Leben mit dem Down-Syndrom: „Für uns ist Maximilian normal“

Bad Salzuflen/Werl-Aspe. Als es klingelt, kommt Maximilian zur Türe gerannt, um den Besucher zu empfangen, danach läuft der Vierjährige in das Wohnzimmer, um seinen kleinen Bruder stürmisch zu umarmen, der auf einer Babydecke auf dem Boden liegt. Kurz danach steht er schon am Wohnzimmertisch und malt in sein Malbuch. &bdquo;Er ist kaum zu bremsen", sagt Mutter Mareike Zimmermann (30) und lacht. &bdquo;Er hat einen echten Dickkopf", ergänzt ihr Mann Achim Zimmermann (34).

Maximilian dürfte nicht der einzige Vierjährige sein, der einen starken Willen hat. Was ihn von den meisten anderen Kindern unterscheidet, ist, dass das Chromosom 21 bei ihm dreifach statt nur zweifach in den Zellen vorhanden ist. Trisomie 21 oder Down-Syndrom nennt sich die genetisch bedingte Krankheit.

&bdquo;Für uns ist Maximilian normal", sagt Mareike Zimmermann. Er ist ihr erstes Kind. &bdquo;Wir kennen es ja gar nicht anders", fügt sie hinzu. Die Diagnose sei für das Paar aus dem Nichts gekommen. Kurz nach der Geburt im Krankenhaus hätten die Ärzte ihnen mitgeteilt, dass er vermutlich das Down-Syndrom habe. &bdquo;Erst war es eine Andeutung, dann hat der Arzt eine Kinderärztin dazu geholt", erinnert sich Mareike Zimmermann. &bdquo;Als immer mehr Mediziner sich Maximilian angesehen haben, habe ich gedacht, das ist doch nicht normal und habe gefragt, was los ist", sagt ihr Mann. Im Laufe des Tages erhärtete sich die Annahme.

Wie sind die Eltern mit der Diagnose umgegangen? &bdquo;Für mich war es überraschend in Ordnung. Er ist ja mein Kind", sagt Mareike. &bdquo;Die erste Zeit war für mich nicht ganz so einfach", sagt Achim Zimmermann. Der Aufzugsmonteur ist ein großer, kräftiger Mann. &bdquo;Ich schraube gerne an Autos, bastele Modellautos und nähe Flugdrachen", berichtet er. &bdquo;Natürlich hat man die Vorstellung, dass man das alles irgendwann mit seinem Sohn macht. Dass man ihm ein Fahrrad kauft, später vielleicht ein Mofa und irgendwann ein Auto. Wenn man dann das Down-Syndrom googelt, bekommt man natürlich auch die ganz extremen Fälle angezeigt, von Kindern, die nur im Rollstuhl sitzen können und den Eindruck machen, dass sie nicht viel von ihrer Umwelt mitbekommen."

Zu Beginn sei es schon so gewesen, dass er nicht wahrhaben wollte, dass seine Träume in gewisser Weise zerstört worden seien. &bdquo;Das klingt vielleicht aber auch schon zu hart", fügt er hinzu. Mit der Zeit habe sich das alles gedreht. &bdquo;Für kein Geld der Welt würde ich wollen, dass Maximilian anders ist, als er ist", sagt Achim Zimmermann, &bdquo;wir lieben ihn über alles". Er sei zwar wild, aber gleichzeitig auch kuschelig und anhänglich. &bdquo;Und er hat überhaupt keine Angst", sagt Mareike Zimmermann. Fremden trete er vorbehaltlos gegenüber. &bdquo;Das müssen wir ihm irgendwann abgewöhnen, zu vertrauensvoll zu sein, ist nicht gut."

"Er hat überhaupt keine Angst"

Unterdessen hält Maximilian dem Reporter einen Stift unter die Nase, mit dem er in das Malbuch malen soll. Dann streckt er ihm die Zunge raus und prustet los. &bdquo;Die größte Baustelle ist derzeit das Sprachvermögen", sagt Achim Zimmermann. Das Laufen hat er gelernt, später als die meisten Kinder, da sei er fast zwei Jahre alt gewesen. &bdquo;Das war kurz vor Weihnachten, wir haben ihm gesagt, wenn er läuft, bekommt er ein Dreirad, das hat er dann gemacht", sagt Mareike. &bdquo;Das passive Sprachvermögen von Menschen mit Down-Syndrom liegt bei 99 Prozent, das aktive zwischen 50 und 75 Prozent", sagt Achim Zimmermann.

