermischt wird. Kommt sie dann zurück nach Deutschland, zählt es als Baum, der am Ort der Wahl eingepflanzt werden kann, weiß der Detmolder.

Auch die sogenannte Diamantbestattung ist in den Niederlanden möglich, &bdquo;aber immer grenzwertig“, sagt Friedrich Kramer. Hierbei wird ein Teil der Asche zu einem Diamanten verarbeitet, der Rest wird beigesetzt. Auch in Deutschland gibt es Unternehmen, die diese Zusammenarbeit anbieten.

Abkehr vom Bestattungszwang Bestattungsrecht ist Landesrecht, und so hat jedes Bundesland sein eigenes. Gemein war bislang allen der Bestattungszwang, heißt der Sarg oder die Urne kommt in die Erde oder die Hochsee. Außer in Rheinland-Pfalz: Mit der Novellierung seines Bestattungsgesetzes hat das Land den Bestattungszwang abgeschafft. Dort ist es möglich, die Urne mit nach Hause zu nehmen, auf den Kaminsims oder ins Regal zu stellen, im eigenen Garten zu begraben beziehungsweise außerhalb von Friedhöfen auszubringen. Auch Bestattungen im Rhein sind möglich. Ob das eine Signalwirkung für andere Bundesländer haben wird, bleibt abzuwarten, sagt Friedrich Kramer.

Allerdings gibt es eine Hürde: All dies ist nur denen möglich, die zum Zeitpunkt des Todes in Rheinland-Pfalz gemeldet sind, &bdquo;um eine Art ,Tourismus’ zu verhindern“, betont der Bestatter. &bdquo;Außerdem müssen die persönlichen Wünsche handschriftlich niedergeschrieben sein. Kein Angehöriger kann es bestimmen.“ Er halte die Regelung des Bestattungszwangs für gut, auch wenn viele Ausnahmen - etwa Seebestattungen - in Ordnung seien.

Aber was passiere mit Urnen, den Überresten eines Menschen, die mit nach Hause genommen werden, wenn der Angehörige verstirbt, fragt er. Muss dann die Allgemeinheit doch noch für eine Bestattung aufkommen? &bdquo;Werden die Überreste entsorgt? Was ist mit der Würde des Toten? Es bleibt doch ein verstorbener Mensch.“ Und: &bdquo;Wer entscheidet, welches der Kinder oder welcher Angehörige die Urne mitnehmen darf? Und was, wenn derjenige mit anderen zerstritten ist, die auch gern die Urne sehen, zum Verstorbenen kommen würden?“, fragt Manuela Werner. An einem öffentlichen Ort kann jeder Anteil nehmen und trauern, wenn er das Bedürfnis danach hat.

Bereits gelockert wurde der Sargzwang, sprich, eine sarglose Beisetzung in Erd gräbern ist möglich, sofern die Friedhofssatzung dies erlaubt. Das ermöglicht insbesondere Beisetzungen im Leichentuch, die oft aus religiösen Gründen - etwa im Islam - gewünscht werden. Bei einer Feuerbestattung hingegen gilt eine Sargpflicht für die Einäscherung.

Ort des Gedenkens Viele Menschen brauchten einen Ort zum Trauern, sind sich die Bestatter einig. Selbst wenn jemand das vor dem Tod des geliebten Menschen eigentlich nicht für wichtig erachtet hatte. &bdquo;Deshalb bieten Reedereien regelmäßig Fahrten ins Beisetzungsgebiet an“, weiß Kramer, zudem gebe es Gedenksteine oder Ähnliches. Wird ein Verstorbener im Friedwald oder Ruheforst beigesetzt, sind der Baum - mit oder ohne Namen - Anlaufpunkte für Trauernde.

Die meisten Menschen möchten eine Stelle zum Gedenken, aber es gebe auch die, die keinen öffentlichen Ort dafür brauchen, sich zu Hause einen Platz einrichteten, weiß Hanno Ramrath. Und manch einer, der sagt, er brauche einen Gedenkort nicht, revidiere dies später, sagt Manuela Werner. Sie nennt es eine Kulturfrage: &bdquo;Wir brauchen einen solchen Ort.“ Hanno Ramrath nennt einen weiteren Aspekt des Friedhofes: Er ist ein Ort &bdquo;der Kulturbewahrung, da ist Geschichte“. Friedhöfe sind vielfältig: Sei es der jüdische Friedhof, der an die Schicksale der Menschen erinnert, ein Seemannsfriedhof, der die Geschichte von Stürmen und Fluten nachzeichnet, ein Soldatenfriedhof, Künstlerfriedhof oder der von nebenan, der die Vergangenheit des Dorfes widerspiegelt.

Vorsorge &bdquo;Vorsorge wird immer wichtiger“, weiß Friedrich Kramer. Dazu zähle, im Vorfeld Dinge zu klären, Wünsche zu äußern und diese am besten schriftlich festzuhalten. Dazu eine Versicherung abzuschließen, um das Geld - auch im Pflegefall - für die Beerdigung zurückzulegen, ergänzt Manuela Werner. Mittlerweile gehöre diese Beratung immer häufiger zum Alltag eines Bestatters, bei ihr gingen dazu etwa zwei bis dreimal in der Woche Anrufe ein.

Sowieso sei der Bestatter mehr als ein Dienstleister, ein Stück weit auch Seelsorger: &bdquo;Angehörige müssen Dinge loswerden, vom Verstorbenen erzählen“, diese Erfahrung macht die Lemgoer Bestatterin immer wieder. &bdquo;Es ist eine emotionale Ausnahmesituation und ein Privileg, dies begleiten zu dürfen.“ Wichtig sei ein gutes Setting, bestätigt Hanno Ramrath, mit behutsamer Ansprache und Begleitung. Um die Hemmschwelle zum Thema Tod und Beerdigung zu senken, bietet er unter anderem Lesungen und weitere niedrigschwellige Veranstaltungen an.

Jedem sein Weg Und natürlich gibt es sie noch, die traditionellen Trauerfeiern mit Erdbestattung. &bdquo;Es ist doch perfekt, dass jeder seinen Weg zum Abschiednehmen findet“, betont Friedrich Kramer. Denn auf die Menschen, die Verstorbenen, ihre Angehörigen, Freunde und Vertraute komme es schließlich an.

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