Wo viele Schmetterlinge in Bad Salzuflen ein Zuhause haben

Bad Salzuflen-Schötmar. Man muss schon zweimal hinsehen, um aus der Entfernung das Kleine Eichenkarmin vom steinigen Untergrund unterscheiden zu können. Das Geschöpf ist eine der seltenen Nachtfalterarten, die auf dem Gelände des Umweltzentrums Heerser Mühle (UWZ) vorkommen. Insgesamt 271 Arten hat der Insektenforscher Hans Dudler hier gezählt.

Der 63-jährige Augustdorfer hat von April bis Oktober 2019 in einem aufwendigen Verfahren die Nachtfalter bestimmt und gezählt. Das entsprechende Gutachten hat er nun vorgelegt. Das Papier ist aus seiner Sicht ein weiteres Argument dafür, dass die geplante Strecke der neuen Trasse der B 239, die unmittelbar über das Gelände führen würde, auf keinen Fall Realität werden darf. &bdquo;Sie würde die große Anzahl der Biotope zerstören", sagt Dudler, der sich seit seiner Jugend für Insekten interessiert und seit einigen Jahren im Kreisverband Lippe des Naturschutzbundes (Nabu) engagiert. Das UWZ sei auch ein Refugium für Nachtfalter, erklärt er. Experten gehen davon aus, dass es in Deutschland gut 3500 verschiedene Arten gibt.

Um die scheuen Tiere nach Einbruch der Dämmerung anzulocken, arbeitete Dudler mit starken Lichtquellen. &bdquo;Mit einer 500-Watt-Lampe habe ich aufgespannte und ausgelegte Bettlaken angestrahlt." Zudem habe er einen gut zwei Meter hohen Leuchtzylinder verwendet, der von einer LED-Lampe betrieben wird. Angezogen von der Helligkeit schwärmten die Insekten um die Lichtquellen oder ließen sich darauf nieder. Jedenfalls im Idealfall. &bdquo;Man kann vorher nie genau sagen, ob sie tatsächlich kommen", sagt Dudler, es sei auch immer ein Geduldsspiel. Fest steht, dass einige Arten Lichtquellen über Kilometer wahrnehmen und sich zu ihnen bewegen, andere sind aufgrund verkümmerter Flügel kaum in der Lage zu fliegen.

&bdquo;Er galt in Nordrhein-Westfalen als verschollen" Um die Falter zu bestimmen, braucht Dudler nur selten einen Blick in ein Fachlexikon zu werfen, viele hat er im Gedächtnis. Wie viele genau, könne er nicht sagen, sagt er und lacht. &bdquo;1500 werden es schon sein."

Unter den Arten, die er während seiner nächtlichen Sitzungen entdeckt hat, ist auch ein Tierchen, das unter dem fast unaussprechlichen lateinischen Begriff &bdquo;Ecpyrrhorrhoe rubiginalis" firmiert. &bdquo;Er galt in Nordrhein-Westfalen als verschollen", sagt Dudler. 27 der gezählten Arten seien in NRW akut im Bestand gefährdet. &bdquo;Das UWZ bietet mit seinen verschiedenen Biotopen wie Au- und Mischwäldern Schmetterlingen ein Zuhause, das sie sonst fast gar nicht mehr finden", sagt Dudler. Aufgeräumte Gärten und Äcker böten den Tieren keinerlei Lebensgrundlage. Besonders erwähnt er daher den Fund des Kleinen Eichenkarmins. &bdquo;Diese landesweit seltene Eulenfalterart war bis vor kurzem in Ostwestfalen so gut wie unbekannt." Sie profitierte offenbar vom Klimawandel und den gestiegenen Temperaturen.

Mit 15 oder 16 Jahren habe er begonnen sich für die Tiere zu interessieren, berichtet der Insektenexperte. Auslöser seien Schulkameraden gewesen, die in der Pause immer wichtig herumdiskutiert hätten. &bdquo;Als ich mich dazugestellt habe, habe ich erfahren, dass es um Schmetterlinge ging." Gemeinsam wurden die Jungs Mitglied bei einem Insektenverein in Bielefeld, den es bis heute gibt und der sich mittlerweile &bdquo;Arbeitsgemeinschaft westfälischer Entomologen" nennt.

&bdquo;Wozu nutzt der Mensch?" Dudlers Begeisterung ist ungebrochen. Mittlerweile habe er mehr als 400.000 Datensätze von Schmetterlingen auf dem Rechner. Insgesamt blickt er allerdings nicht allzu optimistisch in die Zukunft. &bdquo;Es kann sein, dass Kinder in ein paar Jahren keine Zitronenfalter mehr aus eigener Anschauung kennen werden, denn die Zahl der Biotope, in denen die Tiere leben, nimmt immer weiter ab." Umso wichtiger seien Orte wie das UWZ: Aufgrund der seit Jahren praktizierten Gestaltungsmaßnahmen hätten sich dort vielgestaltige ökologische Nischen entwickelt.

Als Beispiele: 85 der insgesamt 271 auf dem Areal gefundenen Arten leben in Laub- und Mischwäldern, 17 Arten in Bruch und Auenwäldern. Weitere 21 gehölzbewohnende Falterarten bevorzugen Hecken und Gebüsche im halboffenen Gelände sowie an Waldrändern und Säumen – all das findet sich auf dem Gelände oder grenzt daran an, ebenso wie Feucht- und Nasswiesen, die 16 Arten ein Zuhause bieten.

Auch ihrerseits erfüllen die Tiere wichtige Aufgaben im biologischen Kreislauf, sagt Dudler. &bdquo;Sie dienen als Nahrung für Vögel, Fledermäuse und Spinnen, außerdem bestäuben sie Pflanzen wie die Bohne." Die Frage nach dem Nutzen hält er allerdings für zweitrangig und fragt stattdessen zurück: &bdquo;Wozu nutzt der Mensch?"

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