Regelmäßig geht Maximilian daher zur Logopädie, um das Sprechen zu lernen, außerdem bekommt er Frühförderung. In der Kita steht ihm eine Integrationshelferin zur Seite. Nach und nach hätten sie sich schlau gemacht, was für Hilfen es gebe und was für Unterstützungen ihnen zustünden. &bdquo;Am Anfang steht man alleine im Wald", sagt Achim Zimmermann. &bdquo;Niemand hat uns gesagt, was wir mit einem behinderten Kind für Rechte haben."

Aber macht jede Therapiemöglichkeit auch Sinn? Diese Frage muss die Familie für sich selbst beantworten. &bdquo;Wir haben eine Dokumentation gesehen, in der Familien mit Kindern, die das Down-Syndrom haben, vorgestellt worden sind", erzählt Achim Zimmermann. Ein Kind habe den ganzen Tag eine Therapiestunde nach der nächsten gehabt. Auf ihn habe das Kind total überfordert gewirkt. &bdquo;Es hat irgendwann zugemacht." Mareike und Achim Zimmermann wollen das richtige Maß finden. &bdquo;Er soll ja auch noch freie Zeit haben", sagt Achim Zimmermann. Maximilian spielt gerne mit Duplo, außerdem sei Wasser seine große Liebe. &bdquo;Von dem Pool im Garten kann er gar nicht genug bekommen", sagt Achim Zimmermann.

Er läuft weiter, als es seinen Eltern lieb ist

Und er läuft, weiter als es seinen Eltern lieb ist. &bdquo;Man darf ihn eigentlich keine Minute unbeaufsichtigt lassen", sagt seine Mutter. Als seine Eltern einmal vergessen hatten, die Türe abzuschließen, sei er zu den Nachbarn gelaufen. &bdquo;Wir waren oben im Dachgeschoss und haben uns gewundert, warum es auf einmal so still ist", erinnert sich Achim Zimmermann. Auch über den Zaun sei er schon geklettert, als sie einen Moment nicht aufgepasst hätten. Sie würden gerne einen Sport für ihn finden, um seine enorme Energie zu kanalisieren. Sie setzen jetzt auf ein Projekt, in dem Kinder mit Down-Syndrom Handball spielen (die LZ berichtete). Mit anderen Sportkursen haben sie nicht so gute Erfahrungen gemacht. &bdquo;Als Maximilian bei einer Turngruppe mit normalen Kindern mitgemacht hat und viel Spaß hatte, haben uns die Trainerinnen nachher gesagt, sie könnten seine Betreuung nicht nebenher leisten."

Zimmermanns berichten von einigen Erfahrungen, die negativ waren – auch mit eigentlich engen Freunden. &bdquo;Von denen haben wir uns aber schnell distanziert", sagt Mareike Zimmermann. In einem anderen Fall hätten Eltern auf einem Spielplatz ihrem Kind gesagt, sie sollten nicht mit &bdquo;dem Behinderten" spielen, wie Achim Zimmermann berichtet. Zwar sei Maximilian in seiner Kita beliebt, &bdquo;aber natürlich mache ich mir Sorgen, dass er später in der Schule gemobbt wird oder geschlagen und sich nicht wehren kann", sagt Mareike Zimmermann.

Sicher sind sich die beiden, dass sie Maximilian nichts verbieten werden mit dem Argument, &bdquo;dass er es nicht kann". &bdquo;Er soll so selbstständig werden wie möglich", sagt Achim Zimmermann. Vor der Einschulung steht für Maximilian eine Untersuchung an, in der prognostiziert wird, wie seine Entwicklung verlaufen könnte. Achim Zimmermann ist sich jedenfalls sicher: &bdquo;Irgendwann werde ich mit ihm Mofa fahren können, wenn nicht mit 15, dann eben wenn er 20 Jahre alt ist. Was macht das schon für einen Unterschied?"

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